Tod von Helfern in GazaDer Starkoch für die Flüchtlinge
José Andrés hat in Washington die dröge Gastroszene aufgemischt – und mit World Central Kitchen die humanitäre Hilfe weltweit. Im Gaza-Krieg spielt er nun plötzlich eine tragische Heldenrolle.
In Israel und in Gaza würden alle gleich gern Falafel und Hummus essen, sagte José Andrés vor kurzem. So naiv, wie die Aussage klingen mag, ist der Sternekoch aus Washington nicht. In dem Interview mit NBC Mitte März sagte er auch, er wolle einen Hype um sich und seine Hilfsorganisation World Central Kitchen vermeiden. Sowohl in Israel als auch im Gazastreifen verteilten seine Leute Essen an Bedürftige, es sei eine hochkomplexe Situation.
Nun, zwei Wochen später, stehen Andrés und seine World Central Kitchen weltweit in den Schlagzeilen. Sieben Mitarbeiter sind ums Leben gekommen, beschossen von der israelischen Luftwaffe, als sie Esswaren zu hungernden Palästinensern fahren wollten. Israels Premierminister Benjamin Netanyahu sah sich zu einer Entschuldigung gezwungen.
Den kriegerischen Politiker erwähnte Andrés nicht namentlich, als er auf sozialen Medien um die «sieben getöteten Engel» trauerte. Aber er richtete einen unmissverständlichen Appell an die Regierung in Tel Aviv: «Ihr könnt diesen Krieg nicht gewinnen, indem ihr die ganze Bevölkerung aushungert.»
Joe Biden bezeichnet ihn als Freund
Gut möglich, dass der Luftschlag als Wendepunkt in Erinnerung bleiben wird, als der Moment, in dem die öffentliche Meinung in den USA sich gegen Netanyahu wendete. Es wäre nicht zuletzt das Verdienst von José Andrés, der sich in der US-Hauptstadt in die obersten Sphären der Gesellschaft gekocht hat. Seine Bekanntheit in der wichtigen Medienstadt verstärkt die Welle der Empörung. Selbst Präsident Joe Biden rief ihn an und nannte ihn «einen Freund».
Der Spanier zog mit 21 Jahren in die USA. Mit dem Gourmetrestaurant Minibar in Washington DC holte er bald zwei «Michelin»-Sterne. Mehr als 400 Dollar kostet dort ein Dinner, über 1000 Dollar mit Wein. Inzwischen zählt Andrés zwei Dutzend Restaurants zu seinem Imperium, von Los Angeles bis Dubai, mit asiatischer, peruanischer, mexikanischer und spanischer Küche. Sie beweisen seinen Geschäftssinn in der US-amerikanischen Gastroszene, in der gut ist, was sich gut verkauft. Das Design der Inneneinrichtung und der Website ist für die José Andrés Group mindestens ebenso wichtig wie das Essen. Trotz den enorm hohen Preisen verdienen viele Angestellte kaum mehr als den Mindestlohn.
Vertrautes Essen für die Seele
In Washington geniesst Andrés dennoch einen Status als «weltlicher Heiliger», weil er der US-Politelite beibrachte, dass Essen auch Genuss sein soll. Verdient hat er den Titel mit seinem humanitären Engagement, für das ihn das «Time Magazine» 2012 und 2018 zu den 100 einflussreichsten Menschen zählte. Nach einem Erdbeben in Haiti habe er erstmals erkannt, dass Katastrophenopfer nicht nur Füllmaterial für den Magen brauchen, sondern vertrautes Essen für die Seele, sagte er.
Mit dieser Idee gründete er 2010 das Hilfswerk World Central Kitchen, das mit unbürokratischer Hilfestellung die Welt der Humanitären aufmischte. Nach einem Sturm in Puerto Rico bereitete Andrés mit befreundeten Köchen Sancocho zu, einen herzhaften Fleischeintopf mit Maniok und Gemüsebananen.
Inzwischen ist World Central Kitchen zu einem Koloss gewachsen. Amazon-Gründer Jeff Bezos überreichte Andrés 2021 ein Preisgeld von 100 Millionen Dollar, 2022 gingen über 500 Millionen Dollar Spenden ein. Kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine engagierte sich World Central Kitchen erstmals in einem Kriegsgebiet. Da wurde auch erstmals Kritik laut, die Mitarbeiter würden zu wenig gut geschützt.
In Gaza war World Central Kitchen als eine der Ersten im Einsatz, schaffte Nahrungsmittel auf dem Seeweg heran und bereitete Mujadara zu, ein nahrhaftes Linsengericht. Andrés beteuert, alles für die Sicherheit seiner Leute unternommen zu haben, die israelische Armee war laufend über Einsatzpläne und Reiserouten informiert. Trotzdem geriet der Konvoi gleich dreimal unter Feuer, wegen eines Fehlers, wie Generalstabschef Herzi Halewi sagte, «in der Nacht, im Krieg, in einer hochkomplexen Situation».
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