Parlamentarier in der UkraineKälin trifft Selenski: «Ein Held, aber nicht abgehoben» | Schweizer Delegation besucht Parlament in Kiew
Eine Viererdelegation des Nationalrats besuchte am Mittwoch die Ukraine. Wir verfolgten die Reise live.
Das Wichtigste in Kürze
Die Nationalratspräsidentin Irène Kälin reiste mit einer dreiköpfigen Delegation, bestehend aus Roger Nordmann (SP), Nik Gugger (EVP) und Yves Nidegger (SVP), nach Kiew.
Dort kam es zu einem Treffen mit dem Präsidenten des ukrainischen Parlaments. Ursprünglich sollte Kälin auch eine Rede im Parlament halten.
Die Delegation besuchte die von den Russen befreiten Kiewer Vorstädte Hostomel und Irpin.
Die Schweiz stehe mit der Ukraine zusammen, erklärte Kälin an einer Medienkonferenz in Kiew.
Mit der Reise wollten die Parlamentarier Solidarität mit der Ukraine bekunden.
Die Delegation wird am Donnerstag wieder in Bern erwartet.
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Zusammenfassung
Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne/AG) hat am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Kiew die Solidarität der Schweiz mit der Ukraine bekräftigt. «Die Schweiz steht mit der Ukraine zusammen», sagte sie. Betrachte man einen Angriff auf einen friedlichen Staat in Europa, könne man nicht unparteiisch sein.
«Angesichts einer offensichtlichen Verletzung des Völkerrechts und des humanitären Völkerrechts, angesichts des Leids und möglicher Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung können wir nicht schweigen», sagte Kälin in Anwesenheit des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk. Sie habe seine Einladung angenommen, um die Solidarität der Schweiz auszudrücken.
«Meine Landsleute haben ihre Herzen und ihr Zuhause geöffnet für Menschen aus der Ukraine, die Schutz suchen», sagte Kälin im Parlamentsgebäude von Kiew. Bisher haben 43’000 Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz Zuflucht gefunden. Die Schweiz hat auch alle fünf Sanktionspakete gegen Russland übernommen.
Kälin erinnerte daran, dass die Schweiz seit 1991 gute Beziehungen mit der Ukraine vermittelt. Wenn der Krieg vorbei sei, werde die Schweiz den Wiederaufbau einer freien, demokratischen und souveränen Ukraine unterstützen.
Die höchste Schweizerin war zusammen mit ihren Nationalratskollegen Nik Gugger (EVP/ZH), Yves Nidegger (SVP/GE) und Roger Nordmann (SP/VD) nach Kiew gereist. Zur Delegation gehörten ausserdem der Schweizer Botschafter in der Ukraine, Claude Wild, und Artem Rybchenko, der ukrainische Botschafter in Bern.
Ruslan Stefantschuk sagte, dass Kälin nach Kiew gekommen sei, sei mehr als ein Zeichen der Solidarität, es brauche Mut, dies zu tun, und es sei ein deutliches Zeichen der Unterstützung, wie die Parlamentsdienste auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilten. Die Ukraine sei auf finanzielle Hilfe und humanitäre Unterstützung angewiesen, darunter die Aufnahme von Flüchtlingen, betonte Stefantschuk.
Treffen mit Selenski
Die Nationalratspräsidentin konnte ausserdem den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski kurz sprechen. «Ich traf ihn zu einem bilateralen Gespräch», sagte Kälin dem Westschweizer Fernsehen RTS. Es sei ein beeindruckender Präsident für sein Land in dieser schwierigen Zeit.
Die Nationalratsdelegation besuchte am Mittwoch auch die Kiewer Vororte Irpin und Hostomel. Die Entdeckung von Kriegsverbrechen in der Umgebung der Hauptstadt Kiew nach dem Abzug russischer Truppen hatte weltweit für Entsetzen gesorgt. So wurden in den Städten Butscha, Irpin, Borodjanka und Hostomel Hunderte Leichen gefunden.
Es habe kein Militär in Irpin gegeben, sagte ein lokaler Vertreter dem Schweizer Besuch, wie SRF online berichtete. Schulen und Privathäuser seien (von der russischen Armee) angegriffen und zerstört worden. Die Kiewer Vororte wurden inzwischen von der ukrainischen Armee wieder zurückerobert. «Nach drei Wochen schrecklicher Kämpfe ist eines von zwei Häusern stark beschädigt oder zerstört», sagte Roger Nordmann (SP/VD) dem Westschweizer Radio RTS mit Blick auf Irpin.
Humanitäre Hilfe aufgestockt
Die Schweizer Delegation zeigte sich beeindruckt davon, dass die Institutionen des Landes trotz des Krieges weiterhin funktionieren und für die Bürgerinnen und Bürger arbeiten. Die Schweiz unterstützt in der Ukraine mehrere Infrastrukturprojekte. Diese Kooperation wurde durch den russischen Angriffskrieg gegen das Land nicht unterbrochen. Die humanitäre Hilfe wurde zusätzlich um 80 Millionen Franken erhöht.
