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Unruhe im Militär
«Der Schweizer Luftraum ist ein Löchersieb»: Armee ist kaum verteidigungsfähig

Zwei FA-18 der Schweizer Luftwaffe bei einer Flugdemonstration während des Fliegerschiessens Axalp 2010, mit Leuchtraketen am Himmel.
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In Kürze:
  • Der Militärische Nachrichtendienst warnt vor möglichen russischen Angriffen auf Schweizer Infrastruktur.
  • Die Schweizer Luftverteidigung kann nur zwanzig Prozent des Luftraums effektiv schützen.
  • Drei von vier benötigten Artillerieabteilungen sind derzeit nicht vollständig einsatzbereit.
  • Von 134 Kampfpanzern sind nur 56 Stück für einen längeren Einsatz tauglich.

Die Schweiz als geschützte Insel in Mitteleuropa? Das war einmal. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Recherche der SRF-Sendung «DOK». Demnach habe sich die Sicherheitslage der Schweiz in wenigen Jahren verschlechtert, stellt der Militärische Nachrichtendienst (MND) fest.

Als Szenario dienen Indizien von ausländischen Nachrichtendiensten, wonach 2027 ein russischer Angriff auf Europa möglich sei, zum Beispiel auf den Nato-Partnerstaat Estland. Zu diesem Zweck könnten ballistische Raketen oder Kampfdrohnen aus der russischen Enklave Kaliningrad abgeschossen werden und mit ihrer Reichweite von 2000 Kilometern fast jeden Ort oder jedes strategische Ziel in Westeuropa erreichen.

Potenzielle Ziele in der Schweiz: kritische Infrastrukturen wie der Flughafen Zürich, Elektrizitätswerke, Datencenter oder das Bundeshaus. Der SRF-Film zitiert aus einer MND-Präsentation: «Die Potenziale für Angriffe aus der Distanz sind mittlerweile weltweit vorhanden.»

«Armee heute nicht verteidigungsfähig»

Das alarmiert hohe Schweizer Militärs. «Die Schweizer Armee ist nicht verteidigungsfähig in dem Zustand, in dem sie heute ist», sagt Divisionär Rolf André Siegenthaler, Chef Logistikbasis der Armee. Auch Thomas Süssli, Chef der Armee, warnt: Die Verteidigungsfähigkeit müsse wiedererlangt werden. Dafür seien 50 Milliarden Franken nötig. Die Bevölkerung müsse verstehen: «Die Zeitenwende, von der wir schon lange geredet haben, ist jetzt da.» Aber er beschwichtigt: «Die Schweizer Armee ist in keinem desolaten Zustand.» Süssli gibt seinen Posten Ende Jahr auf.

Eine Umfrage dieser Redaktion vor wenigen Wochen zeigte, dass die Schweizer Bevölkerung bereit ist, der Armee mehr Geld zur Verfügung zu stellen und dafür andernorts zu sparen.

Armeechef Thomas Süssli im Interview zu Verteidigungsplänen der Schweiz, aufgenommen im Bundeshaus Ost. Foto von Beat Mathys.

Trotzdem: Das wahrscheinlichste Szenario, «Luftangriff auf Distanz», könnte die Armee derzeit kaum abwehren. Drastisch drückt es Stefan Holenstein aus, Oberst im Generalstab und Präsident des Verbands militärischer Gesellschaften Schweiz: «Der Schweizer Luftraum ist ein Löchersieb.» Aktuell könnten maximal 20 Prozent der Fläche gegen Angriffe aus der Luft verteidigt werden.

Aktuell gebe es zwar keine Absichten, gegen die Schweiz vorzugehen. «Natürlich will Putin seine imperialen Grossmachtgelüste nicht in erster Linie an der Schweiz ausleben, indem er sie terrestrisch einverleibt», sagt Holenstein. Aber mit dem Krieg in der Ukraine sei die Machtpolitik zurück. Man müsse das Undenkbare denken.

Auch der Nachrichtendienst schreibt: «Absichten können sich schnell ändern.» Und ergänzt: «Viel schneller, als die Schweizer Armee entsprechende Systeme zum Schutz vor solchen Bedrohungen beschaffen und einführen könnte.»

Die Schweiz erhält die F-35 nicht vor 2027

Die Luftwaffe der Armee wird derzeit erneuert, doch vor 2027 wird keiner der bestellten Kampfjets des Typs F-35 geliefert. Ebenso wenig das Patriot-Luftabwehrsystem – während die Bodenabwehr in den letzten 30 Jahren kontinuierlich abgerüstet wurde. Gewisse Panzerhaubitzen etwa stehen seit 1968 im Dienst.

Thomas Süssli bestätigt, dass nur eine von vier Artillerieabteilungen vollständig ausgerüstet werden kann, die laut MND im Kriegsfall mindestens nötig wären. Der Grossteil der restlichen Panzerhaubitzen, sagt Stefan Holenstein, «rollen schon gar nicht mehr oder fallen auseinander, wenn sie im Einsatz sind». Der Chef der Armee gesteht: «Wenn die Truppe mit zehn Haubitzen in eine Übung geht, kommen in der Regel nur drei zurück, die funktionieren.» Seine Pointe: «Einige unserer Haubitzen sind so alt wie ich.»

Gleich verhält es sich mit Panzern. Süssli bestätigt, dass von sechs Kampfpanzer-Bataillonen, die im Ernstfall benötigt würden, nur zwei vollständig ausgerüstet werden können. 168 Kampfpanzer bräuchte die Armee, um alle Bataillone auszurüsten. Auf der VBS-Seite sind aber nur 134 sogenannte werterhaltene Kampfpanzer vom Typ 87 Leo WE aufgeführt. Und: Laut Armee seien nur 56 von diesen Panzern im Ernstfall durchhaltefähig.