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Serie «Ein Tag im Leben»
«Wir teilen vieles, aber nicht den Fernseher»

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Das Frühstück essen wir immer gemeinsam, das ist quasi unsere Hausratssitzung. Bei Kaffee und Schnitteli besprechen wir die Pläne für den Tag. Wir, das sind meine Frau Jocelyne, 71, meine Schwester Anne-Véronique, 67 Jahre, und mein Bruder Jean-Michel, 74 Jahre. Meistens ist das gegen 7 Uhr; ältere Menschen schlafen morgens ja oft nicht sehr lange, dafür machen wir später dann ein Nickerchen.

Seit gut zwanzig Jahren leben wir zusammen, obwohl niemand von uns WG-Erfahrung hatte und wir alle sehr verschieden sind. Doch das Leben als WG – oder Club, wie ich es nenne – hat viele Vorteile. Man bleibt geistig dynamisch, muss Entscheidungen nicht alleine treffen, und wenn die Laune im Keller ist, gibt es gleich drei Personen, die einen aufmuntern können. Auch finanziell ist dieses Modell konkurrenzlos. Wir haben ein gemeinsames Konto, in welches jede Person ihren Anteil einzahlt. Davon decken wir alle Kosten rund um das Haus, die Einkäufe, die Versicherungen, die Abos für Handy und Fernsehen. Das kommt uns viel günstiger als in separaten Haushalten.

Anders als in einer Studi-WG haben wir keine unterteilten Fächer im Kühlschrank – alles gehört allen. Einen strikten Ämtliplan haben wir auch nicht, es gibt jedoch Verantwortungsbereiche, die wir aufgeteilt haben. Meine Frau und meine Schwester kochen sehr gerne und machen das oft gemeinsam. Den Einkauf besorgt meist meine Frau. Über die App Bring können wir melden, wenn wir spezielle Wünsche haben. Dort markiert sie jeweils auch, was sie eingekauft hat – so gibt es keine Doubletten. Über die Nachrichten-App Signal treffen wir gemeinsam Entscheide. Zum Beispiel, wie viele Flaschen Wein meine Schwester von ihrer Reise ins Wallis mit nach Hause bringen soll.

Mein Bruder kümmert sich um alles Technische rund ums Haus, er ist gelernter Architekt. Ich als Ökonom übernehme das Administrative, das Bezahlen von Rechnungen, die Steuererklärungen. Unser System funktioniert nur, weil wir völlig transparent sind. Die Buchhaltung führen wir digital, so kann jede Person jederzeit darauf zugreifen. Wir teilen auch die zwei Autos und die Sauna im Erdgeschoss – wenn auch nicht mehr so häufig wie früher.

Tagsüber geht jede Person ihren eigenen Aktivitäten nach. Ich bin Präsident des Neuenburger Verbands der Pensionierten, auch helfe ich im Sommer den Bauern dabei, ihre Felder auf Rehkitze zu überprüfen, bevor sie mit dem Heuen beginnen. Dafür verwende ich eine Drohne mit Wärmebildkamera. An solchen Tagen muss ich schon um 4 Uhr auf den Beinen sein. Wir kriegen auch viel Besuch von unseren Kindern und Enkelkindern. Besonders Letztere mögen dieses Haus mit Garten – und beherrschen die Kunst des Verhandelns schon perfekt: Sagt jemand von uns zu einem ihrer Wünsche Nein, gehen sie einfach zur nächsten Person.

Auch über unsere Termine informieren wir uns gegenseitig. Kriegt jemand Besuch oder will ins Theater, dann schickt er oder sie über die digitale Agenda auf dem Handy eine Einladung an die anderen: Diese können «teilnehmen» oder «nicht teilnehmen» wählen, und so weiss man sofort, wer dabei ist. Das geht viel schneller, als wenn wir das immer diskutieren würden. Auch sind wir alle geolokalisiert. So wissen wir zum Beispiel, ob Véronique von ihrem Ausflug nach Lausanne mit dem Auto bereits auf dem Rückweg ist, und können ihre Ankunftszeit ungefähr abschätzen – und das Abendessen allenfalls ein bisschen nach hinten verschieben. Diese digitalen Tools helfen im Alltag wirklich sehr.

Nach dem Abendessen gehen wir wieder unterschiedlichen Aktivitäten nach, wir legen uns nicht alle um die gleiche Zeit ins Bett. Einige schauen fern, andere lesen. Wir teilen zwar vieles, aber nicht den Fernseher – da haben wir überhaupt nicht den gleichen Geschmack.

Protokoll: Eva Hirschi