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Sorgen um Corinne Suter nach Sturz
Sie verdunkelte das Zimmer und mochte nicht einmal mehr lesen

Erste Fahrt in Méribel: Corinne Suter stürzte sich am Dienstag die Abfahrtspiste hinunter, am Mittwoch soll mit dem Super-G der erste Ernstkampf folgen.
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Abfahrt von Cortina d’Ampezzo Ende Januar: eine leichte Rechtskurve auf einer Kuppe. Corinne Suter kommt mit über 100 km/h angeschossen, plötzlich bleibt der Innenski hängen, der Aussenski greift, die Welle kommt, die Schwyzerin hebt ab, die Beine weit gespreizt fliegt sie Richtung Netz, es folgt der harte Aufprall auf der Piste mit der linken Körperhälfte, auch der Kopf schlägt auf – Suter schlittert in die Abgrenzung. Einige Minuten bleibt sie liegen, ehe sie sich aufrichtet und unter dem Applaus von Gegnerinnen und Zuschauern selbstständig ins Ziel fahren kann.

Zweieinhalb Wochen später sitzt die 28-Jährige in Méribel im House of Switzerland vor einem kleinen Strauss an Mikrofonen. Fünf Minuten Zeit nehme sie sich, heisst es, dann gibt sie noch ein Kurzinterview beim Fernsehen, bevor sie mit hochgezogener Kapuze Richtung Schweizer Teamhotel verschwinden wird.

Es stimmt noch immer nicht alles bei der Abfahrtsweltmeisterin von 2021 und Abfahrtsolympiasiegerin von 2022. Sie muss sich weiter schonen, möglichst allen Anstrengungen aus dem Weg gehen. Eine leichte Gehirnerschütterung hat sie sich beim fürchterlichen Sturz zugezogen und spürte in der Folge eine tiefe Müdigkeit, brauchte Ruhe. «Ich schlief extrem viel, verdunkelte mein Zimmer, legte das Handy beiseite, schaute nicht fern, ja, ich las nicht einmal und ging auch nicht mehr spazieren. Kurz: Ich habe nichts gemacht und hatte das Gefühl, dass es das Beste ist für mich.»

«Ski fahren, Mittagessen, dann Konditionstraining, Videoanalyse, das alles wäre mir zu viel gewesen.»

Corinne Suter

Erst in den letzten Tagen schloss sie sich wieder dem Team an, stieg mit leichten Riesenslalomtrainings ein, trainierte später Abfahrt und Super-G in Südtirol, «aber nicht die Umfänge, die ich gewohnt bin. Am Morgen ging es jeweils gut auf den Ski, aber ich spürte, dass ich nicht einen ganzen Tag durchhalte: Ski fahren, Mittagessen, dann Konditionstraining, Videoanalyse, das alles wäre mir zu viel gewesen. Ich musste mir bewusster Pausen nehmen, mich auch einmal hinlegen am Nachmittag.»

Die WM-Vorfreude hält sich in Grenzen

Das gilt für Suter, die sich in den vergangenen Jahren zur Frau der Grossanlässe machte, auch in dieser Woche. Die Vorfreude auf eine WM war auch schon grösser bei ihr, vielmehr dominiert die Unsicherheit. «Es ist sicher anders als sonst, so etwas habe ich noch nie erlebt. Aber ich versuche mein Bestes. Ich muss von Tag zu Tag schauen, was ich machen kann, noch immer werde ich schnell müde», sagt Suter. «Rennen sind etwas ganz anderes als Trainings, daher kann ich nicht sagen, wie es gehen wird für mich oder was möglich ist.»

Den ersten Test hat sie schon einmal bestanden, im Abfahrtstraining am Dienstag ist sie als Neunte die schnellste Schweizerin. Aus dem Team heisst es, es sei alles gut gegangen, sie fühle sich bereit für den Super-G, ihren ersten Renneinsatz in den französischen Alpen heute Mittwoch (ab 11.30 Uhr im Ticker). Auch der Kopf sei wieder frei, sagt Suter selbst.

Bald nach dem Sturz in Cortina schaute sie sich diesen an, «wir wollten ihn analysieren, weil Kopfverletzungen immer ein heikles Thema sind. Keiner kann mir sagen, was die beste Lösung oder das beste Rezept ist, ich muss das selbst herausfinden». Sie habe gleich nach dem Abflug gemerkt, dass sie eigentlich vor allem Ruhe brauche, «doch es war noch sehr viel los, weil wir nicht genau wussten, ob noch alles ganz ist. Es tat mir das eine oder andere weh, weil sich die Muskeln dermassen extrem zusammengezogen hatten, also machten wir weitere Untersuchungen und Röntgenbilder». Das Ergebnis: Sie ist zumindest diesbezüglich glimpflich weggekommen.

Der Kopf aber macht ihr weiterhin Sorgen. «Es gibt verschiedene Arten von Gehirnerschütterungen, bei manchen kommen starke Folgen sofort, bei anderen erst ein bis zwei Monate später. Darum bin ich lieber vorsichtig», sagt Suter noch. Dann verabschiedet sie sich – und Beat Tschuor nimmt Platz, der Cheftrainer der Frauen. Er bittet um Verständnis dafür, dass seine Athletin möglichst abgeschottet werde in den nächsten Tagen. Ob Suter zu Super-G und Abfahrt starte, entscheide in erster Linie sie. «Sie muss das Gefühl dafür haben. Gerade bei der hohen Geschwindigkeit auf dieser Strecke von über 120 km/h und mit den vielen Wellen ist es enorm wichtig, dass sie sich sicher ist», sagt Tschuor.

Schon vor dem Sturz hatte Suter zu kämpfen

Ob die WM unter diesen Umständen wie schon oft zum grossen Höhepunkt wird für die Schweizerin, die an den letzten Weltmeisterschaften in Are und Cortina d’Ampezzo sowie den Olympischen Spielen in Peking insgesamt fünf Medaillen holte, ist ungewiss. Ein Erfolgserlebnis würde der besten Abfahrerin und Super-G-Athletin der Saison 2019/20 allemal guttun.

Schon vor dem Sturz tat sich Suter schwer. Mit vier Podestplätzen in Serie – darunter dem Sieg im Super-G von Lake Louise – brillant in den Winter gestartet, blieben Glanzresultate in der Folge aus. Bei den sieben weiteren Einsätzen schaffte sie es als Zehnte im Super-G von St. Anton gerade noch einmal in die Top 10. Fünf Tage danach kam die Bodenwelle von Cortina d’Ampezzo, dieser verhängnisvolle Abflug, der noch einmal am Selbstbewusstsein der sensiblen Schwyzerin nagte. Doch wer weiss, vielleicht hat die unschöne Situation auch ihr Gutes: Suter dürfte ohne ganz grosse Ambitionen starten, das kann befreiend wirken.