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Heiliges Jahr 2025
Nächstes Jahr nach Rom – wirklich?

Tourists admire the dome of the Saint Peter's Basilica from the terrace of the "Orange garden", on December 30, 2019 in Rome. (Photo by Alberto PIZZOLI / AFP)
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In Kürze:
  • In Rom beginnt am 24. Dezember ein Heiliges Jahr.
  • Man rechnet für 2025 mit 30 Millionen zusätzlichen Touristen.
  • Papst Franziskus bittet die Bürger Roms um Verständnis für den dadurch verursachten Ausnahmezustand.
  • Die Stadt ächzt unter zahllosen Baustellen, die aber gemäss Stadtverwaltung grösstenteils bis zum Jahreswechsel abgebaut sein sollen.

Das Problem hat einen Namen: Piazza Venezia. Ausgangs- und Zielpunkt der meisten Rom-Besucher, doch zurzeit eine gigantische Baustelle. Dabei beginnt am 24. Dezember das Heilige Jahr, auf Italienisch Giubileo. Prognostiziert sind für 2025 um die 30 Millionen Pilger, die zu den 35 Millionen Besuchern hinzukommen sollen, die sich ohnehin in einem normalen Jahr durch Rom drängen. Und es erwarten sie Bauzäune, Kräne und Lärm.

Von der grosszügigen Piazza Venezia ist kaum noch etwas zu sehen, wer sie queren will, muss sich an Absperrungen entlangschlängeln. Die weihnachtlich beleuchteten Restaurants und Cafés haben Heizstrahler bereitgestellt, um Gäste sogar auf Stühle im Freien zu locken, doch sitzen sie dann vor Betonsilos, Bauplanen und dem nur im Schneckentempo vorankommenden und vor sich hin stinkenden Verkehr.

Alert in Rome: Metro C funding is at risk due to budget cuts. The 425 million euro cuts planned by the budget threaten the completion of Rome's Metro C. In the photo, the works on the Metro C in Piazza Venezia in Rome, Italy, on November 2, 2024. (Photo by Andrea Ronchini/NurPhoto via Getty Images)
A picture taken from the Altar of the Fatherland (Monument to Victor Emmanuel II) shows works at Piazza Venezia in Rome on January 26, 2024. A big work site is ongoing at Piazza Venezia to build underground Metro C station 'Venezia'. (Photo by Filippo MONTEFORTE / AFP)

Hier wird die dritte U-Bahn-Linie der Stadt weitergebaut, die berüchtigte Linea C, an der seit Jahren gearbeitet wird. Sie führt unter dem antiken Rom hindurch, was man früher vermieden hat. Aus gutem Grund: Wer in Rom gräbt, stösst immer auf die Spuren der Vergangenheit und hat dann nichts als Ärger. Und der Ärger hat in diesem Fall beträchtliche Dimensionen, denn die Piazza Venezia ist das Herzstück der Stadt, Ausgangspunkt der Strasse zum Kolosseum, die vom Forum Romanum und den Foren römischer Kaiser gesäumt ist: Julius Cäsar, Augustus, Nerva und Trajan.

Von hier aus geht es auf das Kapitol, den wichtigsten der sieben berühmten Hügel Roms. Einst Ort der beiden Haupttempel der antiken Stadt, später Zentrum des mittelalterlichen Roms. Die breite Treppe führt sanft auf den Campidoglio, den von Michelangelo entworfenen Platz.

In den Palazzi rechts und links sind heute die Kapitolinischen Museen untergebracht, geradeaus im Senatorenpalast residiert der Bürgermeister – mit spektakulärem Blick über das dahinter in der Senke liegende Forum Romanum, das Zentrum des römischen Imperiums. Auch die Basilika Santa Maria in Aracoeli ist hier oben, die Regionalkirche der modernen Römer, und ferner – leider sehr dominant – das Nationaldenkmal des Königreichs, entworfen 1885 zu Ehren von Vittorio Emanuele II. In Reiseführern liest man gern, die Römer würden das Gebäude «Schreibmaschine» nennen, was man so zwar nie hört, allerdings lehnen viele das Monument ab: zu gross, zu weiss, zu hässlich.

Workers stand on the contruction site of the new metro station of the line C at Piazza Venezia, with the Victor Emmanuel II Monument seen in the background, in Rome on May 23, 2024. (Photo by Andreas SOLARO / AFP)

Das alles also erschliesst sich den Besuchern üblicherweise von ebendieser Piazza Venezia aus, benannt nach dem Palazzo Venezia, von dessen Balkon Mussolini einst sein Volk grüsste. Die geballte Historie kommt auf diesem Platz zusammen, zu dem nahezu sternförmig viele Strassen führen, die wahlweise vom Bahnhof kommen oder vom Tiber oder schnurgerade von der Piazza del Popolo im Norden wie die Via del Corso.

