Eklat bei der UNOSo deutlich verurteilt dieser Schweizer Diplomat die russische Propaganda
Russland lässt seine per internationalen Haftbefehl gesuchte Kinderrechtsbeauftragte zum Sicherheitsrat sprechen. Mehrere Staaten verlassen aus Protest den Saal – dann reagiert auch die Schweiz.
Flankiert von einer Ikone und einer russischen Fahne, erschien Maria Lwowa-Belowa vor dem UNO-Sicherheitsrat in New York. Die russische Kinderbeauftragte wurde via Videostream zugeschaltet. Ihr Land verlassen kann sie kaum noch, denn Lwowa-Belowa wird per internationalen Haftbefehl gesucht. Sie soll mitbeteiligt sein an der Verschleppung von Tausenden Kindern aus der Ukraine.
Auf Einladung Russlands, das im April dem Sicherheitsrat vorsitzt, konnte sich Lwowa-Belowa nun aber am Mittwoch als barmherzige Christin inszenieren. Während ihres Auftritts gab sie an, nur das Wohl der Kinder im Sinn zu haben. Oder sie verwies auf den biblischen König Salomon und darauf, wie dieser einst zwischen zwei Frauen schlichtete, die sich um ein Baby stritten. Im Unrecht ist für Lwowa-Belowa die Ukraine und nicht Russland mit seinem Angriffskrieg.
Zugehört hat der Russin auch die offizielle Schweiz – in der Person des Diplomaten Christoph Carpenter. Während die Diplomaten der USA, Grossbritanniens, Maltas und Albaniens den Saal aus Protest verliessen, bevor erst Lwowa-Belowa und später Vertreter der von Russland annektierten Volksrepublik Donezk sprachen.
Sitzen bleiben, andere Länder die russischen Auftritte boykottieren lassen: So verfuhren Vertreter der Schweiz in den letzten Monaten wiederholt. Auch der damalige Finanzminister Ueli Maurer und Wirtschaftsminister Guy Parmelin bei einem Treffen von G-20-Staaten, Weltbank und Internationalem Währungsfonds im letzten Frühjahr. Dazu befragt, sagte Maurer später an einer Medienkonferenz: «Unsere Rolle als neutraler Staat ist der eines Zuhörers und Brückenbauers. Brücken abzubrechen, kann es nicht sein.»
Das Aussendepartment (EDA) teilte am Donnerstag auf Anfrage mit: Die Schweiz habe eine langjährige Praxis, sich grundsätzlich nur in Ausnahmefällen an sogenannten «walk outs» zu beteiligen. Damit solle der Dialog auch in schwierigen politischen Konstellationen aufrechterhalten werden.
Einfach still hingenommen hat die Schweiz die russische Propagandashow diesmal aber nicht: Erstens zeigte sie ihr Missfallen, indem sie wie viele andere Mitglieder des Sicherheitsrats nicht ihre UNO-Botschafterin an die Sitzung schickte, sondern mit Carpenter einen Diplomaten tieferer Stufe. Die Schweiz entscheide bei jeder Sitzung und situationsgerecht, auf welcher Stufe sie im Rat vertreten werde, so das EDA.
Zweitens indem sie – wie andere Staaten auch – die Auftritte noch während der Sitzung scharf kritisierte. Russland missbrauche ein spezielles Format des Sicherheitsrats, sagte der Schweizer Diplomat Carpenter. Diese sogenannten Arria-Sitzungen können von Mitgliedern des Sicherheitsrats einberufen werden, um informell Expertenmeinungen anzuhören. «Dieses Format war nie dazu gedacht, Desinformationen zu verbreiten, die Realitäten vor Ort zu verzerren oder eine politisch voreingenommene Erzählung zu fördern», sagte Christoph Carpenter. Die Schweiz lehne die «Teilnahme sogenannter Vertreter der Volksrepublik Donezk sowie einer Person, gegen die der Internationale Strafgerichtshof ermittelt, ab».
Das EDA begründet die deutliche Reaktion mit der Annahme einer Resolution durch die UNO-Generalversammlung im letzten Herbst. Demnach sind «jegliche Handlungen, die als eine Statusänderung der durch Russland annektierten Gebiete zu interpretieren wären, zu unterlassen». Mit der Auswahl der Rednerinnen und Redner habe Russland die Sitzung des Sicherheitsrats für die Weiterführung seines eigenen politischen Narrativs genutzt.
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