Neuer Plan zu Schweiz - EUSchweizer Aussenpolitiker offerieren der EU einen Milliarden-Deal
Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats will die Kohäsionsmilliarde an die Europäische Union per sofort verdoppeln – sofern die EU eine Bedingung erfüllt.
Seit einem halben Jahr herrscht die totale Blockade zwischen Bern und Brüssel. Der Bundesrat hat im Mai die Verhandlungen um das Rahmenabkommen abgebrochen – im Gegenzug weigert sich die EU, wichtige bilaterale Abkommen aufzudatieren.
Bisher am schwersten betroffen sind die Schweizer Forscherinnen und Forscher: Die EU verweigert ihnen die vollwertige Teilnahme am neuen EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Das bedeutet, dass die Schweizer Forschung einen schlechteren Zugang zu diesem 100 Milliarden Franken schweren Fördertopf hat als Forschende aus der Türkei oder aus Moldau.
Doch jetzt gibt es einen Plan, um die Blockade mit Brüssel wenigstens punktuell zu durchbrechen. Die Aussenpolitische Kommission (APK) des Nationalrats schlägt vor, der EU einen milliardenschweren Deal anzubieten: Das eidgenössische Parlament soll die sogenannte Kohäsionsmilliarde an die EU-Oststaaten per sofort verdoppeln; im Gegenzug soll die EU die Schweiz bis spätestens Mitte 2022 wieder als vollwertig assoziiertes Mitglied im Forschungsprogramm Horizon aufnehmen – und zugleich auch im Studierenden-Austauschprogramm Erasmus+.
Die APK hat diesem Plan am Montag zugestimmt. Der Entscheid sei mit deutlicher Mehrheit gefallen, sagten mehrere Kommissionsmitglieder. Offiziell informieren will die Kommission erst am Dienstag.
Rasch umsetzbar
Im Unterschied zu anderen europapolitischen Ideen, die derzeit ventiliert werden, ist dieser Plan rasch umsetzbar. Die APK wird den Antrag in die Budgetdebatte einspeisen, die kommende Woche im National- und Ständerat beginnt. Sollten die beiden Kammern in der Wintersession dem Antrag folgen, hätte die Schweizer Seite ihr Angebot noch vor Weihnachten formalisiert. Damit läge der Ball bei der EU-Kommission: Sie müsste entscheiden, ob sie auf den Deal einsteigt oder nicht.
Bereits jetzt ist im bundesrätlichen Budgetentwurf für das Jahr 2022 ein Ausgabeposten von 1046,9 Millionen Franken zugunsten der neuen EU-Mitgliedsstaaten enthalten. Dabei handelt es sich um den zweiten sogenannten Erweiterungsbeitrag, besser bekannt als zweite Kohäsionsmilliarde.
Die APK will diesen Budgetbetrag nun um rund 950 Millionen auf zwei Milliarden Franken aufstocken. Ausbezahlt würde dieses Geld verteilt über circa zehn Jahre – das macht pro Jahr 200 statt wie bisher geplant rund 100 Millionen.
Die Bedingung für diese Zahlung will die Kommission direkt in den Parlamentsbeschluss schreiben: Ausbezahlt würden die zusätzlichen 950 Millionen nur, wenn die Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der EU zur Teilnahme an Horizon und Erasmus+ bis Ende Juni 2022 unterzeichnet sind. Falls die EU diese Bedingung nicht erfüllt, würde die Verdoppelung der Kohäsionsmilliarde automatisch hinfällig.
Auch Bürgerliche dafür
Den entsprechenden Antrag stellte in der Kommission der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer, wie er auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt. Sein Ziel sei, «den Forschungsstandort Schweiz zu stärken, die politischen Beziehungen zur EU zu stabilisieren und die derzeitige Blockade mit der EU zu durchbrechen», sagt Nussbaumer. Weiter wollte er sich mit Verweis auf das Kommissionsgeheimnis nicht zum Entscheid äussern.
Gemäss mehreren Kommissionsmitgliedern stimmten offenbar die Vertreterinnen und Vertreter von SP, Grünen und GLP grossmehrheitlich oder sogar geschlossen für den Antrag. Auch mehrere Mitglieder aus der FDP- und aus der Mitte-EVP-Fraktion votierten offenbar mit Ja. Die SVP und die übrigen FDP- und Mitte-Vertreter lehnen den Plan ab. Man kann gespannt sein auf die Plenumsdebatten im National- und im Ständerat.
Formell läuft das Horizon-Förderprogramm von 2021 bis 2027. Derzeit wird der 100 Milliarden schwere Fördertopf auf konkrete Forschungsprojekte verteilt. Die grossen Projekte dürften im Laufe des Jahres 2022 vergeben sein. Dies dürfte der Grund sein, warum die APK ihre Offerte an die EU bis Mitte 2022 befristen will. Wenn die Schweiz bis dann keinen Fuss ins Horizon-Programm bekommt, dürfte der Zug für die Schweizer Forscherinnen und Forscher ohnehin abgefahren sein.
Der nächste Programmpunkt im bilateralen Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ist das Weltwirtschaftsforum (WEF) Mitte Januar in Davos. Dort wollen sich der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und sein Brüsseler Gegenpart, EU-Kommissar Maros Sefcovic, erneut treffen. Sefcovic erklärte letzte Woche, dass er von der Schweiz bis dahin einen konkreten Fahrplan für das weitere Vorgehen erwartet.
Falls National- und Ständerat bis dann dem APK-Plan zustimmen sollten, könnte Cassis dem EU-Kommissar in Davos wider Erwarten bereits einen materiellen Vorschlag unterbreiten.
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