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Seltener Scirocco
Wie ein Wüstenwind in den Alpen Sturm und Starkregen bringt

So zieht das Sturmtief über die Schweiz: Die Animation zeigt das Bodendruckfeld (schwarze Linien) und die 6-stündige Drucktendenz von Donnerstag bis Samstag. Schön zu sehen ist, wie sich das Tief auf dem Weg zum Alpenraum intensiviert. Die Abnahme des Druckes (grün) ist dabei grösser als die Zunahme (braun).
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Kräftiger Föhn, intensiver Dauerregen und obendrauf noch eine Sturmphase, die ihren Ursprung in der Wüste Nordafrikas hat: Etwa so liest sich kurz zusammengefasst der Warnlagebericht des Wetterdienstes Meteo Schweiz für den Alpenraum bis am Samstag. Verantwortlich dafür ist ein grossräumiges atlantisches Sturmtief.

Dieses Tief sorgt vor allem im zentralen und östlichen Alpenraum sowie auf der Alpensüdseite und im Tessin für markante Wettererscheinungen. Für ein schmales Band vom Urserental bis zum Oberengadin hat Meteo Schweiz sogar eine Unwetterwarnung der zweithöchsten Stufe vier herausgegeben. Das bedeutet: Bis Samstag sind dort über 100 mm Regen sowie Orkanböen (über 120 km/h) in exponierten Höhenlagen zu erwarten.

Dass in den Herbstmonaten Sturmtiefs den Alpenraum überqueren und kräftige Föhnstürme auslösen, ist nicht aussergewöhnlich. Vor allem der Oktober ist klimatologisch hierzulande ein ausgeprägter Föhnmonat.

Das liegt daran, dass in dieser Zeit die grossräumige Zirkulation über Europa vom Sommermodus in den Winterbetrieb wechselt. Die Polarfront, also der Grenzbereich zwischen den kalten Luftmassen des hohen Nordens und den milden Luftmassen der Subtropen, verschiebt sich von Skandinavien her südwärts. Entlang dieser Grenze treffen also höchst unterschiedliche Luftmassen aufeinander – und das läuft in der Regel turbulent ab.

Schweisstreibend im Sommer, nass im Herbst

Speziell am aktuellen Sturmtief ist daher auch weniger der Föhn. Aufhorchen lässt vielmehr ein Nebensatz im Warnlagebericht von Meteo Schweiz: Am Freitag ist demnach ein stürmisches Scirocco-Windereignis zu erwarten. Dabei sind im Tessin, in Südbünden und im Oberengadin Windspitzen von 70 bis 90 km/h in tiefen Lagen und von 90 bis 110 km/h oberhalb 1000 Meter möglich. Der Wind weht aus südlicher oder südöstlicher Richtung.

Scirocco?

Wer regelmässig in Südeuropa Ferien macht, dem dürfte dieser Begriff bekannt vorkommen. Gemeint ist damit ein heisser Wüstenwind, der seinen Ursprung in der Sahara hat und im Sommer für schweisstreibende Temperaturen auf Sizilien, Mallorca oder Kreta sorgen kann.

Allerdings kann der Scirocco auch im Winterhalbjahr auftreten – und dabei in abgeänderter Form bis zu den Alpen vorstossen. «Genau damit haben wir es am Freitag bei uns zu tun», erklärt Yves Karrer, Meteorologe von Meteo Schweiz.

Damit dies geschehen kann, braucht es ein Höhentief (ein ausgedehntes Gebiet tiefen Luftdrucks in der Höhe), das vom Atlantik her Richtung Europa zieht und dabei weit nach Süden ausgreift.

Der Scirocco auf der Wetterkarte: Mit dem orangen Pfeil angedeutet ist die Süd- bis Südwestliche Strömung, welche viel Wasser zur Schweiz führt (Farbskala, je heller desto mehr Niederschlagspotenzial). Zudem ist an den zahlreichen Isobaren quer über Italien der grosse Druckunterschied zwischen der Schweiz und Süditalien gut zu erkennen.

Im Vorfeld dieses Höhentief-«Batzens» sinkt der Luftdruck am Boden. Es bilden sich eigenständige Tiefdruckgebiete über Nordafrika und dem Mittelmeer. Das Höhentief schiebt diese kleineren Tiefs – wie an einer unsichtbaren Schnur aufgereiht – nordwärts. Im Bereich dieser turbulenten Zone können Sturmwinde auftreten, wobei mehrere Faktoren (Druckunterschied, Topografie) als Verstärker mitspielen.

Auf seinem Weg über das zu dieser Jahreszeit sehr warme Mittelmeer nimmt der Scirocco sehr viel Feuchtigkeit auf. Diese wird schliesslich in den prädestinierten Staugebieten der Südalpen ausgepresst. So sorgt der ursprünglich trockene Wüstenwind in letzter Konsequenz dafür, dass die hiesigen Wetterdienste in gewissen Regionen Warnungen wegen Starkregen und Sturm herausgeben müssen.

Die Grafik zeigt die berechneten Niederschlagssummen von zwei Wettermodellen für den Freitag. Gut zu erkennen sind die Scirocco-Staugebiete auf der Alpensüdseite und im Engadin. Das Modell rechts berechnet teils über 200 mm.

Immerhin: Der Scirocco dürfte diesmal nicht so stark sein wie bei vergleichbaren Lagen in der Vergangenheit. So kam es am 29./30. Oktober 2018 durch das Sturmtief «Vaia» zu einer Scirocco-Lage, die im Kanton Graubünden, in Vorarlberg und Tirol zu Orkanböen und erheblichen Waldschäden führte. Vergleichbares ist diesmal gemäss Yves Karrer nicht zu erwarten.

Im Mittelland der Alpennordseite ist von dem ganzen Spektakel wenig zu spüren. Das Sturmtief sorgt hier am Freitag und Samstag einfach für kühles und regnerisches Herbstwetter.

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