Meinung zum neuen Kurs von SRFSchluss mit dem Eiertanz
SRF-Direktorin Nathalie Wappler zeigt ohne Umschweife, wie das SRF digitalisiert werden soll. Und stellt damit der Politik eine Aufgabe.
Jahrelang gab es einen Eiertanz um das Onlineangebot der SRG. Mit dem Internet hatte niemand gerechnet, als vor 40 Jahren in der schweizerischen Medienpolitik die Aufgaben verteilt wurden: Private machen Zeitungen, der Staat organisiert Radio und Fernsehen.
Doch seit 20 Jahren spielt die Musik im Internet. Und seit 20 Jahren gibt es zwischen privaten Medien und der SRG ein Gezerre darum, was die SRG im Internet soll und darf. Onlineartikel der SRG wurden in der Länge beschränkt (maximal 1000 Zeichen, wenn sie sich nicht auf eine Sendung beziehen), ein Institut der Universität Zürich wurde eigens damit beauftragt, die Einhaltung dieser Vorgabe mit einem Monitoring zu überwachen. Nach gewonnener No-Billag-Abstimmung im März 2018 kündigten SRG-Generaldirektor Gilles Marchand und Präsident Jean-Michel Cina einen freiwilligen Teilrückzug aus dem Onlinebereich an. Beschwichtigung statt Angriff.
Damit ist jetzt Schluss. Die Pläne von Nathalie Wappler, Direktorin des Deutschweizer Senders SRF, sind glasklar und knallhart: weg vom traditionellen Radio- und TV-Angebot, von Folklore und Special-Interest-Kultur, hin zur digitalen Offensive. Den 50-jährigen Literaturredaktor braucht es nicht mehr; der 25-jährige Daten-Experte ist jetzt gefragt. 95 Stellen baut das SRF zusätzlich ab, über die Stellen hinaus, die aus Spargründen gestrichen werden. Und baut die 95 Stellen an anderen Orten wieder auf. Das SRF hat es auf die Leser der privaten Medienhäuser abgesehen. Der Nachrichtenmarkt sei gesättigt, heisst es in einem internen Papier. Neue Onlineleser gewinne man nur, indem man sie der Konkurrenz abspenstig mache.
Macht es Sinn, dass der Bund Zeitungen rettet und gleichzeitig die SRG gewähren lässt, die die Zeitungshäuser im Markt angreift?
Wäre die SRG ein freies Unternehmen im freien Markt, ohne gesetzlichen Auftrag und staatliche Alimentierung – die neue Strategie wäre nichts als logisch. Doch im Fall der SRG spielen ein paar weitere Faktoren mit. Aus politischer Sicht hat Wapplers Ankündigung den Vorteil, dass sie Klarheit schafft. Das Parlament beschäftigt sich derzeit mit der Frage, wie der Bund private Medien – also Zeitungshäuser – unterstützen soll. Die Vielfalt hat abgenommen, es sollen nicht noch mehr Zeitungen verschwinden. Sogar eine direkte Förderung von Onlinemedien steht zur Diskussion. Macht es nun Sinn, dass der Bund Zeitungshäuser mit Subventionen rettet und gleichzeitig die SRG gewähren lässt, die die Zeitungshäuser im Lesermarkt angreift? Eher nicht.
Solche Projekte haben oft etwas Anbiederndes, Verkrampftes.
Dass das SRF sein Angebot für das jüngere Publikum ausbaut, ist nachvollziehbar. Die SRG ist für die ganze Bevölkerung da, und sie hat das jüngere Publikum tendenziell vernachlässigt. Gleichzeitig enttäuscht der Sender aber Literaturfreunde und Kirchen. Wohl eine simple Rechnung: Es gibt mehr Junge (notabene unter 45-Jährige) als Zuhörer der gestrichenen Religions- und Büchersendungen. Ob es funktioniert, ist aber fraglich. Auch andere Medienhäuser versuchen das jüngere Publikum anzubinden, mit mässigem Erfolg. Solche Projekte haben oft etwas Anbiederndes und Verkrampftes. Man könnte der jüngeren Leser- beziehungsweise Nutzerschaft durchaus mehr Interesse an Relevanz und Tiefe zutrauen. Zudem ist das bestehende SRF-Angebot ein sicherer Wert. Es könnte zusätzlich auf Kanälen verbreitet werden, die unter 45-Jährige vermehrt frequentieren.
Sicher ist: Die SRG-Konzession und wohl auch das Radio- und TV-Gesetz sind veraltet. Sie regeln das Verhältnis von SRG und privaten Medien nicht klar genug und definieren die Handlungsfreiheit der SRG im Internet zu oberflächlich. Das Parlament muss dies nachholen. Am besten mit einer Formulierung, die für die nächsten zehn Jahre hält.
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