Shirin David im HallenstadionDie Feministin mit gemachtem Körper und knapper Kleidung
In ihren Liedern kritisiert sie Sexismus, in den dazugehörigen Videos präsentiert sie sich lasziv und halb nackt. Rapperin Shirin David zeigt: Auch so kann Emanzipation aussehen.
Wer die Instagram-Seite von Shirin David besucht, der wird von einem Bild der 28-Jährigen in einem nassen, am Körper klebenden Négligé begrüsst. Beim Weiterscrollen geht es mit Lack, Spitze und Minikleidern ähnlich weiter. Schnell wird klar: Die Musikerin scheut sich nicht davor, ihren Körper zu zeigen. Doch wer sich ihre Lieder oder Interviews anhört, merkt, dass die Rapperin sich an Objektifizierung stört und im feministischen Ton Gleichberechtigung fordert. Geht das?
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Ja, das geht. Denn dieses – auf den ersten Blick gegensätzlich wirkende – Image ist der Kern von Davids erfolgreicher Karriere. Die Hamburgerin mit iranisch-litauischen Wurzeln begann 2014 ihren Start auf Youtube als Vloggerin, wo sie ihr Leben teilte. Ihre ehrliche, unverfrorene Art, mit der sie beispielsweise detailliert über ihre diversen Schönheitsoperationen erzählte, stiess auf Anklang: Schnell knackte sie die Millionen-Follower-Marke, die Videoplattform wurde zum Vollzeitjob.
Die Nägel länger als die Shorts
Fünf Jahre später folgte die Solo-Musikkarriere. Die 2019 erschienene Single «Gib ihm» vom Album «Supersize» verbrachte vier Monate lang auf Platz 1 der deutschen Charts und schaffte es auch hierzulande unter die Top 10. Mit Zeilen wie «Die Nägel länger als die Shorts» oder «Ich wollt’ in Unterwäsche kommen, fick dein Dresscode» blieb David auch als Musikerin ihrer direkten Art treu. Das dazugehörige Video wirkt wie ein feucht-fröhlicher Ausflug in Barbies Traumhaus: In einem pinken Zweiteiler posiert David auf einer überdimensionalen Schmuckbox der Marke Chanel, tanzt im Juicy-Couture-Badeanzug auf einem geblümten Motorrad. Im Video zeigt sie so viel Haut, dass man beim Anschauen in der Öffentlichkeit instinktiv den Bildschirm abdunkeln möchte.
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In einem Interview sagt David, sie habe mit «Gib ihm» das Selbstbewusstsein ihrer weiblichen Fans stärken wollen. Doch nach der Veröffentlichung des Songs wurde sie Zielscheibe unzähliger Hasskommentare. Sie sei eine Möchtegern-Feministin, schreibt jemand in den Kommentaren. David bringe jungen Fans bei, dass man nur erfolgreich sein kann, indem man einem sexistischen Ideal entspricht. Solche Kritik hält sich bis heute.
Sie ist ihr eigenes Objekt
Denn mit ihrem Erscheinungsbild entfacht sie eine Debatte, die im englischen Sprachraum auch in Bezug auf Künstlerinnen wie Cardi B oder Nicki Minaj geführt wird. Ist ein Auftreten, das als übersexualisiert interpretiert werden kann, noch feministisch? Handelt es sich hier um körperliche Selbstbestimmung oder lediglich um das Verstärken sexistischer Stereotype?
Die Rapperin hat darauf eine klare Antwort: «Feminismus ist für mich: so viel ausziehen, wie du möchtest», sagt sie in einem Interview. Auf die Kleidung – oder das Fehlen davon – solle es nicht ankommen. Es gehe ihr vielmehr um Selbstbestimmung. Sie verwendet damit dieselbe Körper- und Bildsprache, die vor einem Jahrzehnt vielleicht noch Sexismus verstärkt hätte, operiert also mit demselben Vokabular, verleiht diesem aber eine andere Bedeutung. Sie selber bestimmt, wann und wie sie objektifiziert wird. So plädiert David für einen breiteren Begriff von Feminismus.
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In ihrer neusten Single, «Lächel doch mal», die dieses Jahr im Mai erschien, dreht sie den chauvinistischen Spiess um, wird zum übergriffigen Aggressor. Im Video ist zu sehen, wie ein Mann von Bauarbeiterinnen angemacht und widerwillig von David in eine Ecke gedrängt wird. Zum tiefen, bassigen Beat, der sich wie ein Herzschlag durch das ganze Lied zieht, rappt sie Zeilen wie: «Ich nehm’ Ablehnung gar nicht wahr / Hat er Nein gesagt? / Tja, Nein bedeutet manchmal Ja.»
Mit weiblichen Stimmen wie David nimmt Deutschrap eine neue Form an, wird nackter, provokanter. Das zahlt sich aus: Neben einer eigenen Parfümlinie lancierte die Multimillionärin vor zwei Jahren ihre Getränkemarke «Dirtea», ihr gleichnamiger Podcast «Dirtea Talk» erscheint seit September monatlich.
Konzert Shirin David: Sa 11.11., 20 Uhr, Hallenstadion, Wallisellenstr. 45
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