EU-Kritik des Alt-Bundesrats«Schneider-Ammann bringt ein berechtigtes Anliegen ein»
Die FDP verteidigte das institutionelle Rahmenabkommen besonders deutlich. Macht sie nun eine Kehrtwende? Johann Schneider-Ammann bekommt in der Partei Zustimmung.
Johann Schneider-Ammann, Alt-Bundesrat seit Anfang 2019, erstaunte am Wochenende mit einem Gastbeitrag in der NZZ. Darin kritisiert der Freisinnige das Verhandlungsergebnis des institutionellen Rahmenabkommens zwischen der Schweiz und der EU. Nicht nur müssten gewisse Punkte nachverhandelt werden, schreibt er, sondern es müsse auch die grundsätzliche Frage der staatlichen Souveränität thematisiert werden.
Seit Monaten wird über das institutionelle Rahmenabkommen offiziell nicht mehr gesprochen. Erst nach dem Entscheid zur Begrenzungsinitiative am kommenden Sonntag sollen die Verhandlungen weitergehen.
Schneider-Ammanns Intervention erstaunt, weil sich die FDP von allen Regierungsparteien am deutlichsten hinter das Ende 2018 publizierte Verhandlungsergebnis gestellt hatte. Im Februar 2019 entschied sich die FDP-Fraktion zu einem klaren Ja zum Verhandlungsergebnis beim institutionellen Rahmenabkommen. Das teilte die Partei damals mit. Der klare Entscheid hing wohl auch mit der Zuständigkeit des anwesenden FDP-Aussenministers Ignazio Cassis zusammen.
Nun tritt Alt-Bundesrat Schneider-Ammann medienwirksam auf die Bremse. Warum so prominent, und warum gerade jetzt? Vielleicht sei gerade der Zeitpunkt wichtig, sagt Hans-Ulrich Bigler, Alt-Nationalrat der FDP und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. «Jetzt wird er noch gehört. Nach der Abstimmung werden sich auch andere dazu äussern.» Jedenfalls decke sich die Meinung von Schneider-Ammann neuerdings vollumfänglich mit jener des Gewerbeverbands, stellt Bigler zufrieden fest. Der Gewerbeverband ist in der Regel EU-kritischer als die anderen grossen Wirtschaftsverbände.
Kehrtwende der FDP?
Markiert Schneider-Ammanns Stellungnahme eine Umkehr der FDP im Europadossier? «Es gibt keinen neuen Beschluss in dieser Frage», sagt Fraktionschef Beat Walti. In früheren Gesprächen mit dem damaligen Bundesrat Schneider-Ammann habe er dessen kritische Haltung immer herausgespürt. Ähnlich äussert sich auch Ständerat Damian Müller, Präsident der Aussenpolitischen Kommission. «Es ist seine persönliche Meinung, die er hier vertritt, und die hat er immer vertreten. Doch er war als Bundesrat eben auch ans Kollegium gebunden.»
Nationalrat Hans-Peter Portmann wurde vom Beitrag in der NZZ überrascht, wie er sagt. Portmann ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission und dort Dossierführer der FDP-Delegation. Er habe nichts gewusst vom Vorhaben Schneider-Ammanns, und auch andere FDP-Fraktionsmitglieder wussten nichts, wie sie auf Anfrage sagen.
Ohne Garantie kein Ja
Jedenfalls bringe Schneider-Ammann ein berechtigtes Anliegen ein, sagt Portmann. «Jedes bilaterale Verhältnis bringt einen Souveränitätsverlust mit sich. Niemand weiss das besser als Johann Schneider-Ammann, der in Gremien der Weltbank, der WTO und anderen sass. Dort gibt es auch keine Streitbeilegung vor einem schweizerischen Gericht, und niemand stört sich daran. Es ist aber eine Tatsache, dass wir mit solchen Institutionen und Verträgen ein Stück Souveränität aufgeben.»
Es sei müssig, ohne ein definitives Verhandlungsergebnis schon zu urteilen, sagt Portmann, und potenziell sogar schädlich. Es sei klar, dass der Bundesrat ab dem 28. September das Dossier vorantreiben und von der EU die Garantien einfordern müsse.
Garantien heisst Zugeständnisse in Punkten, die der Schweiz wichtig sind: beim Lohnschutz, bei der Unionsbürgerrichtlinie und bei den staatlichen Beihilfen. «Bisher dachten wir immer, der Lohnschutz sei die grösste Knacknuss», sagt Portmann. Doch mittlerweile zeichne sich ab, dass die Verhandlungen bei der Unionsbürgerrichtlinie noch zäher würden. Und dort gebe es für die FDP keinen Spielraum. «Nur wenn wir von der EU eine Garantie bekommen, dass die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie nicht generell übernehmen muss, können wir dem Rahmenabkommen zustimmen.»
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