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Strommanagerin im Porträt
Sie machte die behäbige BKW zum internationalen Energiekonzern

BKW-Chefin Suzanne Thoma bei der offiziellen Abschaltung des AKW Mühleberg im Dezember 2019. 
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Eine der bekanntesten Topmanagerinnen der Schweiz wechselt ihren Job: Suzanne Thoma hat neun Jahre lang den Stromversorger BKW geleitet, ihn vor dem Niedergang gerettet und radikal neu ausgerichtet. Nun lässt die Zugerin das Tagesgeschäft im ersten Halbjahr 2022 hinter sich und wird Verwaltungsratschefin des Winterthurer Industriekonzerns Sulzer.

Geschichte schrieb Thoma vor allem deshalb, weil unter ihrer Führung das erste Atomkraftwerk in der Schweiz vom Netz ging – ein Meilenstein. Doch zugleich verlor die BKW mit dem AKW Mühleberg 40 Prozent ihrer Stromproduktion. Der Kraftwerksbetreiber musste sich neu erfinden.

Der damalige Verwaltungsratspräsident Urs Gasche gab den Atomausstieg vor. Der frühere Regierungsrat realisierte, dass der geplante Neubau eines AKW in Mühleberg nach der Atomkatastrophe in Fukushima beerdigt werden musste. Er zeigte damit politischen Realitätssinn. Und er setzte auf eine Frau, um das staatsnahe Unternehmen umzukrempeln, das mehrheitlich dem Kanton Bern gehört. Konzernchef Kurt Rohrbach und einige Kader, die jahrelang für ein neues AKW gekämpft hatten, mussten gehen.

Suzanne Thoma gab dem Wandel ab 2013 das Gesicht. Dennoch war der Atomausstieg aber keine Herzensangelegenheit. Sie legte das AKW still, weil die nötigen Nachrüstungen zu teuer geworden wären. Und weil ein neues AKW nicht rentiere.

Wachstum im Ausland

Diese Nüchternheit charakterisierte auch ihre Amtszeit: Suzanne Thoma blieb eine aufs Geschäft fokussierte Managerin. Auf persönliche Fragen ging die Mutter von zwei Töchtern kaum ein. Sie stellte nicht ihre Person ins Scheinwerferlicht, sondern profilierte lieber die BKW als grünen Energiekonzern.

Die Zahlen und Marktentwicklungen hatte sie im Griff. Sie konnte man auch mit Detailfragen nicht aufs Glatteis führen. Sie argumentierte stets fundiert. Und dennoch hatte sie nicht nur Freunde: Für einige Kader griff Thoma zu sehr ins Kleinklein ein. Für Kritik, auch für Anliegen aus der Bevölkerung oder der Politik, zeigte sie oft wenig Verständnis. Zwar verlegte Thoma wegen ihrer Aufgabe bei der BKW auch ihren Wohnsitz nach Bern – richtig heimisch wurde sie jedoch nicht. Anfangs kehrte sie übers Wochenende gern nach Zürich und Zug zurück.

Unter Thomas Führung nahm das Unternehmen Windkraftwerke in Norwegen, Italien und weiteren Ländern in Betrieb. Im Inland kam die BKW beim Ausbau der erneuerbaren Energiequellen aber kaum voran. Windkraftprojekte sind seit Jahren blockiert, ebenso der Ausbau der Wasserkraft im Berner Oberland an der Grimsel und an der Trift. Und trotz dem grünen Image blieb die BKW Minderheitsaktionärin bei anderen AKW und engagierte sich bei Kohle- und Gaskraftwerken im Ausland.

Die Zahlen im Griff: Suzanne Thoma während einer Medienkonferenz 2019.

Die Zukunft für die den mehrheitlich im Besitz des Kantons Bern stehenden Konzern sieht Thoma eher bei Energiedienstleistungen, also beim Geschäft mit der Energiewende. In diesem Bereich setzte sie zu einer beinahe beispiellosen Expansionsstrategie an. Über 100 Unternehmen kaufte die BKW auf, vor allem Gebäudetechnikfirmen und Ingenieurbüros.

