Spanien provoziert EklatsEr wettert gegen Israel und verärgert Italien – kann es mit Pedro Sánchez noch gut gehen?
Nachdem er für seine Wiederwahl innenpolitische Pakte an den Grenzen des Rechtsstaats geschmiedet hat, reisst Spaniens Ministerpräsident auch aussenpolitische Fronten auf. Politisch klug ist das nicht.
«Hart am Wind» heisst es unter Seglern, wenn es darum geht, ein Schiff auf Kurs zu halten, obwohl der Wind frontal ins Gesicht bläst. In dieser Situation gilt es, zu viel Schräglage zu vermeiden, andernfalls schiesst das Schiff «in die Sonne», wie Segler sagen. Das kann ungut enden.
Im politischen Sinne hart am Wind segelt derzeit Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez. Um sich eine Parlamentsmehrheit für seine Wiederwahl zu sichern, hatte er Zugeständnisse an die katalanischen Separatistenparteien gemacht, die hart an der Grenze der Rechtsstaatlichkeit entlangschrammen und von einer Mehrheit der Spanierinnen und Spanier abgelehnt werden.
Nun, da es eigentlich Zeit wäre, die Wogen zu glätten, lässt Pedro Sánchez kaum eine Gelegenheit aus, um sich in weitere, auch aussenpolitische Konflikte zu stürzen. Die Beziehungen zu Israel sind an einem Tiefpunkt angekommen, weil Sánchez erst Benjamin Netanyahu bei einem Besuch in dem Land öffentlich massregelte und dann in einem TV-Interview nachlegte, indem er infrage stellte, ob Israels Truppen in Gaza das Völkerrecht einhalten. Der Abzug der israelischen Botschafterin war die Folge.
Selbstverständlich darf Sánchez seine Haltung zum Nahostkonflikt äussern, zumal Spanien derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Doch will er wirklich auf den Konflikt einwirken, sind polternde TV-Auftritte der falsche Weg. Der Verdacht, dass er hier innenpolitische Punkte sammeln wollte, liegt auf der Hand. Bewirkt hat er mit seinen Vorstössen jedenfalls nichts. Diplomatie geht anders.
Konflikt mit Italien
Wenige Tage später zerbröselte das einst gute Verhältnis mit Italien, dessen Regierung Sánchez als rechtsextremes Negativbeispiel und Teil einer europaweiten «reaktionären Welle» umschrieb. Woraufhin Italiens Aussenminister erklärte, in Spanien regierten Separatisten und Linksextreme. Politisch klug ist auch dieser Eklat nicht. Derzeit will Spanien die bisherige Wirtschaftsministerin Nadia Calviño als Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) installieren. Italien wird dem wohl kaum mehr zustimmen.
Peinlich wirkte auch, dass Spaniens Justizminister und Sánchez’ enger Vertrauter Félix Bolaños kürzlich aus Brüssel zurückkehrte und versicherte, Europa habe keine Bedenken wegen des Amnestiegesetzes für die Katalanen – und der EU-Justizkommissar dem prompt widersprach. Der Streit um den Pakt mit den Katalanen bleibt auch innenpolitisch das dominierende Thema. Wie nun bekannt wurde, hat Sánchez mit dem nach Belgien geflüchteten Carles Puigdemont vereinbart, Geheimverhandlungen in Genf zu führen – unter Aufsicht eines Diplomaten aus El Salvador als Mediator.
Umfragen sehen rechte Mehrheit
Das bietet Konservativen und Rechten eine willkommene Angriffsfläche: Das Schicksal Spaniens hänge nun von einem Ausländer ab, einem Mann, der bisher in Guerilla-Konflikten vermittelt habe, erzählen sie ihrer Basis. Eine aktuelle Umfrage sieht derzeit eine rechte Mehrheit in Spanien.
Darin liegt die Gefahr von Sánchez’ Abenteuerlust: Käme es doch noch zu einer Regierung unter Einschluss der rechtsextremen Partei Vox, wäre das ein herber Rückschlag. Spanien steht nach fünf Jahren Sánchez gut da. Bei zentralen Themen wie Arbeitsmarkt, Wirtschaft, Klimaschutz, Gleichstellung, Aufarbeitung der Franco-Diktatur kann das Land eine gute Bilanz vorweisen. Jetzt heisst es: bloss nicht kentern.
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