Ski-Weltcup in AdelbodenDiesen Teamkollegen kannte selbst Odermatt nicht
Vor einem Monat tauchte Sandro Zurbrügg aus dem Nichts im Weltcup auf. Nun fährt der Berner Oberländer in Adelboden fast vor seiner Haustür – und hatte wohl doch die komplizierteste Anreise von allen.
Von allen Fahrern wohnt er am wenigsten weit von der Piste entfernt – und doch hat Sandro Zurbrügg die komplizierteste Anreise hinter sich. Die Schweizer Riesenslalom-Hoffnung lebt in Frutigen, Adelboden erreicht er in etwa 15 Minuten, aber noch am Mittwochabend trennten den 21-Jährigen rund 6500 Kilometer vom Berner Oberland.
Zurbrügg weilte in Burke Mountain im US-Bundesstaat Vermont; er bestritt zwei Riesenslaloms des Nor-Am-Cups, des nordamerikanischen Pendants zum Europacup. Der Trip hat sich gelohnt, Sieg am Dienstag, Sieg am Mittwoch, alles paletti also.
Nur der Veranstalter hatte keine Freude, weil Siegerfotos ohne Sieger nicht wirklich chic sind. Zurbrügg packte seine Sachen schon vor der Preisverleihung, es eilte ja auch: Nach dem zweiten Lauf setzte er sich sofort ins Mietauto und fuhr rund vier Stunden über die Grenze nach Montreal. Von Kanada aus flog er nach München, mit der nächsten Maschine ging es weiter nach Zürich und dann in Richtung Kandertal. Am Freitagmittag erst kam er im Schweizer Teamhotel an.
Der Cheftrainer erntete verwunderte Blicke
Zurbrügg, der an den Olympischen Jugendspielen einst Silber holte, erzählt das alles unaufgeregt und in knappen Sätzen, er ist einer, der jedes Wort dreimal überdenkt, ehe er es doch nicht ausspricht. «Lifere statt lafere», das ist seine Devise, vor Monatsfrist in Val-d’Isère ist es ihm vorzüglich gelungen.
Trotz Startnummer 69 und miserablen Pistenverhältnissen erreichte er den zweiten Lauf, es resultierte letztlich Rang 17. Seine Nomination war ein Coup von Cheftrainer Tom Stauffer, der da und dort Verwunderung geerntet hatte, weil der sogar szeneintern weitgehend unbekannte Berner selbst im zweitklassigen Europacup kein Spitzenergebnis vorweisen konnte. Stauffer aber wusste um die Vorliebe Zurbrüggs für sehr steile Hänge.
Bei seiner Premiere im Weltcup hat Zurbrügg also sogleich gepunktet – etwas, was selbst Stöckli-Markenkollege Marco Odermatt nicht gelungen ist. Dieser hatte seinen jungen Landsmann wie viele andere nicht auf dem Radar, «ich habe ihn erst in Frankreich an der Mannschaftssitzung kennen gelernt», sagt der Führende im Gesamtweltcup.
Zurbrügg hat einen anderen Weg eingeschlagen als die meisten Skiprofis, er besuchte weder eine Sportschule noch ein Ski-Gymnasium, sondern absolvierte eine Lehre zum Automechaniker. Er schliesst denn auch nicht aus, in den nächsten Monaten dann und wann in einer Garage «chrampfen zu gehen».
Vorerst aber will Zurbrügg primär seine Startnummer verbessern, dank der beiden Siege in den USA geht es in der Weltrangliste zumindest ein wenig vorwärts. Der Auftritt in Adelboden wird sein grösster und speziellster, als Bub war er oft auf der Tribüne gestanden.
Dabei war sein Start gar nicht vorgesehen, an und für sich hätte er länger in Burke Mountain bleiben und noch zwei Super-Gs bestreiten sollen – diese aber wurden abgesagt. Und so ist er nun zurück in der Heimat. Ohne Siegerfoto. Aber mit Jetlag und reichlich Selbstvertrauen.
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