Sechs neue AnzeigenImmer weiter – bis der FC Luzern an die Wand gefahren ist
Böller in der Nacht, gescheiterte Vermittlung von Liga und Stadt Luzern: Im Machtkampf um den FCL gibt keine Seite auch nur einen Zentimeter nach. Wenigstens die Stadionfrage scheint geklärt.
Sitzen zwei am Steuer eines Autos und fahren auf eine Wand los. Wer als Erster auf die Bremse tritt, hat verloren. Also rasen sie weiter, bis es kracht.
So wirkt der Streit um den FC Luzern auf Aussenstehende. Immer wenn die höchste Eskalationsstufe erreicht scheint, beweist einer, dass tatsächlich noch mehr möglich ist.
Am Dienstag ist es an der Seite von Bernhard Alpstaeg, vor den Medien des Langen und Breiten zu beteuern, dass sie wirklich alles für eine schicklich-friedliche Einigung in diesem Streit macht. Nur, um im nächsten Atemzug zu erklären, dass man sich leider gezwungen sieht, sechs weitere Gerichtsverfahren anzustrengen. Sechs. Leider.
Immer tiefer vergraben sich die beiden Seiten in ihre juristischen Schützengräben. Hier Bernhard Alpstaeg, der zu Beginn des Streits mit 52 Prozent der Aktien als Hauptaktionär der FC Luzern Holding AG galt. Und sich deswegen als starker Mann fühlte, der die gesamte Führung des FCL auszuwechseln drohte.
Dort der Verwaltungsrat des FCL, der es kurz vor Weihnachten geschafft hat, aus Alpstaeg mit einem juristischen Kniff einen Minderheitsaktionär zu machen. Und der sich damit bis heute an der Macht hält.
Der letzte Vermittlungsversuch ist gescheitert
Am Montag ist ein letzter Vermittlungsversuch der Stadt Luzern und der Swiss Football League zwischen den Parteien gescheitert. Die Alpstaeg-Seite sagt, sie habe dort Hand geboten für eine schnelle Lösung des Konflikts. Ein Schiedsgericht hätte innerhalb weniger Monate entscheiden sollen, wer beim FCL das Sagen hat.
Der Verwaltungsrat hat abgelehnt. Warum, will er erst am Mittwoch an einer eigenen Medienkonferenz erklären. In diesem Kampf will jedes Wort genau abgewogen sein. Für Alpstaeg arbeiten nicht weniger als sechs Anwälte am Fall. Je zwei für Sport-, Zivil- und Strafrecht. Dazu kommt das Gutachten eines Professors.
Natürlich wird auch die Gegenseite juristisch bestens beraten. Nur Naivlinge stellen sich vor, wie viele Nachwuchstrainer, Physiotherapeuten oder gar Profiverträge für das Frauenteam sich der FCL mit all diesen Entschädigungen für Anwälte, teure Kommunikationsberater und Rechtsgutachter leisten könnte.
So aber schlittert der FC Luzern in die nächste finanzielle Krise. Vor zwei Jahren mussten die Aktionäre 6,6 Millionen Franken an frischem Kapital einschiessen. Dieses Geld ist inzwischen aufgebraucht. Gemäss Sacha Wigdorovits, dem Kommunikationsberater von Bernhard Alpstaeg, überlebt der FCL derzeit nur dank Rangrücktritten von Gläubigern, zu denen auch Alpstaeg gehört.
Es ist auch ein Kampf um die öffentliche Meinung, der in Luzern stattfindet. Also gibt die finanzielle Lage des Clubs Alpstaeg Munition, um den Verwaltungsrat als unfähig abzustempeln. Und das im vollen Bewusstsein, dass es in der Schweiz kaum professionelle Fussballclubs gibt, die kein Geld verbrennen. Umgekehrt verteilte die Gegenseite im Dezember Aktien beinahe wie Smarties, um möglichst viele Alpstaeg-Gegner als Kulisse an der Generalversammlung dabeizuhaben.
Böller in der Nacht erschrecken Alpstaegs Frau
Viele Grenzen sind inzwischen überschritten. In letzter Zeit sind vor Alpstaegs Haus in der Nacht Knallpetarden hochgegangen, was vor allem seine Frau zutiefst erschreckt hat.
Auf der anderen Seite dreht die Alpstaeg-Seite frisch-fröhlich am Narrativ des Machtkampfs, wenn Wigdorovits sagt: «Dieser Streit ist nicht von unserer Seite vom Zaun gerissen worden. Er wurde vom Verwaltungsrat vom Zaun gerissen, der am 21. Dezember Herrn Alpstaeg 25 Prozent der Aktien weggenommen hat.»
Etwas vergessen geht dabei, dass es Bernhard Alpstaeg war, der den Machtkampf bereits im Oktober mit einem Interview im «SonntagsBlick» so richtig lancierte. Und dass er es war, der damit drohte, die gesamte Clubführung neu zu besetzen.
Es mutet fast schon unglaublich an, dass am Ursprung der ganzen Tragödie der Streit um Sportchef Remo Meyer steht. Ihn wollte Alpstaeg entlassen. Der Verwaltungsrat wehrte sich. Danach geriet alles komplett ausser Kontrolle.
Inzwischen gibt es so viele Anzeigen, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten. Der Verwaltungsrat hat Bernhard Alpstaeg angezeigt wegen angeblicher Ungereimtheiten bei dessen Übernahme von 25 Prozent der Aktien. Bernhard Alpstaeg hat seinerseits in Luzern alle vier Verwaltungsräte des FCL angezeigt und verlangt mit einer zivilrechtlichen Klage, dass er seine Aktien zurückerhält.
Weil das offenbar noch nicht reicht, hat Alpstaeg am Dienstag noch einmal gegen jeden der vier Verwaltungsräte einzeln an deren Wohnort eine Verantwortlichkeitsklage eingereicht. In einem weiteren Verfahren verlangt er, dass ein Gericht den Verwaltungsrat absetzt und an seiner Stelle einen neutralen Sachwalter einsetzt. Und schliesslich läuft eine Anzeige gegen Unbekannt wegen der Böller vor seinem Haus.
In all dem Juristenfutter gibt es noch so etwas wie eine gute Nachricht für Anhänger des Clubs: Alpstaeg verweigert zwar weiterhin die Unterschrift, die er als Eigentümer des Stadions für die Lizenzeingabe des FCL leisten müsste. Aber er droht immerhin nicht mehr damit, den Mietvertrag einseitig zu kündigen.
Die Lizenz für die kommende Saison sollten die Luzerner so erhalten. Bis aber alle Gerichtsfälle entschieden sind, dürfte es Jahre dauern. Zeit, die der FC Luzern in seiner aktuellen Lage nicht hat.
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