Aussergewöhnlicher NationalspielerEr spielt Eishockey in der Wüste – an einem ganz kuriosen Ort
Nach sieben Schlüsselbeinbrüchen hörte Timothy Ramseyer einst mit dem Sport auf. Nun lebt der Schweizer in Dubai, vermittelt Luxusvillen. Und läuft gar an der WM für die Emirate auf.
- Timothy Ramseyer spielt Eishockey in der Emirates Hockey League.
- Er verdient 2000 Franken monatlich und ist Nationalspieler des Golfstaats.
- Den Pass hat er einfach so vor der WM erhalten.
- Nach Siegen wird wegen Alkoholverbot in Dubai nicht mit Bier angestossen.
Gespielt wird nicht in einem normalen Stadion, das würde ja auch nicht passen. Das Eisfeld befindet sich in einem der grössten Einkaufszentren der Welt, mit über 1000 Geschäften und 200 Gastronomiebetrieben. Auf der Tribüne schauen einige Leute zu, die meisten aber schielen von einem der fünf Stockwerke runter aufs Geschehen, quasi zwischen Schuhkauf und Kleideranprobe.
So läuft das bei den Dubai Mighty Camels, die in der Emirates Hockey League (EHL) spielen. Und mit Timothy Ramseyer einen Schweizer beschäftigen. Seit zwei Jahren stürmt er in der Wüste, und auch wenn es knapp 40 Grad ist, hat die Saison unlängst begonnen. Gespielt wird in Dubai, Abu Dhabi und al-Ain, Ramseyer ist Stammkraft – wobei er seine Karriere an und für sich schon beendet hatte.
Per Blindbewerbung ins Team
22 ist der Ostschweizer, bei Zug hat er in der U-17 gespielt, in Langnau bei den Elite-Junioren. Er galt als Talent, vor allem aber als höchst verletzungsanfällig. Sechsmal ging das rechte Schlüsselbein kaputt, einmal brach das linke, noch heute stabilisiert eine Titanplatte mit acht Schrauben die eine Schulter.
Zwei Jahre lang konnte Ramseyer nur zuschauen. Irgendwann hatte er genug vom Eishockey – und suchte das Weite. Sein Vater arbeitete schon länger in Dubai, während der Besuche begann er sich für die Glitzerwelt zu faszinieren und wanderte aus. Mittlerweile vermittelt er Villen und Luxuswohnungen an Deutschsprachige. Big Business eben.
Eishockey war für Ramseyer kein Thema mehr – eigentlich. Aus einer Laune heraus begann er dann doch im Internet zu recherchieren. Und fand heraus, dass es auch in den Emiraten eine Liga gibt. Nach einer Blindbewerbung durfte er bei den Mighty Camels vorspielen, in einer geliehenen, völlig unpassenden Ausrüstung. Er überzeugte trotzdem vollauf.
Zwei-, dreimal pro Woche wird trainiert, «wobei das niemand so genau nimmt», sagt Ramseyer schmunzelnd. Auch er verzichtet mal auf eine Einheit, wenn ihm was Wichtigeres dazwischenkommt. Der letzte Trainer habe ohnehin nicht viel bewirken können, «er war zwar sehr nett, aber nicht besonders sachverständig».
An die WM nach Australien
Aus Ramseyer ist also doch noch ein «echter» Eishockeyspieler geworden. Einer, der sogar Geld mit dem Sport verdient. Umgerechnet knapp 2000 Franken erhält er pro Monat, wobei es noch viel besser kommt. Ramseyer ist gar Nationalspieler geworden, weil in Dubai nun mal der Grundsatz gilt: «Geht nicht» gibts nicht.
Den Pass hat er letzte Saison einfach so erhalten, «vor der Abreise an die WM nach Serbien wurde er mir in die Hände gedrückt, ohne dass ich etwas dafür hätte tun müssen». Gleichgestellt mit den Einheimischen aber ist der Import dann schon nicht, er muss in Restaurants nicht weniger bezahlen, und ihm werden auch gewisse Bussen nicht erlassen. Zudem wird er den Pass zurückgeben müssen, wenn seine Zeit im Nationalteam endet.
Vorerst aber gehört er noch zur Landesauswahl. Und während die Schweiz an der Weltmeisterschaft die grossen Nationen wie Kanada und Schweden ärgerte, kämpfte Ramseyer im vergangenen April in Diensten der Vereinigten Arabischen Emirate mit Nationen wie Kroatien, Israel, Island, Australien und Serbien. Nach sechs Wochen intensiver Vorbereitung schaffte die Equipe in der vierthöchsten von acht WM-Divisionen entgegen den Erwartungen den Klassenerhalt, jeder Spieler erhielt rund 25’000 Franken Prämie.
Ramseyer ist nicht der einzige eingebürgerte Spieler, auch Letten und vor allem Russen gehören zum Team. Und natürlich ein paar Einheimische, «aber diese haben kaum eine Sekunde gespielt», sagt der Flügelstürmer, der wohl auch an der WM 2025 in Australien wieder dabei sein wird.
Das Siegerbier gibt es nicht
In der EHL bucht Ramseyer rund einen Skorerpunkt pro Match. Das Niveau vergleicht er etwa mit jenem bei den Schweizer Elite-Junioren oder mit der 2. Liga bei den Aktiven. «Es gibt hier Spieler aus Nordamerika, aus Mittel- und Osteuropa, dann auch die Einheimischen – jeder spielt komplett anders, das macht das Geschehen ziemlich wild.» Immer mehr Russen strömen in die Liga, einer von ihnen ist Roman Ljubimow, der einst WM-Bronze gewann und in der NHL stürmte.
Ramseyer hingegen wird weiterhin mit Stolz das Kamel auf dem Trikot tragen. «Schiessen wir ein Tor, jubeln in der Mall die Touristen aus der ganzen Welt, auch wenn die meisten null Ahnung haben vom Eishockey und noch nie ein Spiel gesehen haben.» Nach Siegen übrigens wird in der Regel nicht mit zwei, drei Bier angestossen, herrscht doch fast überall Alkoholverbot.
In Dubai ist nun mal vieles etwas anders.
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