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Meinung

Kommentar zum CS-Untergang
Schluss mit dem Sondersetting für Grossbanken

Skrupellose Banker prägen das Image: Leonardo DiCaprio spielt den Aktienhändler Jordan Belfort im Hollywood-Film «The Wolf of Wall Street» von 2013.
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Seit der Rettung der UBS in der Finanzkrise 2008 strapazieren die Banker unsere Aufmerksamkeit – wie ein schwieriger Jugendlicher, der Eltern, Sozialarbeiter, Polizei, Behörden und Gerichte überbeansprucht und ohne teures Sondersetting nicht zu bändigen ist.

Rechtfertigen lässt sich dies nur mit der Gefahr, welche die Grossbanken für das Finanzsystem darstellen. Die Bilanzsumme der neuen UBS ist doppelt so gross wie die Wirtschaftsleistung der Schweiz. 

Längst nicht mehr rechtfertigen lässt sich der Aufwand für die Grossbanken mit ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung – die nimmt nämlich ständig ab. In den letzten zwanzig Jahren sank der Anteil der Banken an der gesamten Wertschöpfung der Schweiz von über 7 auf 3,8 Prozent, jener von UBS und CS von 3,1 auf 1,2 Prozent.

Die anderen grossen Finanzdienstleister, die Versicherungen, sind mit ihrem Anteil von 4,2 Prozent volkswirtschaftlich mittlerweile bedeutender. Die Zurich-Versicherung ist an der Börse 20 Prozent mehr wert als die UBS mit ihrer viermal so grossen Bilanzsumme.

Nur Politiker, Fussballspieler und Werbeleute geniessen weniger Vertrauen als Banker, Finanz- und Versicherungsberater.

Die grossen Versicherer sind Gewinnmaschinen, wie man etwa an den Prachtbauten am Zürcher Mythenquai erkennen kann. Ihre Topmanager kassieren ähnliche Summen wie die Kollegen bei den Grossbanken – und sie sind genauso bonusgetrieben. Der variable Lohnanteil für Zurich-Chef Mario Greco war im Geschäftsjahr 2022 mehr als viermal so gross wie sein Fixlohn. Genau gleich war das Verhältnis beim letztjährigen UBS-Chef Ralph Hamers.

Trotzdem stehen sie weit weniger im Rampenlicht. Sie benötigen kein ständiges Sondersetting. Ihr Image ist intakt. Warum ist die Wahrnehmung der beiden Branchen so verschieden? 

Noch in den 60er-Jahren war der rechtschaffene Bankbeamte besser angesehen als der windige Versicherungsvertreter. Im Spielfilm «Der Herr mit der schwarzen Melone» spielte Walter Roderer, Inbegriff des Bünzli-Darstellers, den Bankangestellten. 

Doch das änderte sich rasch. Der Chiasso-Skandal der Credit Suisse 1977 hatte einer neuen Generation von Bankern den Weg an die Spitze freigeräumt. Unter Rainer E. Gut kaufte sich die CS 1978 bei einer der aggressivsten Wall-Street-Banken ein, der First Boston. Die CS sollte mit ihr zu einem der weltweit grössten Finanzdienstleister aufrücken und bei den «Masters of the Universe» mitspielen. Die amerikanische Bonuskultur hielt Einzug: Zahlt sich das Risiko aus, gewinnen die Banker, gibt es Verluste, zahlen die Aktionäre.

Versicherungsangestellte gelten als langweilig, bieder und brav, wie Jim Carrey in «Die Truman Show» oder Ben Stiller in «… und dann kam Polly».

Den Banker der 80er-Jahre verkörperte Michael Douglas alias Gordon Gecko im Film «Wall Street» von 1987. Sein Motto: «Gier ist gut.» In der Parlamentsdebatte zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS verglich SP-Ständerätin Eva Herzog die CS-Banker mit dem von Leonardo DiCaprio im Hollywood-Film «Wolf of Wall Street» gespielten Aktienhändler Jordan Belfort, dessen Skrupellosigkeit das Bild des Bankers in den 90er-Jahren prägte. 

Dagegen gelten Versicherungsangestellte als langweilig, bieder und brav, wie Jim Carrey in «Die Truman Show» oder Ben Stiller in «… und dann kam Polly». 

Bieder, brav, langweilig: Jim Carrey spielt einen Versicherungsvertreter im Hollywood-Film «The Truman Show» von 1998.

Zwar versuchten ehrgeizige Manager, das langweilige Image abzustreifen und ebenfalls zu den ganz Grossen in den USA aufzurücken. Doch anders als bei der CS spielten die Aktionäre letztlich nicht mit.

1997 fusionierte der damalige Zurich-Chef Rolf Hüppi die Versicherung mit einem US-Vermögensverwalter und einer Finanzabteilung zum Allfinanzkonzern «Zurich Financial Services Group». Nach Milliardenverlusten setzte sein Nachfolger den Allfinanzträumen ein Ende, seither heisst sie wieder Zurich Insurance Group. 

Auch dem ehemaligen Investmentbanker Jacques Aigrain, ab 2006 Chef der Swiss Re, war die Versicherung «zu langweilig». Er setzte auf riskante Finanzgeschäfte, die prompt ein Milliardenloch in die Bilanz rissen. Die Rettung kam damals vom US-Investor Warren Buffett. 

Die Finanzmärkte dienen sowohl umsichtigen Versicherern als auch rücksichtslosen Spielern, sie ermöglichen sowohl Risikodiversifikation als auch Wetten. Es ist kein Zufall, dass das Glücksspiel, die Börse und das Versicherungswesen einen gemeinsamen Ursprung in den Londoner Kaffeehäusern des 17. Jahrhunderts haben.

Milliardenverluste und eine schärfere Aufsicht zwangen die Versicherer zur Besinnung. Was sonst passiert wäre, zeigte der Fall des weltgrössten Versicherers AIG, der nach dem Platzen seiner Finanzwetten 2008 vom amerikanischen Staat gerettet werden musste. 

Die «langweiligen» Versicherungen könnten Vorbild sein für die neue Monsterbank UBS.