Schweizer Ausnahme-Fussballer im HochAmdounis Talent? «Gottgegeben»
Zeki Amdouni ist kein Nationalspieler grosser Worte – dafür ist er ein Stürmer, dem sich eine grosse Zukunft bietet. Die Elogen auf den 22-Jährigen fallen euphorisch aus.
Der türkische Fussballverband wollte, dass Zeki Amdouni für seine Nationalmannschaft spielt. Der tunesische Verband versprach ihm gar einen Stammplatz bei der WM in Katar.
Für die Türkei könnte er wegen seines Vaters spielen, für Tunesien wegen seiner Mutter. Aber der junge Mann hat sich für das Land entschieden, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Dass die Wahl auf die Schweiz gefallen ist, nennt er einen Herzensentscheid. «Sie hat mir alles gegeben», sagt er, und auch: «Ich bin stolz, Schweizer zu sein.»
Darum sitzt er am Freitag im Flieger, wenn sich die Schweiz aufmacht, um tags darauf in Novi Sad die EM-Qualifikation gegen Weissrussland zu starten. Elf Minuten hat er bislang für das Nationalteam gespielt, das war im vergangenen September in der Nations League gegen Tschechien. Dass viele Minuten dazukommen werden, steht ausser Frage. Amdouni bringt mit seinen 22 Jahren sehr vieles mit für eine grosse Karriere. «Einen Unterschiedsspieler» nennt ihn Heiko Vogel, Sportdirektor und Interimstrainer beim FC Basel. «Ein absoluter Ausnahmespieler» ist die Formulierung, die Milos Malenovic zu ihm einfällt.
Malenovic ist sein Berater und damit verantwortlich für eine umsichtige Planung, wenn es um die Zukunft von Amdouni geht. Wäre in seinem Leben alles richtig gelaufen, wäre Amdouni jetzt vielleicht noch bei Servette. Aber es lief nicht alles richtig, weil der grosse Club aus seiner Geburtsstadt das Talent des damals 14-Jährigen nicht erkannte und ihn wegschickte.
Schritt für Schritt nach oben
Über den Nachwuchs von Meyrin landete Amdouni bei Étoile Carouge, einem anderen Genfer Quartierverein. Bis im Sommer 2019 spielte er noch in der 1. Liga. Von da ging es etappenweise nach oben. «Schau, Zeki», hat ihm sein Berater schon geraten, «mach Schritt für Schritt.» Von Carouge ging es zu Stade Lausanne-Ouchy in die Challenge League und von da nach zwei Jahren zu Lausanne-Sport in die Super League.
Er war noch bei Lausanne-Ouchy, als er einem Aufgebot für die türkische U-21 folgte. Im März 2021 stand er gegen Serbien eine Halbzeit auf dem Platz. Mehr wurde nicht daraus, weil es für ihn in dieser Mannschaft nicht so richtig passte. Als die Schweizer Nachwuchsauswahl zwei Monate später rief, zögerte er nicht mit einer Zusage. In der Türkei und auch in Tunesien wurde er als «Verräter» beschimpft.
Weitere zwei Monate später gab er sein Debüt in der höchsten nationalen Liga. Andere waren in dieser Beziehung schon viel früher dran als er mit seinen 20 Jahren. Es spielt heute keine Rolle, weil er in seiner Entwicklung massiv aufgeholt hat. Bei Lausanne machte er nach halbjähriger Angewöhnung einen grossen Sprung, als er in der zweiten Saisonhälfte in fünf Spielen acht Tore erzielte. Die Mannschaft stieg ab, für Amdouni öffnete sich der Markt trotzdem. Die halbe Super League wollte ihn, und aus allen Top-5-Ländern trafen Anfragen für ihn ein.
Das schnelle Geld hätte locken können, aber Amdouni, so sah es zumindest Malenovic, war fürs Ausland noch nicht bereit. Den nächsten Schritt sollte er darum in der Schweiz machen: von der Romandie in die Deutschschweiz, wo es «härter und disziplinierter» zu- und hergeht, wie Malenovic sagt, und von einem Absteiger zu einem der beiden Topclubs im Land.