Zudem stärkte Thoma das Geschäft mit Infrastruktur, von Abwasser über Bahntechnik bis hin zu Stadionbauten. Dies nicht nur im Kanton Bern, sondern in der ganzen Schweiz sowie in Deutschland und Österreich. Die Zahl der Mitarbeitenden hat sich unter Thoma mehr als verdreifacht auf über 10’500.

Kritik an Expansion und Salär

Die vielen Übernahmen brachten ihr harsche Kritik ein. Gewerbevertreter lancierten eine Kampagne, weil sie der Meinung waren, dass sie unfair konkurrenziert würden. Denn die BKW profitiere von Monopoleinnahmen in der Stromversorgung und bei den Netzen, so der Vorwurf. Die Stromtarife seien die höchsten im Land. Auf der anderen Seite dränge sie kleinere Energiedienstleister mit Dumpingpreisen aus dem Markt. Und mit einer gut gefüllten Kasse überbiete sie die Konkurrenz bei Firmenkäufen. Thoma wischte diese Kritik kühl beiseite.

Mehrmals wurde die BKW auch zur Zielscheibe im Kantonsparlament. Die Aufspaltung in einen staatlichen Stromversorger und einen privaten Energiedienstleister kam aufs Tapet, scheiterte jedoch.

Kulminiert ist die Kritik an Suzanne Thoma an ihrem Salär. Von links bis rechts war der Unmut gross darüber, dass die BKW-Chefin ihr Einkommen auf gegen 2 Millionen Franken in die Höhe schraubte. Die Kommentarspalten füllten sich mit geharnischter Kritik.

Thoma selbst fühlte sich unfair behandelt. So kam es vor, dass sie Journalisten ein Interview verweigerte. Der Zeitung «Der Bund» sagte sie später, angesichts der Kritik habe sie sich schon gefragt, «ob es klug war, hier zu wohnen». In Bern seien die Steuern ohnedies übertrieben hoch.

Hauptaktionär aus Russland – statt Bern

Die Kritik aus Bern ist Thoma mit dem anstehenden Wechsel nach Winterthur in absehbarer Zeit los. Bei Sulzer folgt sie auf Peter Löscher, der seinen Rücktritt angekündigt hatte. Doch das ist nicht der einzige Wechsel bei Sulzer: Auch CEO Greg Poux-Guillaume gab seinen Rücktritt bekannt. Er wird Mitte Februar abgelöst von Frédéric Lalanne, der derzeit die grösste Geschäftsdivision Flow Equipment leitet.

Gemeinsam mit dem neuen Team arbeitet Thoma in Winterthur für einen russischen Hauptaktionär. Viktor Vekselberg hält knapp die Hälfte an dem Industriekonzern. Das Verhältnis zu ihm dürfte für Thoma einfacher sein – solange die Zahlen stimmen.

Sulzer-Grossaktionär Viktor Vekselberg. 

Dass sie die im Griff hat, hat Thoma bei der BKW bewiesen: Das Berner Unternehmen blieb anders als Konkurrenten trotz dem tiefen Fall der Strommarktpreise in den schwarzen Zahlen. Der Aufbau des Dienstleistungsgeschäfts konnte diese Einbussen überkompensieren, die Dividenden sind gestiegen, und der Aktienwert hat sich vervierfacht.

Dennoch bleibt trotz dieses Erfolgs ein Schönheitsfehler in der Bilanz: Das strategische Ziel bei der BKW hat Thoma noch nicht erreicht. Sie wollte etwa drei gleich grosse Standbeine schaffen, um dem Konzern neue Stabilität zu verleihen: Energie, Netze und Dienstleistungen. Bis 2024 sollte das ausgebaute Dienstleistungsgeschäft rund ein Drittel zum Betriebsgewinn beitragen. Beim Umsatz ist dieses Ziel erreicht, beim Gewinn noch nicht. Ob sich Thomas Strategie langfristig auszahlt, wird sich zeigen.