Knatsch um SilvesterpartyRom streitet um «bitches» und Steuergelder
Das Gratiskonzert an Silvester in Rom ist ein Magnet für Zehntausende Römer. Nur dumm, dass der Bürgermeister das Programm umgeworfen hat.
Am Silvesterabend haben viele Römer, zumal junge Menschen, seit Jahren ein klares Ziel: den Circus Maximus im antiken Zentrum, Ur-Spielstätte des Vergnügens schon in der Antike, bis zu 250’000 Menschen säumten die gewaltige Arena zwischen den Hügeln Palatin und Aventin, selbst die Kaiser lockte das gelegentlich aus ihrem Palast. Der Eintritt war kostenlos, und besonders die Wagenrennen waren beliebt, eine Frühform der Formel 1. Heute liegt die 600 Meter lange Fläche bewusst unbebaut inmitten der Stadt, gelegentlich dürfen dort Showgrössen auftreten und internationale Rockgiganten, was wegen des Lärmpegels umstritten ist.
Richtig Streit gibt es jetzt wegen des traditionellen Silvester-Gratiskonzerts. Kurz vor Weihnachten hatte Bürgermeister Roberto Gualtieri entschieden, dass der Hauptakteur, Italo-Rapper Tony Effe, ausgeladen wird. Er selbst habe nichts gegen Rap-Musik, beteuert der 58-jährige Sozialdemokrat, frühere Minister und Europaparlamentarier, ein gebildeter Mann mit vielfältigen Interessen, ausserordentlicher Professor für zeitgenössische Geschichte und selbst Hobbygitarrist. Aber sexistische und gewalttätige Texte möchte er nicht bei einer Veranstaltung hören, die mit Steuergeldern finanziert werde.
In der Tat singt Tony Effe, mit bürgerlichem Namen Nicolò Rapisarda, geboren 1991 in Rom, von «bitches», die man sich gefügig macht, und ähnlich hartem Stoff, das ist unter Rappern bekanntlich verbreitet. Effe selbst ist gut vernetzt und arbeitet gern mit Kolleginnen und Kollegen aus der Musikbranche. In diesem Sommer hatte er mit «Sesso e samba» zusammen mit der Sängerin Gaia einen Nummer-eins-Hit. Ihn auszuladen, barg ein gewisses Risiko – und in der Tat solidarisierten sich die beiden anderen Topstars des geplanten Abends, Mahmood und Mara Sattei, mit dem Rapper und sagten ihrerseits ab.
Eine selbst gemachte Krise
Damit geriet der Bürgermeister unmittelbar vor den Feiertagen in eine selbst gemachte Krise. Das eine Lager sprach von Zensur und von Missachtung des Interesses der Rap-Fans, die anderen sahen endlich ein Zeichen gesetzt gegen frauenverachtende Äusserungen. Gualtieri reagierte auf den Druck von Bürgergruppen ebenso wie von städtischen Mitarbeiterinnen, die sich gegen Gewalt gegen Frauen engagieren; diese war in Italien auch im Jahr 2024 wieder ein zentrales Thema, denn es kam zu etlichen Femiziden, also zur Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind.
Der Rapper wird nun am Silvesterabend im Palazzo dello Sport auftreten, der bekannten Mehrzweckhalle, damit hat der Bürgermeister erklärtermassen kein Problem. Ihm gehe es darum, das städtische Gratiskonzert im Circus Maximus sauber zu halten. Allerdings musste er sich hektisch um ein Alternativprogramm bemühen, zeitweise stand gar die Absage des Konzerts oder die Verlegung auf einen anderen Platz zur Debatte. Am Ende wurden Ersatzkünstler und der DJ Gabry Ponte gefunden, auf dem die meiste Verantwortung dafür lastet, die Menschen trotz der Programmänderung in die traditionell euphorische Stimmung zu bringen, mit der sie das neue Jahr begrüssen.
Die Debatte wird damit nicht ausgestanden sein. In sechs Wochen feiert das weltberühmte Sanremo-Festival an der ligurischen Küste seinen 75. Geburtstag, und unter den 30 ausgewählten Interpreten sind auch Rapper – auch Tony Effe.
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