In der Ukraine wurde die Schweizer Delegation von bekannten Sicherheitskräften geschützt, wie Kälin «Blick online» sagte. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) hatte ihr von der Reise abgeraten und entschieden, sie nicht zu begleiten. Die Schweizer Polizei sei nicht für einen Einsatz in Kriegsgebieten ausgerüstet. Sie habe den Fedpol-Entscheid mit einem gewissen Befremden zur Kenntnis genommen.
Die Delegation wird am Donnerstag wieder in Bern erwartet.
Kälin über Selenski: «Ein Held und nicht abgehoben»
Nationalratspräsidentin Irène Kälin hat den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski getroffen und zeigte sich danach im Interview mit Blick TV beeindruckt. «Er ist ein ausserordentlicher Held und wird international gefeiert», sagte die Politikerin der Grünen, trotzdem sei er «ein ganz einfacher Mann, mit dem alle sofort ein Bier trinken würden». Seine Charakterstärke und Bodenständigkeit zeichnen ihn aus, sagt Kälin nach dem Treffen.
Sie besprach mit dem ukrainischen Präsidenten die Pläne für den Wiederaufbau. Die Ukraine sei dabei, eine Prioritätenliste zu erstellen für die Zeit nach dem Krieg. Sie sagt, es sei bewundernswert, dass Selenski und seine Leute schon «so fest in die Zukunft schauen».
Kälin spricht an Medienkonferenz
Die höchste Schweizerin hat im Anschluss an den Besuch im ukrainischen Parlament an einer Medienkonferenz gesprochen, wie Blick TV berichtet. «Die Bomben auf die Ukraine waren ein Stich ins Herz und sind es immer noch», sagte Irène Kälin demnach. Auch Delegationen von Nordmazedonien und Rumänien waren während des Besuchs der Schweizer Nationalrätin und ihrer drei Kollegen anwesend.
Delegation im Parlament angekommen
Inzwischen sind weitere Bilder aus Kiew eingetroffen. Sie zeigen die Schweizer Delegation auf dem Weg ins Parlament. Dort hat sich die Nationalratspräsidentin zu einem Gespräch mit ihrem ukrainischen Amtskollegen getroffen. Mit dabei waren auch zwei Vertreter der Parlamente Rumäniens und Nordmazedoniens. Im Anschluss an das Treffen fand eine Pressekonferenz im Parlamentsgebäude statt.
Schweizer Delegation in Irpin und Hostomel
Inzwischen hat die Bildagentur Keystone die ersten Aufnahme des Besuchs der Schweizer Delegation in Kiew geschickt. Sie stammen aus den Vororten Irpin und Hostomel. Russische Soldaten hatten die beiden Vororte zwischenzeitlich besetzt. Dabei kamen Hunderte Zivilisten ums Leben. Die Zerstörung in den beiden Ortschaften ist massiv. Nationalratspräsidentin Irène Kälin besuchte Irpin und Hostomel zusammen mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Ruslan Stefanchuk.
Ebenfalls auf der Besichtigung dabei sind die Vorsitzenden der Parlamente von Rumänien und Nordmazedonien.
Die Reise der Delegation aus der Schweiz erfolgte auf eine offizielle Einladung des ukrainischen Parlamentspräsidenten. Ruslan Stefantschuk zeigte sich am Treffen erfreut über deren Ankunft: Dass «Irène» gekommen sei, sei mehr als ein Zeichen der Solidarität, es brauche Mut, dies zu tun und es sei ein deutliches Zeichen der Unterstützung. Dies teilten die Parlamentsdienste auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA mit.
Bundespolizei warnte vor Ukraine-Reise
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) habe ihr «aktiv» von der Reise in die Ukraine abgeraten. Dies sagte Nationalratspräsidentin Irène Kälin zu einem Blick-Journalisten, der sie begleitet. Für ihren Schutz auf der Reise seien die ukrainischen Sicherheitsbehörden zuständig.
Das Fedpol bestätigt die Warnung vor der Reise auf Anfrage. Reise eine Schweizer Delegation ins Ausland seien immer die Gastgeber zuständig für die Sicherheit. Im Einzelfall werde vom Fedpol aber geprüft, ob zusätzlich Schweizer Polizisten mitreisen. Im Fall der Ukraine sei dies nicht möglich gewesen. Es handle sich um ein Kriegsgebiet und für einen Einsatz dort seien zivile Polizisten nicht ausgebildet. Deshalb sei der Delegation auch von der Reise abgeraten worden.
In der Schweiz gibt es aber durchaus Personal für Einsätze in Kriegsgebieten. Der Schweizer Botschafter war nach Kriegsausbruch von Schweizer Elitesoldaten aus Kiew evakuiert worden. Das Verteidigungsdepartement sagt nun, dass man keine Anfrage von der Nationalratspräsidentin für deren Reise nach Kiew erhalten habe.
Keine Rede im ukrainischen Parlament
Weiterhin ist wenig Konkretes zum Programm der Schweizer Delegation zu erfahren. «Aus Sicherheitsgründen», wie die Parlamentsdienste mitteilen. Klar ist inzwischen, dass es zu einem Treffen zwischen Nationalratspräsidentin Irène Kälin und ihrem ukrainischen Amtskollegen kommen wird. Die im Vorfeld des Besuchs angekündigte Rede von Kälin im ukrainischen Parlament wird laut den Parlamentsdiensten nicht stattfinden. Im Anschluss an das Treffen ist eine Pressekonferenz vorgesehen. Wann genau, wurde noch nicht kommuniziert.
