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Neue Daten des Preisüberwachers
So viel zahlen Schweizer mehr für Medikamente

In der Apotheke in Stabio TI werden die Kunden mit Mundschutz bedient. Corona hat den Streit um Medikamentenpreise eine Zeit lang in den Hintergrund rücken lassen, nun bricht er wieder auf. 
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Es ist ein Ärgernis, das die Politik seit Jahren in Atem hält: die hohen Medikamentenpreise. Vor allem Nachahmermedikamente, die sogenannten Generika, sind deutlich teurer als im Ausland.

Die Dimension des Problems legt Preisüberwacher Stefan Meierhans in einer neuen Studie dar. «Gegenüber 15 Vergleichsländern sind die Preise der jeweils günstigsten Generika in der Schweiz durchschnittlich mehr als zweieinhalbmal so teuer (plus 165 Prozent), die patentabgelaufenen Originalmedikamente sind 64 Prozent teurer», schreibt Meierhans in seinem Newsletter, der am Donnerstag erschienen ist.

Ein Beispiel: Im Nachbarland Österreich kosten Generika weniger als die Hälfte als in der Schweiz, in Deutschland betragen die Preise nur 54 Prozent des Schweizer Niveaus.

Meierhans fordert: «Die Einführung eines griffigen Referenzpreissystems würde diesen Missstand beheben.» Ende Monat wird der Ständerat über die Einführung eines Referenzpreismodells befinden.

Darum geht es: Derzeit werden die Preise für Nachahmermedikamente anders als die Preise für patentgeschützte Wirkstoffe festgelegt. Bei patentgeschützten Mitteln setzt sich der Schweizer Preis aus dem Auslandspreisvergleich sowie dem Vergleich zusammen, was ähnliche Therapien kosten.

So wird der Preis festgelegt

Bei Generika dagegen wird der Preis in Bezug auf den Preis des Originalmittels festgelegt. Dabei gilt: Je höher der Umsatz des Originals ist, desto grösser muss der Preisabschlag des Generikums sein. Konkret: Bei Originalmedikamenten mit einem Jahresumsatz von mehr als 25 Millionen Franken im Jahr muss das Nachahmermittel mindestens 70 Prozent billiger als das Original sein.

Dennoch sind Generika seit Jahren deutlich teurer als im Ausland. Die Industrie begründet das unter anderem mit den Kosten für die Zulassung für den Schweizer Markt, den kleineren bestellten Mengen und Sonderregeln für Verpackung und Beipackzettel.

Neues Modell soll Einsparungen von 400 Millionen bringen

Der Bundesrat hat als Parade gegen die hohen Generikapreise ein Referenzpreismodell vorgeschlagen, für das auch Preisüberwacher Meierhans eintritt. Dabei werden alle patentabgelaufenen Mittel mit demselben Wirkstoff in einer Gruppe eingeteilt. Pro Gruppe zahlt die Krankenkasse nur noch einen fixen Betrag, und zwar auf Basis des günstigsten Mittels. Will ein Patient ein teureres Medikament, so soll er die Differenz selbst zahlen. Das neue Preismodell soll Einsparungen von rund 400 Millionen Franken pro Jahr bringen.

Dennoch lehnte der Nationalrat im Oktober das Modell ab. Aus mehreren Gründen: Zum einen kam eine Regulierungsfolgenabschätzung der beiden Beratungsbüros Polynomics und Interface sowie der Universität Basel 2018 zum Schluss, dass die erhofften Einsparungen durch das neue Preissystem nicht sicher seien. Denn bei wechselnden Referenzpreisen könnte es zu zu häufigeren, nicht medizinisch begründeten Medikamentenwechseln vor allem bei chronisch Kranken kommen. Das wiederum drohe die Behandlungskosten zu erhöhen.

Versorgungssicherheit versus tiefe Preise

Zum andern sorgten sich die Nationalräte um die Versorgungssicherheit. Schon jetzt fehlen in der Schweiz Hunderte Medikamente. Die Corona-Krise hat das Problem verschärft. «Es ist anzunehmen, dass durch einen verstärkten Preisdruck noch mehr Firmen ihre Produkte aus der Schweiz zurückziehen, weil sie schlicht nicht mehr rentieren», hatte Ruth Humbel, Mitte-Nationalrätin und Präsidentin der Gesundheitskommission, im Oktober erklärt.

«Wer wird Antibiotika in Zukunft noch herstellen, wenn eine Zehnerpackung, die in China hergestellt wird, weniger kosten soll als ein Päckli Ricola-Lutschtabletten?», warnt auch Salvatore Volante von der Interessengemeinschaft Schweizer Pharma-KMU.

Sogar die Kassen sind sich nicht einig: Der Branchenverband Curafutura ist grundsätzlich für ein Referenzpreismodell, lehnt die Bundesratsvariante dagegen als eine «Überregulierung ab», der andere Branchenverband Santésuisse ist für den Vorschlag.

Ende August nun kommt das Thema Referenzpreissystem in den Ständerat. «Der Preisüberwacher will vor der Abstimmung im Ständerat Druck machen», sagt Axel Müller, Geschäftsführer vom Verband Intergenerika mit Verweis auf Meierhans’ neuen Preisvergleich.

Gegenvorschlag einer ungewöhnlichen Allianz

Der Zank um die hohen Preise hat zu einer ungewöhnlichen Allianz geführt. So unterstützen Curafutura, der Apothekenverband Pharmasuisse, der Ärzte-Verband FMH inklusive der Ärzte mit Patientenapotheke und Intergenerika gemeinsam einen Vorschlag für tiefere Medikamentenausgaben. «Dieser braucht keine Gesetzesänderung und ist damit schneller umsetzbar», sagt Intergenerika-Vertreter Müller.

Konkret soll der Preisabstand zwischen Nachahmermittel und Originalpräparat von 70 auf 75 Prozent ausgeweitet werden. Zudem soll die Vertriebsmarge der Apotheken nicht mehr vom Preis abhängen. Denn dies führt dazu, dass Apotheken und Ärzte mehr verdienen, je teurer ein Medikament ist.

Stattdessen sollen fixe Margen eingeführt werden. Das soll die Durchdringung von Generika in der Schweiz erhöhen. Das Paket soll jährliche Einsparungen von 270 Millionen Franken bringen. Dieser Vorschlag war offenbar ein wichtiger Grund dafür, warum der Nationalrat das Referenzpreismodell ablehnte.