Wechsel in SP-Bundeshausfraktion
Roger Nordmann überrascht mit Rücktritt als Fraktionschef
Seine Karriere steckt in der Sackgasse. Nun nutzt der langjährige Fraktionschef der SP die Credit-Suisse-PUK für einen eleganten Abgang. Übernimmt nun die jüngste SP-Nationalrätin?
Einer der einflussreichsten Bundesparlamentarier tritt ins zweite Glied: Roger Nordmann hat in der SP-Bundeshausfraktion seinen Rücktritt als Präsident bekannt gegeben. Nordmann leitete die sozialdemokratische Delegation seit 2015. Er ist damit der amtsälteste Fraktionschef einer Bundesratspartei.
Über seinen Rücktritt ist schon länger spekuliert worden – und trotzdem kommt er jetzt überraschend. Noch im Juli 2022 versicherte Nordmann, er werde noch länger Fraktionspräsident bleiben – «bis in die kommende Legislatur hinein». (Lesen Sie hier mehr zu Nordmanns damaliger Ankündigung.)
Diese Aussage ist nun Makulatur. Dafür wird Nordmann die SP aller Voraussicht nach in der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Credit Suisse vertreten. Die Partei schlägt ihn als ihren einzigen Bewerber aus dem Nationalrat vor. Nordmann kandidiert auch für das Präsidium der PUK.
Noch nie habe ein Romand eine PUK präsidiert, sagte Nordmann. Zudem sei er unabhängig gegenüber den Banken. Als Waadtländer habe er sogar geographisch fast maximale Distanz zum Zürcher Bankenplatz. Sein Ziel für die PUK: Sicherzustellen, dass ein Bankencrasch mit anschliessender Staatsrettung wie 2008 bei der UBS und 2023 bei der Credit Suisse möglichst nie mehr passieren kann. Gewählt wird der Präsident oder die Präsidentin der PUK dann nächste Woche durch die Büros beider Räte.
Dank der PUK kann der Waadtländer einen einigermassen eleganten Abgang vollziehen. Eine PUK-Mitarbeit ist mit Prestige verbunden und kann ein Sprungbrett sein für Exekutivämter. Die früheren PUK-Präsidenten Kurt Furgler und Moritz Leuenberger wurden später Bundesräte.
Seine ganze politische Karriere steckt in einer Sackgasse. Zweimal versuchte Nordmann vergeblich, Ständerat zu werden.
Dieser Weg scheint allerdings für Nordmann momentan eher unwahrscheinlich. Zu seinen Bundesratsambitionen passt die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider Ende 2022 ganz und gar nicht. Seither ist die Westschweizer Sozialdemokratie mit der Jurassierin und dem Welschfreiburger Alain Berset in der Landesregierung übervertreten. Als ausgemacht gilt in der SP, dass bei einem Berset-Rücktritt jemand aus der Deutschschweiz zum Zug kommt.
Doch nicht nur das Bundesratsamt scheint für Nordmann ausser Reichweite. Seine ganze politische Karriere steckt in einer Sackgasse. Zweimal versuchte er vergeblich, Ständerat zu werden. 2019 zog ihm die SP Waadt Ada Marra vor (die die Wahl dann verlor). Im Hinblick auf die Wahlen 2023 galt Nordmann als leichter Aussenseiter in der parteiinternen Vorausscheidung gegen Pierre-Yves Maillard. Die kantonale SP vermied schliesslich das Gigantenduell um die Ständeratsnominierung. Sie gewährte Nordmann eine Ausnahmebewilligung für weitere vier Jahre im Nationalrat. Eigentlich hätte er bei den Wahlen im Oktober 2023 gar nicht mehr antreten dürfen.
Nordmann war eine der treibenden Kräfte hinter dem Atomausstieg und der Energiewende.
Die Exekutive der Stadt Lausanne ist ebenfalls ausser Reichweite, denn dort sitzt bereits Nordmanns Frau, Florence Germond.
Mit diesen karrieretechnischen Problemen kontrastiert Nordmanns starke Rolle in vielen bundespolitischen Dossiers. Seit Jahren ist er einer der einflussreichsten Energiepolitiker. Er hat zum Thema mehrere Bücher geschrieben, und selbst politische Gegner attestieren ihm Kompetenz. Nordmann war eine der treibenden Kräfte hinter dem Atomausstieg und der Energiewende. Er politisiert weniger ideologisch als die jüngere, stark Juso-geprägte Führungsriege. So bot Nordmann gerade in der Energiepolitik immer wieder Hand zu Kompromissen – so etwa im Herbst 2022 beim spektakulären Notgesetz für einen beschleunigten Ausbau alpiner Solaranlagen und Stauseen.
Eine Frau in der Poleposition
In der Poleposition für Nordmanns Nachfolge ist Samira Marti. Die erst 29-jährige Nationalrätin wird von der Partei stark gefördert. Sie ist bei den Juso politisch gross geworden und rückte 2018 für den Kanton Basel-Landschaft als damals jüngste Nationalrätin ins Parlament nach. Sie gehört der Staatspolitischen Kommission an.
Marti ist bereits Vizepräsidentin der Fraktion und wäre damit eine natürliche Nachfolgerin für Nordmann. Auch ihr Geschlecht spricht für Marti: Nachdem mit Andy Tschümperlin schon Nordmanns Vorgänger ein Mann war, können die SP-Frauen den Posten mit einen gewissen Recht reklamieren – zumal die Frauen in der SP-Fraktion eine klare Mehrheit stellen.
Das Problem ist aber, dass mit Mattea Meyer und Cédric Wermuth schon das Kopräsidium der SP Schweiz in Deutschschweizer Hand liegt. Wenn nun auch noch das Fraktionspräsidium in die Deutschschweiz wechselt, wären die Lateiner in der Parteiführung marginalisiert.
Als mögliche Alternative zu Marti gilt darum Nationalrat Samuel Bendahan. Seit 2017 im Parlament, ist der bald 43-jährige Waadtländer in der Deutschschweiz noch wenig bekannt, in der Romandie aber ein Wortführer der SP. Bendahan ist promovierter Ökonom und sitzt in der einflussreichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben.
Mögliche weitere Kandidatinnen und Kandidaten sind Nationalrätinnen wie Min Li Marti (ZH) oder Céline Widmer (ZH) sowie Nationalräte wie Baptiste Hurni (NE) oder Jon Pult (GR).
Bereits aus dem Rennen genommen hat sich Nationalrätin Nadine Masshardt (BE), die immer wieder für höhere Weihen in der SP gehandelt wird. Am 1. September wird die SP-Fraktion ihre neue Chefin oder ihren neuen Chef wählen.
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