Nato-ErweiterungSchweden und Finnland gehen Hand in Hand Richtung Nato
Schweden war in der Nato-Debatte bisher zögerlicher als Finnland. Nun aber macht die schwedische Regierung Tempo. Kommt es zu einem gemeinsamen Beitrittsantrag?
Welchen Unterschied ein paar Wochen machen. Am 8. März noch schloss Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson eine Nato-Mitgliedschaft Schwedens praktisch aus. Ein Beitritt in der jetzigen Situation würde «destabilisierend» wirken, sagte Andersson.
Jetzt, Ende April, sieht das ganz anders aus. Immer mehr Beobachter prophezeien einen Sinneswandel der Premierministerin und ihrer sozialdemokratischen Partei und einen Beitrittsantrag schon für die nächsten Wochen.
Dazwischen lagen mehrere Wochen unbarmherzigen russischen Angriffskrieges, stetiger Druck der bürgerlichen Opposition in Stockholm, die längst auf einen Nato-Beitritt drängt – vor allem aber die Zeitenwende im benachbarten Finnland, wo das Parlament seit Wochen schon über einen Nato-Beitritt debattiert und Präsident Sauli Niinistö eine «gigantische Mehrheit» der Abgeordneten für einen solchen vorhersagt. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Erstmals ist eine Mehrheit der Finnen für Nato-Beitritt».)
In der Nato-Frage möchte Schweden Schritt halten mit Finnland.
Finnland und Schweden aber, das war das Paar der Bündnisfreien im Norden, zwischen denen es lange eine Übereinkunft gab, in Sachen Nato gemeinsam zur marschieren. Dass die Finnen angesichts des Krieges und 1300 Kilometern gemeinsamer Grenze mit Russland so schnell bereit waren, sich in den Prozess zu werfen, der am Ende wohl zu einem Beitrittsantrag führt, schien die schwedische Regierung überrascht zu haben.
Vielleicht taten sich Schwedens Sozialdemokraten angesichts der 200-jährigen Neutralität ihres Landes, die bis heute als grosse Erfolgsgeschichte und Teil der Identität des Landes empfunden wird, auch ein Stück schwerer als die finnischen Nachbarn darin, alte Gewissheiten über Bord zu werfen.
Jetzt könnte ein Antrag für Nato-Beitritt schnell folgen
Nun aber scheint Stockholm schnell nachziehen zu wollen. Die finnische Zeitung «Iltalehti» berichtete am Dienstag, die schwedische Regierung habe Finnlands Führung gebeten, im Falle des erwarteten positiven Beschlusses zur Nato in Helsinki doch bitte noch ein wenig auf Schweden zu warten, damit man gemeinsam den Antrag bei der Nato einreichen könne. Die schwedische Zeitung «Expressen» bestätigte diese Bitte.
Es könnte alles eine Sache von nur mehr wenigen Wochen sein, im Mai werden die Ereignisse Schlag auf Schlag erfolgen. Für den 3. Mai hat Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin eine Rede angekündigt, in der sie wohl erstmals ihre Haltung zu einem Nato-Beitritt öffentlich machen wird. Sanna Marins Aussage, «Russland ist nicht der Nachbar, von dem wir dachten, er sei es», ist einer der meistzitierten auch in der schwedischen Debatte.
Die finnische Entscheidung könnte Tage danach schon fallen. Bereits in der Woche vom 16. Mai dann könne es zu einem Beitrittsantrag kommen, schrieb «Iltalehti» unter Berufung auf Regierungskreise. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Moskau warnt vor Konsequenzen bei Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens».)
Auch Schweden wartet derweil auf eine öffentliche Stellungnahme der Sozialdemokraten und ihrer Premierministerin, die sich bislang bedeckt hält. Es ist wohl kein Zufall, dass die Regierung in Stockholm die Vorstellung ihres Berichtes zur neuen sicherheitspolitischen Lage und zur Nato-Frage mittlerweile vorgezogen hat von Ende Mai auf den 13. Mai: Man möchte Schritt halten mit den Finnen, ausserdem sind im September Parlamentswahlen in Schweden. Magdalena Andersson möchte das Nato-Thema auch deshalb so schnell wie möglich erledigt wissen: Es soll der Opposition keine Wahlkampfmunition liefern.
«Putins Krieg zeigt, dass wir der Nato beitreten müssen.»
Kurz vor dem 13. Mai wollen sich die Sozialdemokraten als Partei erstmals offiziell positionieren. Traditionell sah sich die Partei als Verteidigerin der Bündnisfreiheit, aber die Zeichen stehen auch bei den Sozialdemokraten auf Sinneswandel. Die ehemalige Aussenministerin Margot Wallström hat schon erklärt, sie neige «zu einem Ja». Am Dienstag nun erklärte mit Sozialminister Ardalan Shekarabi erstmals ein amtierender Minister die Nato zur wohl besten Garantie für Schwedens Sicherheit.
Wachsende Zustimmung zu Nato-Beitritt
Das sozialdemokratische Boulevardblatt «Aftonbladet» hatte den Kurswechsel schon letzte Woche vollzogen: «Putins Krieg zeigt, dass wir der Nato beitreten müssen», war der Leitartikel überschrieben, der erklärte, die alte Sicherheitsordnung, auf der Schwedens Bündnisfreiheit basiert habe, sei «vor unseren Augen in Butscha, Charkiw und Mariupol zerbombt worden».
Einer Umfrage des «Svenska Dagbladet» zufolge sind mittlerweile 47 Prozent der Schweden für einen Nato-Beitritt – und nur mehr 21 Prozent dagegen. Die Zeitung fragte die Befragten auch nach ihrer Haltung für den Fall eines baldigen finnischen Jas zur Nato – dabei schnellt die Zahl der Befürworter sogar hoch von 47 auf 59 Prozent. «In der Praxis ist es doch so», schrieb «Aftonbladet» vor ein paar Tagen: «Wenn Finnland beitritt, aber nicht Schweden, dann werden wir ein kleines, ungeschütztes Land zwischen vielen Nato-Staaten sein.»
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