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Kündigungen bei Swiss
Schlechte Stimmung in der Kabine

Die Arbeit wird immer anstrengender, die Ruhezeiten aber kürzer. Jetzt wollen sich die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter wehren.
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Es war das sprichwörtliche Tröpfchen, das das Fass zum Überlaufen brachte: In einem internen Rundschreiben beklagten die Leiter der Kabinencrew «zunehmend auffällige Kurzfristabsenzen» bei einigen Angestellten. Sie kündigen an, dass die betreffenden Leute zu einem Gespräch zitiert würden. Und: dass diese in Zukunft bereits bei Kurzabsenzen ein Arztzeugnis vorlegen müssten.

Als sie das Rundschreiben lasen, platzte vielen Kabinenangestellten der Kragen. Eine Flugbegleiterin, wir nennen sie hier Christine, sagt: «Das unverhohlene Misstrauensvotum unserer Vorgesetzten war für uns wie ein Schlag ins Gesicht.» 

Vergangenen Mittwochabend in einem Flughafenhotel: Rund 200 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter treffen sich zu einer Aussprache – weitaus mehr, als der Vorstand der Gewerkschaft Kapers erwartet hatte. Die Stimmung ist aufgeheizt. Und der Tenor eindeutig: So kann es nicht weitergehen. Die Angestellten unterzeichnen an diesem Abend einen Brief an den Swiss-Geschäftsführer Dieter Vranckx. Sie stecken sich einen Pin mit dem Foto einer bitte nicht weiter auszupressenden Zitrone ans Revers. Und sie sammeln Ideen für weitere Protestaktionen – von kleinen wie dem Pin bis zu einer Demonstration. 

«Auf meinen letzten Flügen war immer ein Teammitglied dabei, das bald nicht mehr fliegt.»

Christine, Flugbegleiterin

«Viele Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sind wegen der hohen Belastung am Anschlag», sagt Jörg Berlinger, Mediensprecher der Gewerkschaft Kapers. Gefragt seien Zeichen der Unterstützung. «Stattdessen verschickt die Unternehmensleitung ein ruppig formuliertes Misstrauensvotum. Die Stimmung beim Kabinenpersonal ist sehr schlecht.» Er habe mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen gesprochen, die sich überlegten, zu kündigen. Auch Flugbegleiterin Christine schildert: «Auf meinen letzten Flügen war immer ein Teammitglied dabei, das bald nicht mehr fliegt.»

Laufen der Swiss die Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter davon – jetzt, da die Fluggesellschaft nach zwei herausfordernden Pandemiejahren allmählich wieder auf Touren kommt? «Die Fluktuation bewegt sich aktuell im gleichen Rahmen wie bereits vor und während der Pandemie», sagt Swiss-Mediensprecher Michael Stief. Und er versichert: «Derzeit steht genügend Personal zur Verfügung.»

Um dem erwarteten Aufkommen zu begegnen, werde die Swiss «neue Cabin Crew Member im dreistelligen Bereich» einstellen. Ab April kehre an den Standorten Zürich und Genf über die Hälfte der ehemaligen Crew-Mitglieder zurück, die das Unternehmen zuvor entlassen hatte.

Personalengpass ein halbes Jahr nach der Massenentlassung

In der Kabine bestehe ein hausgemachter Personalnotstand, kritisieren sowohl der Gewerkschafter wie auch die Flugbegleiterin. Während der Pandemie hat die Swiss ein grosszügiges Programm zur Frühpensionierung ausgeschrieben. Viele ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Angebot angenommen. Fast gleichzeitig führte die Geschäftsleitung eine Massenentlassung durch: Im Sommer verloren über 330 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter ihre Anstellung.

«Wir haben die Swiss damals darauf hingewiesen, dass spätestens im Sommer 2022 ein Engpass droht», sagt Kapers-Mediensprecher Jörg Berlinger. Als umso störender empfinden es nun einige Angestellte, dass trotz allmählich besserer Pandemiesituation Kabinenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen, entlassen werden sollen. 

«Das Management hat die Situation falsch eingeschätzt», urteilt Flugbegleiterin Christine. «Doch wir sind es, die die Fehler nun ausbaden.» Das gehe ans Lebendige. Christine weist auf die «sehr schlechte Stimmung im Korps hin». Nicht bloss wegen des Misstrauensvotums der Vorgesetzten, sondern wegen der mit der Krisenvereinbarung zwischen der Swiss und der Gewerkschaft verschlechterten Arbeitsbedingungen: In der Kabine kommt eine Person weniger zum Einsatz. Damit wird die Arbeit für die einzelnen Angestellten intensiver.

Kommt hinzu, dass die Flugzeuge derzeit gut ausgelastet sind und die Betreuung der Passagiere in Corona-Zeiten anspruchsvoller und anstrengender ist. Während sich Crews früher nach langen Flügen erholen konnten, geht es nun nach einer Nacht im Hotel mit demselben Flugzeug bereits wieder zurück. Das nimmt der Arbeit ihren Reiz. Und das ist insbesondere bei Reisen mit Zeitverschiebung sehr anstrengend. 

Übermüdet zur Arbeit im Flugzeug

Christine erzählt von körperlich und psychisch erschöpften Kolleginnen und Kollegen. Früher galt: Wer sich nicht in der Lage sieht, auf einem Flug auch eine schwierige Situation wie etwa eine Evakuation bewältigen zu können, muss einen sogenannten Fatigue-Report machen und zu Hause bleiben. «Heute wagen sich viele Kolleginnen und Kollegen aus Angst vor Konsequenzen nicht, vom Dienst abzumelden.» 

Das gibt auch dem Gewerkschaftsvertreter zu denken. «Sicherheit hat absolute Priorität», sagt Jörg Berlinger. Und er macht unmissverständlich klar: «Die Swiss geht bei den Ruhezeiten und bei der Grösse der Kabinencrew hart an die Grenze von dem, was wir in unseren Reglementen festgelegt haben.»  

Die Arbeitsbedingungen seien derzeit für alle Mitarbeitenden sehr anspruchsvoll und herausfordernd, sagt Swiss-Mediensprecher Michael Stief. «Wir werden unseren Kabinenbesatzungen in der kommenden Woche aber kommunizieren, mit welchen Massnahmen wir der angespannten Situation begegnen wollen.» Im Falle des fliegenden Personals stellten die gesetzlichen und gesamtarbeitsvertraglichen Regelungen sicher, dass sich alle genügend erholen könnten. «Zudem hat jedes Cabin Crew Member die Möglichkeit und Pflicht, sich von einem Flugeinsatz abzumelden, sofern es sich nicht ‹fit to fly› fühlt.»