Delegation reist mit dem Bundesratsjet nach Polen
Die Parlamentarier Delegation hat Kiew in einem Nachtzug der ukrainischen Eisenbahnen erreicht. Gestartet ist der Zug am Dienstagabend in Polen. Für die Reise aus der Schweiz nach Polen durfte die Delegation einen der Jets des Bundesrates nutzen. Gemäss der Verordnung über den Lufttransportdienst des Bundes ist Irène Kälin als Präsidentin des Nationalrats dazu berechtigt. Gestartet ist das Flugzeug auf dem Flughafen Bern-Belp.
Parlamentsdienste: Schweizer Delegation in Kiew eingetroffen
Nach mehreren Stunden im Nachtzug ist die Nationalratspräsidentin und ihre Delegation am Mittwochmorgen kurz nach 8 Uhr in Kiew eingetroffen, wie die Parlamentsdienst via Twitter mitteilen.
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Am Dienstagabend drohte Russland mit Attacken auf Vertreter westlicher Länder, die sich in Kiew aufhalten. «Die russische Armee ist rund um die Uhr in Bereitschaft, um mit hochpräzisen Langstreckenwaffen Vergeltungsschläge auf Entscheidungszentren in Kiew zu starten», teilte das Verteidigungsministerium mit. Egal, ob Vertreter westlicher Länder dort anwesend seien oder nicht. Ob und wie sich diese Drohung auf das Reiseprogramm der Schweizer Delegation auswirkt, ist offen. Das Programm sei sehr volatil und könne jederzeit angepasst werden, teilen die Parlamentdienste mit.
Die Ausgangslage
Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne/AG) und eine dreiköpfige parlamentarische Delegation reisen am Mittwoch zu einem offiziellen Besuch in die Ukraine. Die Schweizer Delegation wird am Sitz des ukrainischen Parlaments empfangen.
Zur Delegation gehören neben Kälin die Ratsmitglieder Roger Nordmann (SP/VD), Nik Gugger (EVP/ZH) und Yves Nidegger (SVP/GE) sowie der Schweizer Botschafter in der Ukraine, Claude Wild, wie die Parlamentsdienste am Dienstag mitteilten.
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Die Delegation will damit die Solidarität der Schweiz mit der ukrainischen Bevölkerung sowie die Unterstützung für Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk und die ukrainischen Amtskolleginnen und -kollegen zum Ausdruck bringen.
Die Schweizer Delegation werde am Mittwoch den Sitz des ukrainischen Parlaments, der Werchowna Rada, empfangen. Sie wird sich dort bei Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk und Mitgliedern des ukrainischen Parlaments über die Lage in der Ukraine informieren. Die Delegation werde voraussichtlich auch die befreiten Städte Bucha und Irpin besuchen können.
Vereinbar mit Neutralität
Für Kälin ist die Reise, die auf eine offizielle Einladung des ukrainischen Parlamentspräsidenten erfolge, mit der schweizerischen Neutralität vereinbar, ebenso, dass die Schweiz Sanktionen gegenüber Russland übernommen habe, sagte sie am Dienstag in einem Interview gegenüber SRF online. «Ich glaube, das Neutralitätsrecht gibt es wirklich im engeren Sinne. Das halten wir weiterhin ein. Wir begünstigen keine Kriegspartei.»
Es gebe auch die aktive Neutralitätspolitik: «Bei dieser finde ich, müssen und sollen wir uns bedingungslos für das Völkerrecht einsetzen.» In der Ukraine werde das Völkerrecht gerade mit Waffengewalt und mit Füssen aus dem Weg geräumt, so Kälin weiter. Sie denke, es sei auch neutral, vor Ort zu gehen und zu sagen, dass «wir bedingungslos auf der Seite des Völkerrechts stehen».
Angst um die eigene Sicherheit und diejenige der Delegation während der Reise habe sie nicht, sagte die höchste Schweizerin. Sie sei sich aber sicher, dass die Reise in ein Kriegsgebiet sie «irgendwo durchschütteln» werde, davor habe sie grossen Respekt.
Diplomatische Beziehungen seit 1991
Die Schweiz und die Ukraine unterhalten laut Mitteilung seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Dezember 1991 diplomatische Beziehungen. Die Schweiz unterstütze den Reformprozess in dem Land und die Suche nach einer friedlichen Lösung für den Krieg mit Russland. In einem ständigen Dialog stehen die Schweiz und die Ukraine auch betreffend technische Zusammenarbeit, Friedenspolitik, wirtschaftliche Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe.
Die Reise Kälins ist nicht die erste einer Nationalratspräsidentin. Im September 2021 besuchte der damalige Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP/BE) in der Region Donbass den Checkpoint von Staniza Luhanska und vertrat die Schweizer Landesregierung am Gipfeltreffen der Krim-Plattform in Kiew.
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