Debatte um Schweizer NeutralitätSchweizer Armee soll weiterhin an Nato-Übungen teilnehmen
Die kleine Kammer spricht sich gegen ein Verbot von Nato-Bundnisfallübungen aus. Damit ist das Geschäft, welches im Sommer noch vom Nationalrat angenommen wurde, vorerst vom Tisch.
![Le logo de l'armee Suisse photographie sur la tenue de combat de camouflage, tenue C, du systeme modulaire d'habillement et d'équipement pour les engagements militaires de l' Armee Suisse ce samedi 20 juillet 2024 a Daillens. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)](https://cdn.unitycms.io/images/2M2EoGpiahL9CfdSnf4rBB.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=NpVw7d29InU)
Die Schweizer Armee soll laut dem Ständerat weiterhin an Nato-Bündnisfallübungen teilnehmen können. Die kleine Kammer lehnte einen im Nationalrat im Sommer noch angenommenen Vorstoss für ein Verbot solcher Übungen am Mittwoch ab.
29 Ratsmitglieder stimmten gegen, zwölf für die Motion. Damit folgte die kleine Kammer ihrer Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-S), welche die Motion ihrer Schwesterkommission im Nationalrat im Vorfeld ohne Gegenstimme zur Ablehnung empfohlen hatte.
Dies zum Einen, weil gemeinsame Militärübungen mit Nachbarländern keine Neutralitätsverletzung darstellen würden, führte SIK-S-Sprecher Daniel Jositsch (SP/ZH) aus. Eine Teilnahme an Verteidigungsübungen der Nato solle keine Schweizer Beteiligung an einem kollektiven Verteidigungsfall simulieren. Für die Kommission stelle sich die Frage der Neutralität somit nicht, die Motion gehe von einer «falschen Prämisse» aus, so die Begründung der SIK-S.
Zum anderen sei die Schweiz, wenn sie angegriffen werden sollte, nicht mehr neutral, sondern verteidige sich. Die Verteidigung finde am ehesten in Kooperation mit ebenfalls angegriffenen Nachbarstaaten statt. «Natürlich wissen wir nicht, wie der Ernstfall aussehen würde», sagte Jositsch weiter. Aber der realistischste Fall sei es leider, dass Nato-Nachbarländer konventionell angegriffen werden. Es sei notwendig, dass sich die Schweiz auf realistische Kriegsszenarien vorbereite. Diese Kooperation, die Interoperabilität im Ernstfall, müsse mit den Partnern geübt werden.
Neutralitätspolitische Bedenken
Der Abstimmung in der kleinen Kammer ging trotz des klaren Votums der Kommission eine rege Diskussion rund um die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Verteidigungsbündnis und hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der Schweizer Neutralität voraus. Einzelne Bürgerliche sprachen sich für eine Annahme der Motion und gegen eine Teilnahme der Schweizer Armee an Nato-Bündnisfallübungen aus.
Die Armee schütze die Schweiz an ihren eigenen Grenzen, nicht an den Nato-Aussengrenzen, sagte etwa Heidi Z’Graggen (Mitte/UR). Artikel 5 – also der Bündnisfall – sei zudem der Grundpfeiler der gesamten Nato-Allianz. Mit der Teilnahme an Nato-Bündnisfallübungen riskiere der Bund eine schrittweise Annäherung an die Nato, die in einer Integration enden könnte. Sie sehe nicht, wie so die Neutralitätsrechte bewahrt werden könnten.
Mit dem sogenannten Bündnisfall ist Artikel 5 des Nordatlantikvertrags gemeint. Darin steht, dass die Nato einen Angriff auf eines der Bündnisländer als Angriff gegen alle betrachtet. In einem solchen Fall würde die Nato dem angegriffenen Land Beistand leisten.
Werner Salzmann (SVP/BE) wiederum sagte, es reiche für die Erhaltung der Interoperabilität aus, wenn sich das höhere Kader der Schweizer Armee mit den Nato-Truppen austausche. «Für den einfachen Soldaten spielt es keine Rolle, ob er seinen Auftrag im Emmental oder im Thurgau erfüllt». Eine Teilnahme der Schweizer Milizsoldaten an Nato-Bündnisfallübungen würde laut Salzmann dazu führen, dass die Schweiz als Teil der Nato wahrgenommen wird.
Interoperabilität wird als zentral angesehen
Dem entgegnete etwa Josef Dittli (FDP/UR), dass unterdessen nahezu alle Übungen der Nato auf die Anwendung des Bündnisfalls nach Artikel 5 ausgerichtet seien. Inzwischen werde sogar der Krieg im Cyberraum unter Artikel 5 gestellt. Wenn man bei diesen nicht mehr teilnehmen dürfte, würde dies einen «gewaltigen Rückschritt» bedeuten. Es gehe schliesslich darum, die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken.
Auch Marianne Binder-Keller (Mitte/AG) sah die Interoperabilität der Schweizer Armee mit der Nato als zentral an. «Es ist ein Einsatz für Freiheit und Frieden in Europa», sagte die Ständerätin. Auch die Schweiz hätte im Falle einer Eskalation ihren Beitrag zu leisten, damit man die mit Europa gemeinsamen freiheitlichen Werte verteidigen könne.
Verteidigungsministerin Viola Amherd warnte im Rat davor, dass die Schweizer Streitkräfte bei einer Annahme der Motion nur noch an bilateralen Übungen teilnehmen könnten, welche die Schweiz mit Bezug auf ihre Verteidigungsfähigkeit nicht weiterbringen würden. Der Bundesrat muss bereits heute die Teilnahme an solchen Übungen genehmigen.
In der Sommersession hatte der Nationalrat die Motion seiner Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-N) noch angenommen. Mit der Ablehnung durch den Ständerat ist das Geschäft vom Tisch.
SDA/sas
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