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Meinung

KI-Videos befeuern den Politdiskurs
«Seien Sie demütig vor Gott, Herr Präsident»: Ein KI-Film ekelt selbst Trump-Fans an

Ein KI-generiertes Bild zeigt eine Person in einem Anzug, die die nackten Füsse einer anderen Person hält und küsst, während diese im Hintergrund sitzt.
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Kein Frauenmarsch, keine Pussyhats. Der öffentliche Widerstand gegen die Regierung von Donald Trump scheint sich in Grenzen zu halten. Tatsächlich läuft es eher im Kleinen.

So versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jene Daten zu sichern, welche die Trump-Administration der Öffentlichkeit blitzschnell entzogen hat, etwa gewisse Informationen des Zentrums für Krankheitskontrolle (CDC) und alle Websites zum Klimawandel. Ein anderer, überraschender Mini-Widerstandsakt fand Anfang Woche auch im Ministerium für Wohnen und Stadtentwicklung (HUD) statt: Als die ersten Mitarbeitenden eintrafen, lief auf allen Bildschirmen ein groteskes KI-Video in Endlosschleife.

Es zeigte eine Bilderfolge «you can’t unsee», wie viele sagten – die sich unauslöschlich ins eigene Bildgedächtnis einprägt: Donald Trump küsst und saugt hingebungsvoll Elon Musks nackte Zehen, wieder und wieder. Er umfasst Musks Füsse, sein Mund öffnet sich, stülpt sich schier über einen grossen Zeh. Darüber der Titel «Lang lebe der wahre König».

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Wir wollen hier ja kein Kink-Shaming betreiben, aber es war, zugegebenermassen, kein appetitlicher Anblick. Selbst dass es sich um zwei linke Füsse handelt – also eindeutig um ein KI-Produkt (dessen Urheber bislang unbekannt ist) –, macht die Sache nicht besser. Anonym bekundeten HUD-Leute, denen, wie zahlreichen anderen Behördenmitarbeitern, von Musk die Massenentlassung angedroht worden war, Freude über diesen «act of resistance», diesen Akt des Widerstands, der insinuiert, dass der US-Präsident seine Macht längst an den Techmilliardär abgetreten hat.

Um die Endlosschleife zu stoppen, mussten anscheinend sämtliche Bildschirme ausgesteckt werden. Angesichts der umfassenden Disruption der Institutionen, die derzeit in den USA stattfindet und der offenbar weder Legislative noch Judikative im Moment viel entgegenzusetzen haben, ist so ein satirischer Punch womöglich eines der letzten Mittel, um zumindest, na ja, einen tröstlichen Lacher zu provozieren. Und um nationale Aufmerksamkeit und Sympathie für den eigenen Standpunkt zu generieren; die Trump-Kader waren darüber freilich not amused.

Sogar Trump-Fans sind angewidert

Grell, greller, Trump: Das ist wohl das neue Axiom der Klickökonomie. So hat schon Anfang Februar ein anderer KI-Könner eine Art patriarchalisch-kolonialistisches Pro-Trump-Video geschaffen, mit dem der Präsident höchstselbst jetzt gekontert hat: Der dünnhäutige Obertroll im Oval Office hat «Trump Gaza» just auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social gepostet. Effekt: Schock auf der ganzen Welt, sogar Trumps Fans sind angewidert.

Immer wieder angeschaut wurde das Ding über Trumps Fantasie von der «Riviera des Mittleren Ostens» trotzdem. Der Mechanismus des «rage-baiting» funktionierte auch hier bestens. Da postet man Onlineinhalte mit «Wutködern», die darauf abzielen, äusserst starke negative Emotionen zu zünden und die Betrachtenden dadurch am Ball zu halten. Denn aus evolutionären Gründen richten wir unseren Fokus stets auf das Negative, potenziell Gefährliche, weiss die Psychologie. Man spricht hier auch von «engagement farming»: Mehr Augäpfel bedeuten mehr Geld.

Sie, liebe Lesende, haben das besagte Video sicher auch schon gesehen. Auf den Ruinen von Gaza und dem Blut der fast 50’000 Toten ist eine Dubai-artige Tourismuslandschaft mit Hochhäusern erstanden, die «Trump Gaza» heisst. Es wurde also ins Bild gesetzt, was Trump schon in Worten skizziert hatte – zum Entsetzen der internationalen Gemeinschaft.

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«Donald Trump wird dich befreien», heisst es im Lied, das dazu läuft. Am Strand treten Hamas-Kämpfer als bärtige Bauchtänzerinnen auf. In Boutiquen werden goldene Trump-Köpfe verkauft, als goldener Ballon schwebt ein solcher Kopf über einem Buben auf der Strasse, die goldene Trump-Statue darf gleichfalls nicht fehlen.

Man sieht Elon Musk (ein KI-Fake) beim Hummus-Essen zu, und auch der US-Präsident ist «live» in Trump Gaza unterwegs: Mal tanzt er in einem Club mit einer sehr knapp bekleideten Schönheit, dann wieder liegt er mit dem israelischen Premier Benjamin Netanyahu in Badehosen am Strand. Zum elektronischen Beat wird gerappt: «Trump Gaza, shining bright. Golden future, brand-new light.»

Dass palästinensische Politiker darauf empört reagierten und die KI-generierte «Befürwortung der ethnischen Säuberung in Gaza» als «respektlos» und als «Bruch des Völkerrechts und der Menschenrechte» geisselten, erstaunt nicht. Aber auch auf der Maga-Plattform Truth Social regten sich die User auf, wie die englische Zeitung «Guardian» berichtet.

«Ich liebe unseren Präsidenten, aber das ist schrecklich»

«Ich könnte kein grösserer Anhänger von Präsident Trump sein, aber dieses Video ist extrem geschmacklos», schreibt einer. Ein anderer: «Ich hasse das. Ich liebe unseren Präsidenten, aber das ist schrecklich.» Ein Dritter mahnt Trump: «Nur einer verdient Ruhm und Ehre, Herr Präsident! Die Statue ist ein Symbol des Antichrist, seien Sie demütig vor Gott. Jesus ist der König, und nur er.» Gerade christliche Töne, die den Tanz ums Goldene Kalb tadeln, kommen öfter vor.

KI-Videos mit ihrem Potenzial zur «realistischen» Überzeichnung vermögen auch in unseren abgebrühten, abgestumpften Zeiten noch etwas in uns zu bewegen, selbst bei unpolitischen Menschen. Sie sind fake und treffen doch ins schlagende Herz. Wieso Trump allerdings ausgerechnet dieses – derart abstossende – Video gepostet hat, wurde vom Weissen Haus bisher nicht erklärt. Möglich, dass er es in Eigenregie tat.

Vielleicht, vielleicht ist er dabei ja auf einen dieser «kleinen», unscheinbaren Widerständler hereingefallen, der genau in die abgedrehte KI-Übertreibung und den anbetenden, opfervergessenen Liedtext seine Kritik am Gott Trump hineingeschmuggelt hat.