An dieser wohnte schon der reisende Goethe, der das deutschsprachige Bildungsbürgertum nachhaltig gen Rom orientierte. Die «Casa di Goethe» ist schon mal der erste Tipp für einen Rom-Besuch im Jahr 2025, ein Kulturinstitut mit Bibliothek und wechselnden Ausstellungen. Vom namensgebenden Dichter sind zwar kaum noch Spuren vorhanden, aber die Idee ist charmant, in dem Zimmer, wo sein Bett gestanden haben soll, einen Spiegel auf den Boden zu legen, mit dem Hinweis: «Das sah Goethe, wenn er morgens aufwachte.»

People walks near the construction site of a new Rome metro line C on July 15, 2015 which will run close to the Colosseum or Flavian Amphitheatre in Rome. For the past several days the Rome subway timetable has been hit with delays, and in some case a 30 minute gap between trains particularly on urban lines. Dubbed a 'white strike' the subway service has been slowed down, and in some instances stopped, as ATAC transport company workers carry out 'mini strike' against proposals to introduce electronic clock cards which will register each employee's start and stop time at work. AFP PHOTO / ALBERTO PIZZOLI (Photo by ALBERTO PIZZOLI / AFP)

Doch zurück zur Piazza Venezia. Hier versuchen sie also, den historischen Untergrund mit dem Grossbauprojekt in Einklang zu bringen. Nur selten gibt es so schöne Lösungen wie ein Stück entfernt im Kaufhaustempel Rinascente, wo man die Aqua Virgo, einen Aquädukt aus der Zeit des Kaisers Augustus, in die Verkaufsräume integrierte. Besuch empfohlen.

Wurde die Planung verschlafen?

Immerhin hat die Stadtverwaltung engagierten Einsatz versprochen, um die Abläufe zu lenken. Hunderte neue Busse sind bestellt, der öffentliche Nahverkehr ist ein notorisch leidiges Thema. Die Transportmittel kommen, wann sie wollen, oder auch nicht. Und wenn sie kommen, dann sind sie meist überfüllt.

Ein anderes Ärgernis ist die Stadtreinigung. Viele Strassen sind schmutzig und einer Hauptstadt nicht würdig, die Müllabfuhr kommt mit der Arbeit oft nicht nach. Auch hier soll es Besserung geben im Heiligen Jahr, die Zahl der Abfallbehälter jedenfalls hat sich bereits deutlich erhöht.

«Wir bringen jetzt viel in Ordnung, was 20 Jahre lang versäumt wurde», pflegt Bürgermeister Roberto Gualtieri zu sagen. Das ist ein gutes Stichwort. Das Stadtoberhaupt ist immerhin schon drei Jahre im Amt, und bis 2024 ist eigentlich gar nichts passiert. Obwohl doch schon eine ganze Weile feststand, dass 2025 ein Heiliges Jahr werden würde: genau genommen seit 1475. Da beschloss der Vatikan den bis heute gültigen 25-Jahres-Rhythmus. (Schon seit dem Jahr 1300 hatten Päpste übrigens Pilger aus aller Welt nach Rom gerufen, um die heiligen Stätten zu sehen, ihre Sündenschuld zu lindern und die Kasse des Vatikans zu füllen, zunächst alle 100 Jahre, dann wurden die Zeitabstände mehrmals verkürzt.)

VATICAN CITY, VATICAN - AUGUST 31:  St. Peter's Square stands under St. Peter's Basilica on August 31, 2018 in Vatican City, Vatican. Tensions in the Vatican are high following accusations that Pope Francis covered up for an American ex-cardinal accused of sexual misconduct. Archbishop Carlo Maria Vigano, a member of the conservative movement in the church, made the allegations and has called for the pontiff to resign. Many Vatican insiders see the dispute as an outgrowth of the growing tension between the left leaning Pope and the more conservative and anti-homosexual faction of the Catholic Church.  (Photo by Spencer Platt/Getty Images)

Es schaut aber halt nicht jeder ständig in den kirchlichen Kalender, spotten die Römer angesichts all der Baustellen, die im Laufe dieses Jahres wie aus dem Nichts auftauchten. Gualtieri verweist darauf, dass es 2022 eine Regierungskrise gab und die Gelder für die Renovierungen spät bewilligt worden seien.

Es soll zeitweise tausend Baustellen in Rom gegeben haben, zum Leidwesen der Touristen, aber auch der Bewohner. Zumal man lange nicht den Eindruck hatte, hinter den Absperrungen werde gearbeitet. Im Herbst dann begann plötzlich ein wilder Aktionismus.

«Beten wir für den Bürgermeister», sagt der Papst

Gerade hat der Papst höchstselbst die Römer dafür um Verständnis gebeten. «Rom bereitet sich auf das Heilige Jahr vor, das eine Botschaft der Hoffnung sein wird für die Menschheit, die geplagt ist von Krisen und Kriegen», hat Franziskus am vorletzten Sonntag beim Besuch der Mariensäule gesagt, einem römischen Traditionstermin. Die Baustellen überall in der Stadt machten viele Unannehmlichkeiten, ja, aber sie seien auch ein Zeichen dafür, dass «Rom lebendig ist und sich erneuert», so der Papst, und dann bat er doch tatsächlich um dieses: «Beten wir für den Bürgermeister, der viel Arbeit hat!»

