Vor der BundesratswahlSetzt die SVP für einmal auf Langeweile – oder eine Frau?
Für die Nachfolge von Ueli Maurer zirkulieren viele Namen. Doch es gibt bereits einen Kronfavoriten. Und laut Politologe Michael Hermann könnte diese Wahl ganz anders laufen als frühere Wahlen von SVP-Bundesräten.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten war die Wahl von SVP-Bundesräten stets von Drama, Aufregung und Spektakel begleitet. Mit Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf wählte das Parlament nicht offizielle SVP-Kandidaten, weil es die offiziellen für unwählbar hielt. Anstelle von Ueli Maurer wurde beinahe der Sprengkandidat Hansjörg Walter gewählt.
Auch bei der letzten SVP-Bundesratswahl versuchte die SVP, einen im Parlament nicht beliebten Kandidaten ins Amt zu hieven. Zwar präsentierte sie ein Dreierticket. Doch viele vermuteten damals, dass Norman Gobbi und Guy Parmelin vor allem Thomas Aeschi zur Wahl verhelfen sollten. Das Kalkül ging nicht auf, das Parlament wählte Parmelin.
Bei der Wahl des Nachfolgers oder der Nachfolgerin von Ueli Maurer könnte nun alles anders werden. Normal. «Das Spannungsfeld ist viel kleiner geworden», sagt Politologe Michael Hermann. Die SVP habe weder die Kraft dazu noch ein Interesse daran, einen nicht genehmen Kandidaten durchzudrücken. «Es könnte die unaufgeregteste Wahl eines SVP-Bundesrates seit der Wahl von Adolf Ogi 1987 werden.»
Kronfavorit Rösti zeigt Interesse
Zurzeit versucht die SVP, das Feld möglichst zu öffnen. Fraktionschef Thomas Aeschi brachte am Wochenende Eisenbahnunternehmer Peter Spuhler und Nationalrat Thomas Matter ins Spiel. Auf Twitter verbreitete er ein Selfie mit den beiden und schrieb dazu: «Zusammen mit zwei potenziellen Bundesratskandidaten?» Spuhler hat bei früheren Vakanzen eine Kandidatur stets ausgeschlossen. Ob der Banker Matter Interesse hat, ist ebenfalls fraglich. Geäussert hat er sich noch nicht. Doch im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen andere.
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Es gibt bereits einen Kronfavoriten: Albert Rösti. Kein Name wird häufiger genannt als jener des Berner Nationalrates – und zwar sowohl innerhalb als auch ausserhalb der SVP. Es ist auch Rösti, der bisher am deutlichsten Interesse signalisiert hat. «Ich mache mir Überlegungen», sagte er in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. «Dann werde ich zu gegebener Zeit entscheiden, ob ich ins Rennen steige.»
Die Zürcher SVP macht allerdings klar, dass sie den Zürcher Bundesratssitz nicht kampflos aufgeben wird. «Wir wollen auf jeden Fall einen Kandidaten oder eine Kandidatin stellen», sagte Kantonalparteipräsident Domenik Ledergerber der «NZZ am Sonntag». Zürich als bevölkerungsreichster Kanton und Wirtschaftsmotor der Schweiz brauche eine Vertretung in der Landesregierung.
Als Favoritin wird in Zürich die Regierungsrätin und Ex-Nationalrätin Natalie Rickli gehandelt. Ihr Problem: die Regierungsratswahlen im Kanton Zürich von Februar 2023. Ihr Fokus liege auf diesem Wahlkampf, sagte sie am Wochenende. Ledergerber dagegen erklärte, notfalls müsse die SVP Zürich jemand anderes in den Regierungsratswahlkampf schicken.
Politologe Michael Hermann sieht die Regierungsratswahlen nicht als Hindernis für eine Kandidatur Ricklis. Ein Bundesratswahlkampf könnte sogar vorteilhaft sein für den Zürcher Wahlkampf, sagt er. Würde Rickli allerdings in den Bundesrat gewählt, riskiere die SVP, ihren Regierungsratssitz zu verlieren. Hermann zweifelt jedoch daran, dass Rickli im Bundeshaus dafür genügend Rückhalt geniesst.
Friedli bringt sich in Stellung
Bessere Chancen räumt er der St. Galler Nationalrätin Esther Friedli ein. «Es ist noch viel zu früh für ein Ja oder ein Nein», sagte Friedli der «NZZ am Sonntag». Das klingt nicht nach einer Absage. Aus dem Rennen genommen haben sich seit Maurers Rücktrittsankündigung dagegen der Luzerner Nationalrat Franz Grüter, die Bündner Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher, die Thurgauer Nationalrätin Diana Gutjahr und der Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling.
Auch Toni Brunner winkt ab – wobei Absagen einen späteren Meinungswechsel nicht immer ausschliessen. Sicher ist einzig, dass der Kandidat oder die Kandidatin aus der Deutschschweiz kommen wird, wie Parteipräsident Marco Chiesa dem «SonntagsBlick» sagte. Ausserdem werde die SVP wohl eine Auswahl präsentieren, also kein Einer-Ticket.
Weiterhin bedeckt halten sich die Grünen, die seit ihrem Wahlsieg 2019 Anspruch auf einen Bundesratssitz erheben. Sie wollen am 18. Oktober entscheiden, ob sie den SVP-Sitz angreifen. Fraktionschefin Aline Trede hält fest, dass die Grünen rein arithmetisch betrachtet mehr Anrecht auf einen Bundesratssitz hätten als die SVP auf zwei Sitze. Beim letzten Versuch blieb ihre Kandidatin Regula Rytz allerdings chancenlos.
Ändern dürfte sich das erst nach den Wahlen im Herbst 2023. Je nach Ausgang ist sowohl der zweite FDP- als auch der zweite SP-Sitz gefährdet. Spekuliert wird nun, ob vor den Wahlen von nächstem Herbst auch noch SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga oder SP-Bundesrat Alain Berset zurücktritt, die beide auf eine längere Amtszeit zurückblicken. Politologe Claude Longchamp hält nichts von solchen Gerüchten. Rücktritte im Wahljahr seien verpönt. Michael Hermann dagegen schliesst ein solches Szenario nicht aus. Für die SP könnte ein Rücktritt vor den Wahlen das Risiko eines Sitzverlustes verkleinern, gibt er zu bedenken. Am Ende sei der Zeitpunkt des Rücktritts aber immer vor allem ein persönlicher Entscheid.
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