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Emotionaler WM-Riesenslalom
Shiffrins Heldenreise, Gut-Behramis Frust

13 WM-Medaillen gewonnen, aber erstmals Gold im Riesenslalom: Mikaela Shiffrin nach dem Triumph in Méribel.

Manche Niederlagen sind härter zu verdauen als andere. Als Lara Gut-Behrami am Mittwoch letzter Woche im Super-G eine Medaille um vier Hundertstel verpasste, war sie entspannt. Sie sagte: «Das gleicht sich alles aus in einer Karriere», sie sei ja auch schon wegen zweier Hundertstel Weltmeisterin geworden.

Nun ist Donnerstag, es ist Riesenslalom, es ist warm und sonnig, aber die Stimmung ziemlich gegensätzlich. Gut-Behrami möchte nicht reden, nicht mit den Fernsehstationen und auch nicht mit anderen Journalisten. Auf Nachfrage hält sie an und sagt immerhin noch: «Was gibt es denn zu sagen?» Sie sei gut Ski gefahren, aber zu langsam gewesen. Dann geht sie.

Neun Hundertstel fehlen diesmal auf Rang 3, einige mehr als noch im Super-G. Der Unterschied ist, dass der Riesenslalom ihre letzte Chance auf eine Medaille war bei dieser WM. Und so weicht die Entspanntheit von letzter Woche dem Frust. Gut-Behrami liegt nach dem ersten Lauf auf Rang 4 und nach dem zweiten ebenfalls.

Die Medaille wieder knapp verpasst: Lara Gut-Behrami wird beim Riesenslalom von Méribel Vierte und ist enttäuscht.

Vor zwei Jahren holte Gut-Behrami in Cortina d’Ampezzo drei Medaillen, Gold im Super-G und im Riesenslalom, Bronze in der Abfahrt. Sie war neben Mikaela Shiffrin die ganz grosse Figur der Titelkämpfe. Vor der diesjährigen WM sagte sie, es sei nicht ihr Ziel, das zu wiederholen. Dass es nun aber so knapp nicht reicht, ist dann doch eine Enttäuschung für die Tessinerin.

Es ist wie so oft im Skisport, zwischen Sieg und Niederlage liegen wenige Meter. Als Gut-Behrami sich den Weg gebahnt hat und den Zielraum verlässt, wird dort das Podest aufgebaut. Die grosse Siegerin ist Shiffrin, sie nimmt Federica Brignone 12 und Ragnhild Mowinckel 22 Hundertstel ab. Und der Blick in die Statistik zeigt: Auch eine wie sie feiert noch erste Male, noch nie wurde sie in ihrer Karriere Riesenslalom-Weltmeisterin.

Das macht den Sieg an sich schon speziell, das unterstreicht Shiffrin dann aber noch mit ihrer Reaktion. Als sie im Ziel ankommt und sieht, dass sie die Schnellste des Tages ist, legt sie sich hin, vergräbt das Gesicht in den Händen. Brignone und Mowinckel müssen sich schon bücken, um der Amerikanerin zu gratulieren. Alles, was hier passiert, passt sehr gut zu den letzten eineinhalb Wochen auf dem Planeten Shiffrin.

Und dann auch noch die Trennung vom Coach

Die Geschichte, die Shiffrin an dieser WM liefert, ist eigentlich Material für Netflix. Aber der Reihe nach: Es fängt an mit der Kombination vom Montag, dem ersten Wettkampftag, als die 27-Jährige beim zweitletzten Tor ausscheidet und viele schon wieder das Olympia-Trauma vom letzten Jahr heraufbeschwören, weil sie damals in ihren Paradedisziplinen Slalom, Riesenslalom und Kombination ebenfalls gescheitert war.

Dann kommt der Super-G zwei Tage später, die Silbermedaille, die ersten Tränen, sie, die Stehauffrau, hat es wieder geschafft, von wegen Trauma, ein erster Schritt nach vorne in ihrer eigenen WM-Story. 24 Stunden danach holt ihr Freund, der Norweger Aleksander Kilde, ebenfalls Silber im Super-G.

Zwei Tage vor dem Riesenslalom dann aber ein neuerlicher Rückschlag, Shiffrin trennt sich von ihrem Trainer Mike Day, urplötzlich. Sie will die Zusammenarbeit auf Ende Saison hin beenden, Day ist derart erzürnt, dass er um vier Uhr morgens aus Méribel abreist, das sorgt im US-Team für rote Köpfe. Shiffrin lässt ausrichten, dass sie vor und während des Rennens vom Donnerstag nicht darüber reden will, und sollte doch jemand von den Medien fragen, werde sie davonlaufen. Sie übernimmt trotz allem die Führung nach dem ersten Lauf.

Die Siegerin, die das Publikum wollte, und die Siegerin, die es bekam: Tessa Worley gratuliert Mikaela Shiffrin.

Darum steht sie also als Letzte oben am Start in diesem Riesenslalom, Tessa Worley ist unterwegs, die Zweitplatzierte aus dem ersten Lauf, die Siegerin, die das französische Publikum will, aber nicht kriegt, weil sie mit guter Zwischenzeit ausscheidet. Shiffrin hält dem Druck stand, sie gewinnt und ist am Ziel einer Heldenreise, die den Stoff bietet, den in diesem Skizirkus nur sie liefert. Das Drama, die Tränen, ob aus Freude oder Frust, das schlicht überragende Skifahren.

Noch zwei Medaillen zum grossen Rekord

«Ich fühlte Unglauben, Stolz und Glück», sagt Shiffrin, als sie sich gesammelt hat und im Pressezentrum vor den Journalisten sitzt. Sie sagt auch: «Das Stresslevel war hoch in den letzten Tagen.» Entsprechend schwierig sei es gewesen, den Fokus zu behalten, «darum möchte ich den Moment geniessen». Sie spult das Programm professionell ab.

Dann bedankt sie sich noch bei ihrem ehemaligen Trainer Day. «Es ist traurig, wie es endete, das war nie die Absicht», sagt sie. Die beiden arbeiteten sieben Jahre lang zusammen, gewannen viermal den Gesamtweltcup, elf WM- und zwei Olympiamedaillen. Shiffrin sagt: «Er war da in den wichtigsten Momenten meiner Karriere – aber auch meines Lebens.»

Bei dreizehn WM-Medaillen steht Shiffrin jetzt, es fehlen noch zwei zum Rekord, den die Deutsche Christl Cranz zwischen 1934 und 1939 aufgestellt hat. Sie fahre so gut Ski wie noch nie, sagt Shiffrin. Am Samstag hat sie im Slalom die Chance auf den perfekten Abschluss ihrer WM. Wie auch immer das Rennen ausgeht: Sie wird viel Stoff für Geschichten bieten.