Spaniens RätselWer ist der Millionär im Dorf?
Im spanischen Dorf San Lorenzo de la Parrilla hat sich das Durchschnittseinkommen plötzlich fast verdoppelt. Und jetzt rätselt der ganze Ort, wer der Mensch sein könnte, der womöglich im Lotto gewonnen hat.
Über Geld spricht man nicht, Geld hat man, heisst es oft. In der spanischen Gemeinde San Lorenzo de la Parrilla erfüllt sich dieses Sprichwort auf vorbildliche Weise: Irgendjemand hat dort einen Haufen Geld, aber spricht nicht darüber. Jedenfalls nicht die- oder derjenige mit dem Geld, denn der Rest des Dorfes hat derzeit kaum ein anderes Gesprächsthema als den mysteriösen Reichtum, den irgendjemand hat, aber nicht darüber spricht.
Das kam so: In Spanien werden alljährlich allerlei Statistiken veröffentlicht, so auch das durchschnittliche Einkommen aller Gemeinden mit mehr als 1000 Einwohnern. Mit langweiliger Regelmässigkeit liegen dann die Nobelvororte von Madrid und Barcelona an der Spitze, wo die berühmten Fussballer leben und die Menschen im Mittel mehr als 80’000 Euro im Jahr versteuern. Schlusslicht war in der Statistik für 2022 ein abgelegener Weiler in der Region Extremadura an der portugiesischen Grenze mit 12’737 Euro pro Kopf.
In den einsamen Landstrichen der Iberischen Halbinsel, der España vacía, liegt auch San Lorenzo de la Parrilla, ein Dorf mit 1040 Einwohnern. 2021 zeigte die Statistik ein unauffälliges Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 20’000 Euro. Doch 2022 katapultierte sich die Gemeinde in der Provinz Cuenca mit einem Durchschnittseinkommen von 37’335 Euro an die Spitze der gesamten Region Kastilien-La Mancha. Den Daten der spanischen Steuerbehörde zufolge lag der Durchschnittsverdienst dort höher als in der einstigen Königsstadt Toledo.
Und nun fragen sich die Einwohner: Wo kommt der plötzliche Reichtum her? Werfen die Weizen- und Sonnenblumenfelder der Umgebung neuerdings so viel Geld ab? Sind es die Hühnereierpreise? Oder macht das örtliche Fuhrunternehmen plötzlich Spitzenumsätze? In den beiden Bars des Ortes werde heftig spekuliert, berichtet ein Lokalreporter in der Zeitung «El País».
Demnach habe ein einzelner Mensch in der Gemeinde 2022 ein Einkommen von mehr als zehn Millionen Euro deklariert.
Doch während das Einkommen einzelner, selbstständig arbeitender Menschen durchaus mal um hundert Prozent steigen kann: Um das Durchschnittseinkommen eines 1000-Seelen-Dorfs zu verdoppeln, braucht es mehr Geld, viel mehr. Den vermutlich entscheidenden Hinweis auf die Lösung des Rätsels gab die Bürgermeisterin Virginia Martínez. Demnach habe ein einzelner Mensch in der Gemeinde 2022 ein Einkommen von mehr als zehn Millionen Euro deklariert. Und das ist die wahrscheinlichste Lösung des Rätsels: Jemand hat im Lotto gewonnen.
Diese Version habe sich mittlerweile auch im Ort verbreitet, berichtet die Angestellte des Lebensmittelladens an der Plaza Mayor am Telefon. «Das ist es, was wir vermuten.» Zumal es in einer anderen spanischen Gemeinde 2021 einen ähnlichen Fall gab. Damals sank das Einkommen plötzlich drastisch. Einen Lottogewinn deklariert man eben nur einmal.
Wer renoviert sein Haus?
In San Lorenzo de la Parrilla fragt man sich nun, wer der Gewinner sein könnte. Ist es einer der Alten, die sich auf den Sitzbänken der Plaza Mayor ausruhen? Oder einer der peruanischen Emigranten, die als Lastwagenfahrer in der Spedition aushelfen? Womöglich jemand in der Gemeindeverwaltung?
Im Dorf wird derzeit genau hingesehen, wer sein Haus aufwendig renoviert, ein neues Auto anschafft oder besonders viele Amazon-Pakete in Empfang nimmt. Aber noch hält sich der unbekannte Millionär an den Spruch vom Geld, das man hat, darüber aber nicht spricht.
Dieser Artikel erschien erstmals am 12. Oktober 2023. Anlässlich des grossen Jackpots im Schweizer Zahenlotto haben wir ihn am 22. Februar 2024 nochmals publiziert.
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