Max Küng über RammsteinSpassig? Ironisch? Geschmacklos und dumm
Unser Kolumnist fand die deutsche Band schon immer doof – und besucht eine Ausstellung, in der es ums Bücken geht.
Am Kiosk lag die «Weltwoche». Selenski habe hier nichts zu suchen, hiess es auf der Titelseite, wörtlich: «Selenski, nein danke». Ebenfalls auf der Front: Blocher, der Kielholz kielholt; Fotos von grinsenden Klimapolitikern, denen man Bereicherung vorwirft; und: Rammstein, eine Band, um die derzeit niemand herumkommt. Die «Weltwoche» lässt einen bekannten Kulturjournalisten über die Band schreiben, genauer: Er «feiert die deutschen Flammen-Rocker». Es ist einigermassen exotisch, dass jemand derzeit Rammstein «feiert», vor allem auch gerade dieser Kritiker in jenem Medium, denn vor fünfzehn Jahren schrieb er in einer anderen Zeitung: «Die ‹Weltwoche›, wo sich Kolumnisten ohne Scham, Konvertiten ohne Gedächtnis und Belehrer ohne Grenzen besonders gut verbreiten.»
Im Allgemeinen kann man sagen: Die Sympathien zur deutschen Band bröckeln, es ist ein Rammsteinschlag à la Brienz im Gange. Manche sagen: Jetzt, da die Realität über die Band hereinbricht, falle die Kulisse der Alles-nur-Spass-Ironie, die das Spektakel so wunderbar gemacht habe. Dabei war Rammstein einfach immer nur doof. Angefangen beim Bandnamen: bewusst gewagt gewählt, denn im Ort Ramstein (das zweite M im Bandnamen entstammt einem Schreibfehler, so die Legende) kam es während einer Flugshow zu einer Tragödie: Jets der italienischen Kunstflugstaffel Frecce Tricolori kollidierten bei der spektakulären Flugfigur «Durchstossenes Herz». Ein Jet explodierte, rutschte ins Publikum. Siebzig Menschen starben, Hunderte wurden verletzt, am 28. August jährt sich die Katastrophe zum fünfunddreissigsten Mal, viele leiden noch heute an den Folgen. Die Band besingt das Unglück mit vielen rollenden Rrrrrrrr: «Rammstein / Ein Mensch brennt / Rammstein / Fleischgeruch liegt in der Luft / Rammstein / Ein Kind stirbt / Rammstein / die Sonne scheint / Rammstein / ein Flammenmeer / Rammstein / Blut gerinnt auf dem Asphalt / Rammstein / Mütter schreien / Rammstein / die Sonne scheint». Und so weiter und so fort, gerne auch von Zehntausenden an Konzerten in Grossstadien mitgegrölt, samt Pyroshow, aus Flammenwerfern schiessenden Feuerzungen.
Man kann die Texte von Rammstein spassig finden, ironisch, oder – auf die Gefahr hin, als Spiesser dazustehen – als geschmacklos und dumm. Beispiel «Pussy», für einmal partiell in englischer Sprache gesungen: «You’ve got a Pussy / I have a dick / So what’s the problem? / Let’s do it quick.» Damit nicht genug der Reimkunst aus deutschen Landen, geschmiedet wie von Rheinmetall: «Schönes Fräulein / Lust auf mehr / Blitzkrieg mit dem Fleischgewehr / Schnaps im Kopf, du holde Braut / Steck Bratwurst in dein Sauerkraut.» Und noch ein Exempel: Der Imperativ-Erotikthriller «Bück dich!»: «Bück dich!, befehl ich dir / Wende dein Antlitz ab von mir / Dein Gesicht ist mir egal / Bück dich!» Bei solchen Zeilen jubelt der eingangs erwähnte Kritiker und attestiert, bei Rammstein sei «ein grossartiger Lyriker» am Werk.
Apropos Bücken: Im Kunstmuseum Basel ist eine Ausstellung der Künstlerin Andrea Büttner zu sehen. In ihrer Arbeit geht es ebenfalls ums Bücken, jedoch steht es bei ihr für gesellschaftliche Unterdrückung und Ausbeutung («Der Kern der Verhältnisse»; noch bis 1. Oktober). Die Künstlerin zeigt eine Diaprojektion mit dem Titel «Kunstgeschichte des Bückens» mit historischen Darstellungen von Arbeiten wie Ernten, Kinderbetreuung oder Waschen. Erhellend! Denn die Arbeit muss schliesslich von jemandem verrichtet werden. Es können ja nicht alle immer nur Spass haben.
Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».
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