Wirtschaftskrise im InselstaatSri Lanka ist zahlungsunfähig – nun muss er das Land retten
Ranil Wickremesinghe wurde gerade zum Premier gewählt – zum fünften Mal. Im Volk geniesst er kaum Rückhalt. Dabei könnte seine Aufgabe nicht grösser sein.
Sri Lanka, ein Land mit 22 Millionen Einwohnern, versinkt in Armut und Chaos. Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich jüngst im Parlament. «In unseren Gewässern liegt ein Benzinschiff», sagte Energieminister Kanchana Wijesekera. Nur ist es schwierig, an das Benzin heranzukommen, denn: «Wir haben keine Devisen.»
Am Donnerstag erklärte der Inselstaat seine Zahlungsunfähigkeit. In der Nacht war die letzte Frist zur Zahlung von Zinsen einer Dollar-Anleihe ausgelaufen. Sri Lanka fehlen Devisen nicht nur für den Schuldendienst, sondern auch für den Kauf von Lebensmitteln und Treibstoffen.
Devisen zu beschaffen, das ist die Aufgabe des neuen Premiers Ranil Wickremesinghe. Vor wenigen Tagen wurde er auf den Posten gewählt. Das Amt hat der 73-Jährige zuvor schon viermal bekleidet. Sein erstes Ziel: «Ich will sicherstellen, dass alle drei Mahlzeiten pro Tag haben. In meinen früheren Amtszeiten habe ich das geschafft», so Wickremesinghe gegenüber der BBC.
Nahe am Rajapaskas-Clan
Wickremesinghe hat laut Medienberichten in der Bevölkerung aber kaum Rückhalt. Er wird als Verbündeter der Familie Rajapaksa angesehen. Der Clan dominiert die Wirtschaft und die Politik des Landes seit Jahren. Der Familie wird vorgeworfen, Sri Lanka geplündert zu haben. Wickremesinghe sei nur eingesetzt worden, um dafür zu sorgen, dass gegen die Rajapaskas nicht ermittelt werde, lautet die Kritik.
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Derzeit befindet sich die Wirtschaft Sri Lankas im freien Fall. Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff sind ausgegangen oder so teuer geworden, dass sie sich niemand mehr leisten kann. Die Inflationsrate kletterte im März auf über 20 Prozent – bei der Ernährung betrug sie sogar 30 Prozent. Die Wut über die dramatische Lage entlädt sich in gewaltsamen Protesten, die bereits Hunderte Verletzte und mehrere Todesopfer gefordert haben.
Gigantischer Schuldenberg
Die Lage hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Die Produktion der Landwirtschaft ist nach dem Verbot von Kunstdüngern eingebrochen. Der Export von Tee bringt nun keine Devisen mehr, Reis muss importiert werden.
Hohe Staatsausgaben haben dazu geführt, dass sich das Land massiv verschuldet hat. Sri Lanka steht bei privaten Anleihegläubigern und Staaten wie China, Indien und Japan mit insgesamt mehr als 50 Milliarden Dollar in der Kreide. Touristen bleiben wegen der Pandemie aus, was die Deviseneinnahmen drückt.
Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Das Departement des Äussern schreibt über das Land: «Bei Reisen nach Sri Lanka ist der persönlichen Sicherheit grosse Aufmerksamkeit zu schenken.» Die Britische Regierung rät gleich ganz von Reisen nach Sri Lanka ab.
«Es wird zuerst schlimmer werden, bevor es besser wird.»
Und noch eine wichtige Geldquelle hat an Bedeutung verloren. 8 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes stammen laut der Weltbank von Geldsendungen aus dem Ausland. Wobei ein Teil davon aus der Schweiz kömmen dürfte, leben hier doch rund 30’000 Menschen aus Sri Lanka. Doch war zuletzt auch der Geldfluss aus dem Ausland rückläufig. Laut der Zentralbank des Landes wurden 2021 gerade noch 5,5 Milliarden Dollar geschickt – das entspricht dem tiefsten Wert seit zehn Jahren.
Viele zweifeln daran, ob Wickremesinghe der Richtige ist, um dem Land neue Hoffnung zu geben. Ihm scheint das bewusst zu sein. Der BBC sagte er: «Es wird zuerst schlimmer werden, bevor es besser wird.»
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