Neues SorgenbarometerSchweizer verdrängen wegen Corona alle anderen Ängste
Die Pandemie wirkt sich laut einer Umfrage der Credit Suisse auf sämtliche Aspekte des Lebens aus – und führt zu einem Vertrauensgewinn der Bevölkerung in die Politik.
Seit 44 Jahren erstellt die Credit Suisse anhand einer Umfrage in der Schweizer Bevölkerung das Sorgenbarometer – und zum ersten Mal überhaupt hat sich mit Covid-19 ein gänzlich neues Thema so klar an die Spitze der Rangliste gesetzt. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass ihnen die Corona-Pandemie aktuell am meisten Angst macht. Damit verdrängt sie die AHV auf den zweiten Platz und lässt auch alle anderen Sorgen deutlich hinter sich.
Die Auswirkungen der Pandemie auf die Stimmung der Bevölkerung und alle Aspekte des Lebens sind gemäss der Auswertung «weitreichend». Noch nie hat ein Thema die Schweizerinnen und Schweizer in kürzester Zeit derart stark bewegt wie das Coronavirus. Zum Vergleich: Im Jahr 2001, dem Jahr der Anschläge auf das World Trade Center in New York, nannten lediglich 27 Prozent «Terror» als eine der grössten Sorgen des Landes.
Doch nicht nur kurzfristig beschäftigt das Coronavirus zutiefst. Die Bevölkerung rechnet mit einschneidenden Folgen, die auch in drei Jahren noch spürbar sein dürften. So erwarten vier von fünf Befragten, dass als Folge der Pandemie die Arbeitslosigkeit steigen dürfte. Das Thema hat gegenüber dem Vorjahr nochmals an Gewicht gewonnen und ist mit 31 Prozent neu die drittgrösste Sorge.
Allgemein steigt die Angst vor einer Wirtschaftskrise. Viele befürchten negative Auswirkungen für den Tourismus in der Schweiz und die nationale Exportwirtschaft. Zwar rechnen nur 19 Prozent der Befragten mit einer Verschlechterung ihrer persönlichen wirtschaftlichen Lage und 11 Prozent mit einem Stellenverlust in den nächsten Monaten – beides sind aber Rekordwerte in der Geschichte des Sorgenbarometers.
Gut jeder Zweite ist zudem überzeugt, dass wegen der Pandemie langfristig auch die Altersvorsorge leiden wird. Diese liegt mit 37 Prozent auf dem zweiten Rang des Sorgenbarometers, beschäftigt die Menschen wegen der dominierenden Rolle von Corona aber nicht mehr so stark wie in den letzten Jahren.
Der Umweltschutz bleibt eine Top-Sorge, selbst wenn er in den letzten Monaten in der öffentlichen Wahrnehmung weniger präsent war. Fragt man die Schweizerinnen und Schweizer nach dem am dringendsten zu lösenden Problem, ist die häufigste Antwort nach Corona der Klimawandel, noch vor der AHV.
Je zwei Plätze verloren haben – auch weil der Fokus voll auf der Pandemie liegt – die Themen Ausländer sowie Gesundheit und Krankenkasse. Bei Letzterem dürfte der Rückgang auch damit zusammenhängen, dass während einer nationalen Gesundheitskrise der Fokus der Bevölkerung auf dem Ausbau des Angebots und nicht auf den Kosten liegt. Zudem sind die Krankenkassenprämien im letzten und aktuellen Jahr nur minim angestiegen.
Obwohl die Corona-Pandemie einen veritablen Stresstest für das Gesundheitswesen der Schweiz darstellt, sind die Personen, die das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse befragt hat, punkto Gesundheitsversorgung im Land sogar zuversichtlich eingestellt. Auch andere Aspekte der Krise werden positiv bewertet, etwa die Digitalisierung der Arbeitswelt und der Trend zu mehr Homeoffice. Ausserdem glaubt eine Mehrheit, dass die Pandemie keine Folgen oder gar positive Effekte auf den Bankenplatz haben wird.
Aufhorchen lässt das steigende Interesse an politischen Fragen in der Bevölkerung. 85 Prozent der Befragten geben an, sie seien sehr oder eher an Politik interessiert – so viele wie noch nie. Die wichtige Rolle der Politik in der Pandemie-Bekämpfung könnte das Interesse laut dem Bericht verstärkt haben. Weitere Faktoren könnten globale Themen wie der US-Präsidentschaftswahlkampf, der Klimawandel oder politische Bewegungen zum Thema Rassismus und Gleichberechtigung sein.
Der Schweizer Politik stellen die Stimmberechtigten ein gutes Zeugnis aus. Nach einem Einbruch im letzten Jahr stieg das Vertrauen in die staatliche Verwaltung, das Parlament und vor allem in den Bundesrat, der als Gewinner des Jahres bezeichnet werden kann. 68 Prozent der Befragten stehen hinter der Regierung, ein höheres Vertrauen in der Bevölkerung geniesst nur die Polizei.
Ob diese Werte so hoch bleiben, wird sich zeigen. Die Umfrage wurde im Juli und August 2020 durchgeführt, als die Schweiz die erste Welle der Corona-Pandemie auch dank des guten Krisenmanagements überstanden hatte, so zumindest sah das eine Mehrheit der Bevölkerung. 70 Prozent der Befragten sagten aber schon damals, vor der zweiten Welle, dass der Bundesrat seine Führungsrolle noch besser wahrnehmen müsse.
Nicht von den speziellen Umständen profitieren konnte die Armee – trotz der grössten Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg. Der gemessene Vertrauenswert ist mit 48 Prozent der tiefste seit 2012. Die Umfrage hat gezeigt, dass militärische Sicherheit im klassischen Sinne für die Bevölkerung vergleichsweise am wenigsten relevant ist. Erste Priorität hat wegen Corona die Versorgungssicherheit (Medizin, Nahrung, Energie). Dahinter folgen die ökonomische Sicherheit (Wahrung des Wohlstandes), neue Bedrohungen (Datenschutz, Cyber-Sicherheit, Pandemie, Terror) und die Sicherung der nationalen Interessen im globalen Kontext.
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