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Meinung

Kolumne «Schweizer Herzfrequenzen»
Politisieren Sie mit Ihrem Einkaufskorb?

30.08.2023, Niedersachsen, Hannover: ILLUSTRATION - Ein mit Lebensmittel gefüllter Einkaufswagen wird durch einen Supermarkt geschoben (gestellte Szene, Aufnahme mit langer Verschlusszeit). Das Statistische Bundesamt gibt am 30. August die Inflationsrate für August 2023 bekannt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Julian Stratenschulte)
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Achten Sie beim Einkaufen immer genau darauf, was in Ihrem Korb oder Wagen landet? Bevorzugen Sie zum Beispiel Produkte aus der Region oder aus biologischem Anbau? Oder lehnen Sie je nach Absenderin oder Absender bestimmte Waren und Dienstleistungen generell ab? Tun Sie das alles vielleicht sogar aus politischen, ökologischen oder ethischen Gründen? Wenn ja, dann betreiben Sie Politik im Supermarkt, dann üben Sie sich im politischen Konsum.

Dieses Engagement erweitert unser Repertoire an politischer Einflussnahme neben den traditionellen Partizipationsformen wie Wahl- und Abstimmungsteilnahme, Parteimitgliedschaft, Teilnahme an politischen Versammlungen oder Kontaktaufnahme mit Politikerinnen und Politikern. Politischer Konsum kann einerseits von staatlichen, gemeinnützigen und gewinnorientierten Organisationen oder von zivilgesellschaftlichen Gruppen inszeniert werden. Im Zuge der Individualisierung wird der politisch motivierte Kaufvorgang andererseits aber auch zunehmend zu einem Instrument persönlicher Sanktionierung.

Das damit verbundene Handeln steht dabei für die bewusste Motivation, durch das Konsumverhalten Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik hervorzurufen. Mit dem Einkaufswagen sollen politische Prozesse angestossen sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zum Umdenken bewegt werden. Mit anderen Worten: Menschen nehmen Produkte, Dienstleistungen sowie deren Herstellerinnen und Hersteller unter die Lupe und möchten durch ihre Kaufentscheidung verwerfliche Praktiken zum Stillstand bringen.

Politischer Konsum kann dabei im Wesentlichen auf zwei verschiedene Arten geschehen: Entweder erfolgt diese Form der politischen Mitsprache durch den bewussten Kauf von Waren und Dienstleistungen aus politischen, ethischen oder ökologischen Motiven. Oder man beschliesst aus den gleichen Gründen, bestimmte Produkte zu ächten. Wer erinnert sich nicht an die von Greenpeace lancierten Boykottaufrufe gegen den Ölkonzern Shell im Jahr 1995 anlässlich der geplanten Versenkung des Zwischenlagers Brent Spar im Atlantik? Sie wurden massenhaft gehört und die Zapfsäulen der Firma grossräumig umfahren.

Wie schon im 19. Jahrhundert

Ihren Namen verdanken derartige Aktionen übrigens dem in Irland lebenden englischen Gutsverwalter Charles Cunningham Boycott, der im 19. Jahrhundert seine Pächterinnen und Pächter unerbittlich ausbeutete. Um dem schwelenden Zorn der Einheimischen zu entfliehen, sah sich der Leuteschinder schliesslich gezwungen, das Land zu verlassen.

Aktuellen Umfragen zufolge verweigern hierzulande rund 30 Prozent den Konsum bestimmter Produkte. Im europäischen Vergleich sind Kaufboykotte nur in Finnland und Deutschland noch populärer. Generell ist diese Form des politischen Engagements eher in West- als in Osteuropa zu finden. Weitere Studien zeigen, dass rund 44 Prozent der Schweizer Bevölkerung ihre Produkte gezielt auswählen und dafür neben gesundheitlichen Aspekten vor allem auch Gründe des Tier-, Heimat- und Umweltschutzes oder der Einhaltung von Menschenrechten anführen.

In der Schweiz tendieren Frauen eher zu politischem Konsum als Männer. Dasselbe gilt für offene Menschen, Wohlhabende, Hochgebildete und Städterinnen und Städter im Vergleich zur Landbevölkerung. Zudem wird der Inhalt des Schweizer Warenkorbs durch die politische Gesinnung mitbestimmt: Je weiter links man sich im politischen Spektrum verortet, desto eher werden Produkte aus politischen Gründen abgelehnt oder bewusst ausgewählt.

Und? Wie ist das jetzt bei Ihnen? Welche Regale steuern Sie am kommenden Wochenende an? Politisieren Sie mit Ihrem Einkaufskorb?