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Neue Schauspielhaus-Chefs
«Diversität ist für uns Alltag, schauen Sie sich unsere Namen an!»

Pinar Karabulut (Links) und Rafael Sanchez sprechen mit den Medien am Freitag, 8. Dezember 2023, in der Schiffbau-Halle des Schauspielhauses Zuerich. Pinar Karabulut und Rafael Sanchez werden ab der Spielzeit 2025/2026 die Co-Intendanz des Schauspielhauses Zuerich uebernehmen. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Nach dem Knall ist die Stimmung im Schauspielhaus gespalten, wie man hört. Die Nichtverlängerung des Intendantenvertrags von Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg wurde dort sehr unterschiedlich aufgenommen. Als rundum freudiger Anlass gestaltete sich im Schiffbau dagegen das Mediengespräch mit dem designierten Intendantenduo Pınar Karabulut und Rafael Sanchez, das im Sommer 2025 in Zürich loslegt.

Die beiden konnten jetzt schon mit ihrem Kommunikationsstil punkten. Und Beate Eckhardt, Co-Präsidentin des Verwaltungsrats der Schauspielhaus Zürich AG, sowie Rebekka Fässler, Co-Direktorin Kultur der Stadt Zürich und Verwaltungsrätin, taten das Ihre für Transparenz – und gegen alle Gerüchte über kurzfristig geplatzte Verhandlungen.

So erfuhr man, dass zwei Dutzend Bewerbungen eingegangen waren. Für die zweite Interviewrunde hatte man diese bereits auf drei Bewerbungsdossiers herunterselektiert. Die Bewerbenden mussten unter anderem einen Musterspielplan ausarbeiten, 220 Fragen zu ihrem Charakter beantworten, ihre Motivation spezifisch für Zürich darlegen, Managerqualitäten belegen. Am Ende blieben zwei Bewerbungsdossiers übrig, welche die Findungskommission dem Verwaltungsrat zur Auswahl vorlegte: Dieser entschied einstimmig für Karabulut und Sanchez, bei einer Enthaltung.

Das Intendantenduo in spe strahlte ob dieser Mitteilung, die auch für die beiden News waren – und Sanchez kündigte verschmitzt an, er werde sich das Motto «Luft nach oben als Chance», das er über ihre Intendanz in der Presse gelesen habe, zu eigen machen. Viele Pläne des Duos müssen erst noch ausreifen, aber einige Pflöcke hat es bereits eingeschlagen.

Fokus aufs Sprechtheater

So geht es für beide in Ordnung, dass der Verwaltungsrat aus finanziellen Gründen auf Tanzcompagnien, eine Art Zweispartenhaus, verzichtet. «Theater ist das politischste Medium, das es gibt; es verbindet Tagespolitisches und Vergangenes», sagte Karabulut. «Dabei möchten wir exzellentes Regietheater bieten – mit dem Fokus auf Sprechtheater. Dies mit einem starken Ensemble und kraftvollen Regiehandschriften.» Das Publikum solle sich an Lieblingsschauspieler und, via Werkzyklen, an Stoffe binden können; zudem setze man auch auf «Schweizer Urgesteine».

Sanchez, der 2004 bereits am Schauspielhaus inszeniert hat («Hinter den sieben Gleisen» nach Kurt Früh), bekannte sich ebenfalls dazu, dass Theater die «Bruchstellen der Gesellschaft» beleuchten müsse – ohne dabei die Klassiker zu vernachlässigen.

Es gelte, das neu gewonnene junge Publikum zu halten und das verlorene Stammpublikum zurückzugewinnen: Eine anspruchsvolle Aufgabe, das sei ihm klar. Dazu werde man auch bekannte Regisseure einladen. «Mit dem Schauspielhaus im Rücken, da rufen wir die Namen, bei denen wir uns vorher nie getraut haben, ganz einfach an!» Wichtig sei ausserdem, den Nachwuchs zu pflegen – sowohl denjenigen im Publikum als auch denjenigen im Betrieb.

«Und wenn ich was nicht weiss, dann rufe ich den Uli an», das habe er früher schon so gemacht. Uli – Ulrich Khuon – übernimmt als Interimsintendant die Leitung der Spielzeit 2024/25 und versteht sich, wie er am Mediengespräch sagte, als Brückenbauer. Khuon und Sanchez kennen sich seit langem vom Deutschen Theater Berlin, und auch Sanchez und Karabulut hatten früh eine Arbeitsbeziehung: Sie assistierte 2011 am Theater Neumarkt, als er dort Co-Direktor war.

Die Grossmutter als Korrektiv

Überhaupt sind Karabulut und Sanchez, bei allem Bekenntnis zu bunten Klassiker-Überschreibungen, politischer Kunst und progressiven Ansätzen, keine Bilderstürmer. Sanchez hat, wie er betont, den Blickwinkel seiner Grossmutter, einer einfachen Eierverkäuferin, als imaginäres Korrektiv stets im Kopf. Gleichzeitig sei man ja auch schon wieder einen Schritt weiter im Diskurs als die Vorgänger: «Diversität ist für uns Alltag, schauen Sie sich doch unsere Namen an!»

Das neue Leitungsduo wird die Position der Diversitätsbeauftragten behalten, die für sie selbstverständlich dazugehört. Aber man müsse das Thema nicht mehr vor sich hertragen, so Sanchez: «Diversität kommt automatisch, schon durch die Geschichten, die man repräsentiert.» Karabulut erzählte später, dass sie selbst schon Diskriminierung erlebt hat.

Dass der Umbau des Pfauen – der Cashcow des Hauses – womöglich noch in ihrer Intendanz geschieht, macht Karabulut und Sanchez nicht bang: Wer das Umbauchaos am Theater Köln durchgestanden habe, den schrecke nichts mehr. Am Ende sei die Ausweichsstätte für Köln gar ein Gewinn gewesen. Das Schauspiel Köln verzeichne inzwischen wieder ebenso viele Besuchende wie vor der Corona-Pandemie!