Pope Francis opens a "Holy Door" at St Peter's basilica to mark the start of the Jubilee Year of Mercy, on December 8, 2015 in Vatican. In Catholic tradition, the opening of "Holy Doors" in Rome symbolises an invitation from the Church to believers to enter into a renewed relationship with God.   AFP PHOTO / VINCENZO PINTO (Photo by Vincenzo PINTO / AFP)

Für Franziskus ist das schon das zweite Fest dieser Art, wenige Jahre nach seiner Wahl hatte er für 2016 ein Heiliges Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Jetzt wird das reguläre zelebriert, unter dem Motto «Pilger der Hoffnung», ein grosses Thema dieses Papstes. Am 24. Dezember zur feierlichen Messe, die seit Wochen restlos ausgebucht ist, wird er die Heilige Pforte von St. Peter aufdrücken und Einzug halten in die wichtigste Kirche der katholischen Christenheit.

Entsprechende Heilige Pforten gibt es auch an den drei anderen römischen Papstbasiliken, der Laterankirche, Sankt Paul vor den Mauern und Santa Maria Maggiore, die der Papst an den Tagen nach Weihnachten öffnen wird. Alle diese Kirchen sind gigantische Zeugnisse christlicher Schaffenskunst und lohnen den Besuch. Erstmals wird zudem eine weitere Heilige Pforte im Gefängnis Rebibbia eingerichtet, die Franziskus am 26. Dezember öffnen will – als Zeichen der Hoffnung für alle Inhaftierten weltweit.

VATICAN CITY, VATICAN - SEPTEMBER 03:  A group of nuns walk through St. Peter's Square at dawn on September 03, 2018 in Vatican City, Vatican. Tensions in the Vatican are high following accusations that Pope Francis covered up for an American ex-cardinal accused of sexual misconduct. Archbishop Carlo Maria Vigano, a member of the conservative movement in the church, made the allegations and has called for Pope Francis to resign. Many Vatican insiders see the dispute as an outgrowth of the growing tension between the left leaning Pope and the more conservative and anti-homosexual faction of the Catholic Church.  (Photo by Spencer Platt/Getty Images)

Das Programm fürs Heilige Jahr ist umfassend und in diversen Ratgebern und online nachzulesen. Jeden Monat gibt es mehrere Schwerpunktthemen: Jubiläen für Streitkräfte, Ehrenamtliche, Kranke, Arme, Chöre, Sportler, Familien, Migranten und viele weitere Gruppen, sogar Journalisten.

Die Feierlichkeiten des Heiligen Jahres sind vor allem an fünf Orten geplant: auf dem Petersplatz und dem Circus Maximus, am Lateran, im Stadtteil Tor Vergata und im Park von Centocelle. Wer an kirchlichen Veranstaltungen nicht interessiert ist und sichergehen will, dass Rom ihn nicht erdrückt, sollte diese Orte also 2025 eher meiden.

Verkehr verschwindet im Boden

Der Bürgermeister macht derweil weiter auf gute Stimmung. Was fertig werden soll, werde fertig sein zum Jahreswechsel, hat Gualtieri versprochen. Mal sehen. Jetzt im Dezember sind tatsächlich bereits viele Brunnen wieder offen, und auch die neue Fussgängerzone sieht schon recht proper aus, die einen ungehinderten Spaziergang ermöglicht von der Engelsburg über die Piazza Pia bis zur Auffahrtsallee zum Petersplatz, der Via della Conciliazione; der Verkehr verschwindet unter die Erde. Auf dieses Projekt ist die Stadt besonders stolz.

Auch rund um die Engelsburg hat man im Sommer Antikes gefunden: eine ganze Freiluft-Wäscherei aus dem zweiten Jahrhundert. Die Funde sollen an Ort und Stelle präsentiert werden – wie es auch in der geplanten U-Bahn-Station an der Piazza Venezia ein spektakuläres Museum mit den dortigen Ausgrabungen geben soll. Nur dass der U-Bahn-Fortbau nicht zum Giubileo-Programm gehört, sondern ein Thema ist weit über 2025 hinaus.

Seit Jahrtausenden befindet sich Rom in einer permanenten Metamorphose – und das bleibt auch so.

People look at the sunset over St Peter's basilica on April 29, 2011 in Rome. Late Pope John Paul II will be honoured on May 1 at a solemn beatification ceremony in Saint Peter's basilica that will give the late pontiff "blessed" status for the world's 1.1 billion Catholics and put him on the path towards full sainthood.    AFP PHOTO / ALBERTO PIZZOLI (Photo by ALBERTO PIZZOLI / AFP)