10 Tore in 14 Spielen
Die Young Boys zeigten offensichtlich weniger Interesse, darum ist Basel zum neuen Arbeitsort geworden. Dass der FCB den offensiven Fussball pflegen will, kommt Amdouni und seinen Stärken nur entgegen. Nach acht Monaten kann Malenovic zufrieden bilanzieren: «Bis jetzt ist alles super geplant und super aufgegangen.»
Ein halbes Jahr brauchte Amdouni, um sich in Basel einzuleben und sich an einen anderen Fussball anzupassen. Dass er nicht gleich auf Anhieb reüssierte, das überraschte Murat Yakin keinesfalls. Der Nationaltrainer war selbst Spieler beim FCB und hat erlebt, wie gross die Erwartungen hier sind. «Das Trikot von Basel zu tragen, hat mehr Gewicht, als das anderswo der Fall ist», sagt er.
Bis zur Winterpause kam Amdouni auf 22 Einsätze und 2 Tore. Aber er bekam die Zeit zur Eingewöhnung, die er vielleicht im Ausland nicht erhalten hätte. Die Bilanz im neuen Jahr ist eindrucksvoll: 4 Tore in der Meisterschaft, 3 im Cup, 3 in der Europa League, macht 10 in 14 Partien.
«Ich habe mehr Vertrauen und komme zu mehr Chancen», sagt er selbst. Er profitiert vom Zusammenspiel mit Andi Zeqiri, der in Basel eine ähnliche Geschichte hat wie Amdouni, weil auch er seine Monate benötigte, um sein Talent ausspielen zu können.
Die grossen Antworten und Ankündigungen gibt es nicht von Amdouni. Dazu ist er viel zu zurückhaltend. Und passend ist die Feststellung von Vogel: «Zeki ist mit Sicherheit nicht der Lautsprecher in unserer Kabine.» Dafür sind der Trainer und der Berater zuständig für die Elogen auf diesen Spieler.
In den gesammelten Aussagen heisst es von Malenovic: «Er ist Fussball-intelligent. Seine Kreativität, sein Riecher für den Raum, das ist Talent.» Und von Vogel: «Er ist gesegnet mit einem Komplettpaket. Er ist unglaublich trickreich und technisch stark. Er macht vieles instinktiv richtig. Er ist ein sehr wissbegieriger junger Spieler, der etwas schnell adaptiert und umsetzt. Auch das ist so wertvoll und macht ihn so aussergewöhnlich.»
Das grosse Idol: Lionel Messi
Malenovic sagt, das Talent sei gottgegeben, Vogel sagt, er sei von der Natur mit Talent gesegnet. Von Yakin gibt es ein paar freundliche Worte dazu. Dass es Freude mache, ihm zuzuschauen, und mit welcher Intensität und Spielfreude er spiele. Solche Lobpreisungen könnten schnell dazu verleiten, dass einer seinen Kopf verliert. Vielleicht ist Amdouni bodenständig genug, damit umzugehen. Schliesslich gelang ihm das auch, als er böse türkische und tunesische Kommentare wegen seiner Wahl für die Schweiz lesen musste. Er liess sie bewusst auf seinem Instagram-Profil stehen.
Amdouni ist vorerst für zwei Jahre von Lausanne nach Basel ausgeliehen, wobei der FCB ihn dank einer Option für mutmasslich 3 Millionen Franken fest übernehmen kann. Den nächsten Schritt wird er irgendwann machen, zu einem grösseren Club in einer grösseren Liga. «Die Fantasie kann bei ihm sehr weit gehen», sagt Malenovic.
Und Amdouni selbst? «On verra», sagt er nur zur Vermutung, dass Basel sicher nicht seine letzte Station sei. «Man wird sehen.» Immerhin hat er ein grosses Idol. Lionel Messi.
Fehler gefunden?Jetzt melden.