Wachsende SNB-BilanzSo könnte ein Schweizer Staatsfonds aussehen
Drei Professoren fordern, die gigantischen Devisenreserven aus der Nationalbank auszulagern. Sie drohten sonst zur Gefahr für deren Unabhängigkeit zu werden.
Mehr als eine Billion Franken umfasst mittlerweile die Bilanz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) – ein Weltrekord, gemessen an der Wirtschaftsgrösse des Landes. Mit 950 Milliarden Franken machen die Devisenreserven den grössten Teil davon aus. Und diese nehmen weiter zu. Allein in den letzten zwei Wochen hat die Nationalbank für weitere 3,3 Milliarden Franken Devisen gekauft.
So will sie den Franken schwächen. Die aktuelle Entwicklung läuft aber gegen die SNB: Am Dienstagmorgen sackte der Preis des Euro seit mehr als sechs Jahren erstmals wieder unter 1.04 Franken. Ein billigerer Euro steht für einen Wertgewinn des Frankens.
Mit dem massiven Umfang der SNB-Reserven und ihrer anhaltenden Zunahme erhält die Frage, wie diese gigantische Summe im Interesse der Schweiz besser verwendet werden könnte, eine neue Dringlichkeit.
Die drei Ökonomen Stefan Gerlach, Yvan Lengwiler und Charles Wyplosz, sie gehören dem sogenannten SNB-Observatorium an, bringen deshalb die Idee eines Staatsfonds aus den SNB-Geldern wieder auf. Sie haben nun konkrete Vorschläge für seine Ausgestaltung gemacht. Bei den drei Ökonomen handelt es sich um renommierte Geldtheoretiker. Das Observatorium geht auf ihre eigene Initiative zurück.
Neue Gründe für einen Staatsfonds
Bei der Nationalbank will man bis jetzt nichts von der Idee eines Staatsfonds wissen, und viele Politikerinnen und Politiker, vor allem aus dem bürgerlichen Lager, sind skeptisch. Die Befürchtung ist, dass damit in die Unabhängigkeit der Nationalbank eingegriffen und sie zudem in ihrer Geldpolitik eingeschränkt werde. Die Devisenreserven sind ein wichtiges Instrument dafür.
Die drei Professoren argumentieren gerade umgekehrt: Sie sehen den hohen und steigenden Reservebestand als Gefahr für die Unabhängigkeit der SNB. Dies, weil er je länger je mehr Begehrlichkeiten weckt und weil die Nationalbank mit der Anlage ihrer Reserven immer stärker ins Kreuzfeuer auch der politischen Kritik gerät. Das gilt etwa für Aktieninvestments der SNB in Unternehmen, die als ethisch oder umweltpolitisch problematisch gelten.
Die Rendite aus den Devisenanlagen ist zudem die Hauptquelle der Gewinne, die die Nationalbank ausschüttet. Solche Gewinne sind aber nicht das Ziel der Geldpolitik der Nationalbank – beim vorgeschlagenen Staatsfonds wäre aber genau das der Fall.
Eine höhere Rendite als Zweck
Mit einem Staatsfonds wollen die Professoren die Nationalbank von der Verwaltung der Vermögen und allen Ansprüchen befreien, die aus der Politik an sie gestellt werden. Nur so könne sie sich wieder gänzlich und allein der Geldpolitik widmen.
Zudem bezweifeln sie, dass die Notenbanker die Reserven so rentabel bewirtschaften können, wie das ein allein darauf spezialisierter Fonds tun könnte. Dieser könnte die Anlagen auf lange Sicht planen, während die Nationalbank daran interessiert ist, sie jederzeit nutzen zu können.
So liefe die Ausgliederung konkret
Der Plan der Professoren sieht vor, dass die Nationalbank einen Teil – also nicht sämtliche – ihrer Devisenreserven einem neu zu schaffenden Staatsfonds überlässt, der dafür mit Anleihen bezahlt – also für den Betrag der übernommenen Reserven bei der Nationalbank verschuldet ist. Diese Anleihen werden jedoch nicht gehandelt. Sollte die Notenbank die Reserven wieder brauchen, würde der Tausch rückgängig gemacht.
Der neue Fonds kann nun die Anlagepolitik für die übernommenen Devisenreserven allein nach dem Kriterium ausrichten, einen möglichst grossen Erlös zu erwirtschaften. Um die Geldpolitik braucht er sich nicht mehr zu kümmern.
Die Anlagen des Fonds dürfen allerdings nie zu Anlagezwecken in Schweizer Franken umgetauscht werden. Dies, weil das den Franken aufwerten würde, was der Politik der SNB zuwiderliefe.
Gewinnausschüttung
Laut dem Vorschlag fliessen damit die Reserven nie der Staatskasse zu, sondern verbleiben in fremden Währungen beim Fonds. Wie heute schon erhalten Bund und Kantone nur Gewinne, die mit den Anlagen erzielt werden, neu kämen sie hauptsächlich von diesem Staatsfonds.
Damit diese Gewinne aber in Franken ausbezahlt werden können, soll der neue Staatsfonds der SNB dafür zusätzliche Anleihen im Umfang der Gewinne überlassen und im Gegenzug von ihr frisch geschaffene Franken für die Ausschüttung erhalten. So müssen keine Reserven verkauft werden.
Was der Nationalbank bleibt
Wie erwähnt sollen nicht sämtliche Devisenreserven an den Staatsfonds fliessen. Sollte der Franken einmal zu schwach werden und die Nationalbank ihn mit Käufen stützen müssen, wäre sie auf Devisenreserven angewiesen.
Wie viel davon aber bei der Nationalbank bleiben soll, auf diese entscheidende Frage geben die Professoren keine Antwort. Sie merken lediglich an, dass es bisher kaum je vorgekommen ist, dass der Franken zu schwach war. Viel eher sei mit einem weiteren Anstieg der Reserven zu rechnen. Ausserdem würde dies eine vertiefte Analyse nötig machen, schreiben sie.
Geringe Erfolgschancen
Die Chancen für eine Umsetzung des jüngsten Vorschlags der Professoren dürften nicht grösser sein als jene der bisherigen Vorstösse. Bei der Nationalbank will man bis jetzt davon nichts wissen, weil man dort jegliche Einschränkung der eigenen Möglichkeiten als Gefahr sieht.
Das Gleiche galt schon für den letzten Vorschlag des SNB-Observatoriums. Gemäss diesem sollte die Nationalbank mehr von ihrem Gewinn ausschütten, statt das Eigenkapital laufend noch weiter zu erhöhen.
Doch selbst Politikerinnen und Politikern, die sich bisher für einen Staatsfonds ausgesprochen haben, dürften vom neuen Vorschlag nicht begeistert sein. Denn an das Geld der Nationalbank kämen sie damit nicht. Sie würden einzig die Gewinne aus den Devisenreserven vom Staatsfonds anstatt von der Nationalbank direkt erhalten.
Die drei Professoren sind sich der Schwierigkeiten bewusst. Doch angesichts der massiven und weiter gewachsenen Devisenreserven wollen sie die Diskussion erneut anstossen, wie damit umgegangen werden soll.
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