SP-BundesratsrennenRoger Nordmann kandidiert – so stehen seine Chancen
Verzweiflungstat oder ausgeklügelte Strategie? Der Waadtländer steigt ins Rennen um die Berset-Nachfolge ein. Seine Herkunft gewichtet er bewusst tief.
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Als SP-Bundesrat Alain Berset im Juni seinen Rücktritt bekannt gab, schien nur etwas klar: Bersets Nachfolge soll aus der Deutschschweiz kommen, lautete der Tenor in- und ausserhalb der Partei. Der Grund: Schon der andere SP-Bundesratssitz wird von einer Welschen besetzt, der Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider. Und so haben zuerst ausschliesslich Deutschschweizer Männer ihre Kandidatur angekündigt: Daniel Jositsch, Matthias Aebischer, Beat Jans – und Anfang dieser Woche nun auch noch der Deutschschweizer und Rätoromane Jon Pult.
Doch jetzt bricht ein Romand den scheinbaren Konsens. Roger Nordmann hat sich zur Kandidatur entschieden, wie er am Mittwochmorgen in Bern bekannt gab. Er empfahl sich dabei als konsensorientierter Politiker. Sein Slogan laute «Brücken und Lösungen». Er verweigere nie den Dialog. So sei er erst kürzlich an einen Parteitag der SVP gefahren, um über Energiepolitik zu diskutieren – mit geringem Erfolg, wie er selbst mit einem Schmunzeln anfügte. «Mein Instrument ist nicht der Zauber-, sondern der Pilgerstab», sagte Nordmann.
Das Land stehe komplexen Problemen gegenüber. Dazu gehörten die Alterung der Gesellschaft und der damit zusammenhängende Arbeitskräftemangel, dessen Lösung in der Bildung liege. Energie und Klima brauchten grosse Investitionen.
Seine Karriere steckt in einer Sackgasse
Der Waadtländer ist in der SP ein Schwergewicht. Doch gleichzeitig ist er als Politiker eine tragische Figur.
Acht Jahre lang, von 2015 bis Ende August dieses Jahres, leitete Nordmann die SP-Bundeshausfraktion. Seit 2004 sitzt der heute 50-jährige im Nationalrat und stieg in dieser Zeit vor allem in der Energiepolitik zu einem der einflussreichsten Politiker auf.
2011 war Nordmann eine der treibenden Kräfte hinter dem Atomausstieg und der Wende hin zu erneuerbarer Energie. Klar links positioniert, ist Nordmann im Parlament einer jener Politiker, die es schaffen, immer wieder Kompromisse mit den politischen Gegnern zu zimmern – so etwa im Herbst 2022 beim spektakulären Notgesetz für einen beschleunigten Ausbau alpiner Solaranlagen und Stauseen. Selbst politische Gegner attestieren Nordmann Kompetenz im Thema – er hat zur Energiepolitik auch mehrere Bücher publiziert.
Trotz seines Polittalents und seines Einflusses steckt Nordmanns Karriere derzeit in einer Sackgasse. Zweimal versuchte er vergeblich, Waadtländer Ständerat zu werden. 2019 zog die SP Waadt ihm eine Frau, Ada Marra, vor, die die Wahl dann aber verlor. Im Hinblick auf die Wahlen 2023 ging Nordmann in eine parteiinterne Vorausscheidung gegen den Grand Old Man der SP Waadtland, Pierre-Yves Maillard. Die kantonale SP vermied das Gigantenduell: Ständeratskandidat wurde Maillard, dafür bekam Nordmann eine Ausnahmebewilligung für weitere vier Jahre im Nationalrat. Denn eigentlich hätte er aufgrund einer parteiinternen Amtszeitbeschränkung bei den Wahlen im Oktober 2023 gar nicht mehr antreten dürfen.
Im Sommer kündigte Nordmann den Rücktritt als Fraktionschef an und kandidierte dafür für das Präsidium der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Credit-Suisse-Debakel (lesen Sie hier mehr darüber). Präsidentin wurde dann aber Isabelle Chassot (Mitte) – und Nordmann nur einfaches Mitglied der PUK.
«Bin nicht Kandidat der Romandie»
Dass Nordmann nun seine Kandidatur für den Bundesrat lanciert, werten einige Beobachter im Bundeshaus als Verzweiflungstat. Auf dem Papier wirken Nordmanns Chancen klein – vor allem, weil die lateinische Schweiz, die rund 30 Prozent der Bevölkerung stellt, mit drei Sitzen im Bundesrat (Elisabeth Baume-Schneider, Guy Parmelin, Ignazio Cassis) bereits angemessen repräsentiert ist.
Das weiss auch Nordmann. Deshalb sieht er sich laut eigenen Aussagen nicht als Romand, sondern «als Brücken bauenden und Sprachgrenzen überwindenden» Kandidaten. Angesichts der Komplexität der heutigen Probleme brauche es keinen Bundesrat mit regionalen Interessen. Dies versuchte er zu unterstreichen, in dem er sich vor den Medien auf Deutsch, Französisch und Italienisch zur Wahl empfahl. «Ich bringe viel mit für das Amt, ich habe aber auch bewiesen, dass ich gut verlieren kann.»
Das Kandidatenfeld der SP ist mit mehreren qualifizierten Bewerbern derzeit unübersichtlich. In solchen Situationen ist es nie ausgeschlossen, dass es bei der Nominierung innerhalb der Fraktion oder später bei der Wahl in der Bundesversammlung zu überraschenden Allianzen und Resultaten kommen könnte – so wie im Dezember 2022 bei der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider. Baume-Schneiders damaliger Überraschungscoup zeigt auch, dass die sprachregionale Herkunft der Kandidierenden für die Mehrheit in der Bundesversammlung nicht mehr so wichtig scheint wie früher.
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