Seilziehen um AsylunterkünfteDem Bund fehlen Betten für Asylsuchende
Im August zeigte sich Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider noch zuversichtlich – aber nun verfügt die Schweiz über weniger Plätze als erhofft.
Die Zahl der Asylgesuche steigt – wie erwartet. Schon im Frühjahr ging das Staatssekretariat für Migration (SEM) von etwa 28’000 Asylgesuchen im laufenden Jahr aus. Das sind zwar weniger als während der Krise im Jahr 2015, als das SEM fast 40’000 Gesuche zählte. Die heutigen Unterkünfte reichen aber nicht aus.
Weil sich das Problem abgezeichnet hatte, wollte Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) auf Armeearealen Wohncontainer mit 3000 Betten aufstellen. Doch der Plan scheiterte im Parlament: Der Ständerat lehnte den Kredit ab. Die Gegner befanden, es gebe genügend Plätze in Zivilschutzanlagen.
Daraufhin ersuchte Baume-Schneider die Kantone, solche Plätze zur Verfügung zu stellen. Zunächst sah es gut aus: Im August verkündete die Bundesrätin, die Kantone hätten 1800 Plätze gemeldet. Rund 600 werde das SEM rasch nutzen können, bei den übrigen brauche es noch Abklärungen. Das waren zwar weniger als die 3000 Wohncontainerplätze. Für das aktuelle Szenario sollte es aber reichen, hiess es.
Nur 1000 statt 1800 Plätze
Doch nun stehen nur 1000 zusätzliche Plätze zur Verfügung, wie das SEM am Dienstag mitteilte. Davon steuert die Armee 300 bei: Sie stellt ein weiteres Gebäude auf dem Glaubenberg OW zur Verfügung, aber nur vorübergehend. Sobald die Zahl der Asylgesuche zurückgeht, muss das SEM das Gebäude zurückgeben – spätestens im Frühjahr.
Von den 1800 gemeldeten kantonalen Plätzen blieben vorerst nur 710 übrig. Der Grund: Viele Anlagen sind nicht nutzbar – etwa weil sanitäre Anlagen fehlen.
Insgesamt stehen dem Bund somit rund 10’000 Plätze zur Verfügung, ab November 10’700. Das reicht nicht: Das SEM schreibt, es benötige «absehbar» weitere Plätze. Die Gespräche mit den Kantonen und der Armee würden deshalb weitergeführt. Gaby Szöllösy, die Generalsekretärin der Sozialdirektorenkonferenz, sagt, die Kantone suchten weiterhin nach Plätzen.
Finden sich keine zusätzlichen Unterkünfte, dürfte der Bund – wie bereits letzten Herbst – den Kantonen wieder vorzeitig Asylsuchende zuweisen. Genau das hatte man eigentlich verhindern wollen: Es bringt das Asylsystem durcheinander. Hinzu kommt, dass die Unterbringung in vielen kleineren Unterkünften mit grossem Aufwand verbunden ist und die Asylverfahren verlangsamen kann.
Das Parlament habe die Verantwortung auf die Kantone abgeschoben. «So geht es nicht», sagt Andreas Hostettler (FDP).
Die nutzbaren Plätze stammen aus den Kantonen Bern, Genf, Glarus und Zürich. So stellt der Kanton Bern dem Bund 300 Plätze zur Verfügung, obwohl auch seine Unterkünfte bereits stark ausgelastet sind. «Es geht nur, wenn alle mithelfen: Bund, Kantone und Gemeinden», sagt Gundekar Giebel, der Sprecher des zuständigen Regierungsrates Pierre Alain Schnegg (SVP). «Wir nehmen das sehr ernst.»
Andere Kantone sagen, sie benötigten die Zivilschutzunterkünfte selbst für die Unterbringung von Asylsuchenden. Aus diesem Grund hatte sich der Zuger Regierungsrat Andreas Hostettler (FDP) für die Wohncontainer starkgemacht: Das Nein des Parlaments sei ein Fehler gewesen, auch wenn der Bund das Geschäft schlecht vorbereitet habe. Das Parlament habe damit die Verantwortung auf die Kantone abgeschoben. «So geht es nicht», sagt Hostettler.
War das Nein ein Fehler? Zu den Container-Gegnern gehörte damals der St. Galler Ständerat Benedikt Würth (Mitte). Er würde wieder Nein stimmen, sagt er. Würth fühlt sich aufgrund der aktuellen Entwicklung bestätigt. Er findet weiterhin, dass es genügend Zivilschutzunterkünfte gibt – auch wenn sein eigener Kanton dem Bund keine zur Verfügung stellt. Das bedaure er, sagt Würth. Die Kantone müssten den Bund unterstützen. Seien Anlagen unzureichend, müssten sie nachgerüstet werden, wofür auch Kredite zur Verfügung stünden.
Würth hofft, dass eine Motion hilft, über die der Ständerat am Mittwoch entscheidet: Der Bundesrat soll offiziell damit beauftragt werden, Armee- und Zivilschutzunterkünfte zu organisieren. Das hat der Bund allerdings schon in den vergangenen Monaten getan. Und die Ausgangslage ist dieselbe.
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