Überraschende InterimslösungDas ist der neue Intendant des Schauspielhauses Zürich
Nach dem lauten Ende der Ära Stemann/von Blomberg folgt ab Sommer 2024 eine Übergangssaison mit Ulrich Khuon (72). Er wolle Theater für die Stadt machen, nicht für die Blase, so der Deutsche.
«Mir ist bewusst, dass dies keine unkomplizierte Situation ist», sagte Ulrich Khuon am Mittwoch an der kurzfristig einberufenen Medienkonferenz des Schauspielhauses Zürich. Markus Bachofen, Co-Präsident der Schauspielhaus Zürich AG, präsentierte mit dem langjährigen Intendanten des Deutschen Theaters Berlin nämlich nicht einen von langer Hand geplanten Nachfolger für die gegenwärtigen Schauspielhaus-Chefs Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg, die im Sommer 2024 das Haus verlassen. Sondern, überraschend, «nur» einen Interimsintendanten für die Spielzeit 2024/25.
Die reguläre Intendanz ab Sommer 2025 soll durch die Findungskommission bis Ende Jahr gefunden werden. Warum dann überhaupt die von Misstönen begleitete Nicht-Verlängerung des Vertrags mit Stemann und von Blomberg? Man habe versucht, alles anders zu organisieren, so Bachofen, der den Interimschef gewinnen konnte. «Das wäre der Wunsch gewesen, aber es hat nicht geklappt.» Jetzt nehme man sich für die seriöse Suche die nötige Zeit. Betriebswirtschaftlich gesehen nicht die günstigste Lösung.
Eine reguläre Intendanz will Khuon nicht
Dass Ulrich Khuon, 1951 in Stuttgart geboren, ab 1988 erstmals Intendant (in Konstanz), Mitglied in zahlreichen wichtigen Jurys und jahrelang Präsident des Deutschen Bühnenvereins, als «alter weisser Mann» nicht gerade das Versprechen von Diversität, Wandel und Repräsentation von Minderheiten erfüllt, ist klar. Man habe ausführlich miteinander darüber gesprochen, erklärte Bachofen. «Der Markt ist relativ klein, und in dieser Transformationssituation einer Interimsphase braucht es jemanden mit ausgewiesenen Führungsqualitäten wie Khuon.» Dieser habe zudem seine Offenheit gegenüber solchen Fragen bereits vielfältig unter Beweis gestellt.
Hier hakte der 72-Jährige ein, der unter anderem geholfen hat, den «Wertebasierten Verhaltenskodex des Deutschen Bühnenvereins zur Prävention von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch» sowie die deutsche unabhängige Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in der Kultur- und Medienbranche zu entwickeln. Er habe es schon immer für falsch gehalten, dass Männer selbstverständlich die Machtpositionen besetzten. Und seine Teams seien durchaus divers aufgestellt.
Khuon will ein Theater für die Stadt machen, nicht für die Blase. Mit Agitationskunst habe er nichts am Hut.
Eine reguläre Intendanz in Zürich komme für ihn denn auch auf keinen Fall infrage. Aber als man vor vier Wochen aus Zürich an ihn herangetreten sei, habe er sich entscheiden müssen: entweder dem ursprünglichen Plan folgen und ab Sommer 2023 etwas kürzertreten. Oder, bei aller tiefen Sympathie für Stemann und sein Theater, in die hiesige «erregte Situation» hineintreten, die Widersprüche aushalten und auch gestalten. Seine Interimsintendanz vorbereiten.
«Wir wollen keinen Rollback», unterstrich auch Bachofen, während Khuon sich als Brückenbauer beschrieb – auch wenn er nicht wissen könne, was auf der anderen Seite der Brücke komme. Essenziell sei jedenfalls, so Khuon, ein Theater für die Stadt zu machen, nicht für die Blase – Khuon wird dafür mit seiner Frau von Berlin nach Zürich ziehen –, und auf der Bühne «Sog zu entwickeln, in den Zuschauern lustvolle und freiwillige Nachdenklichkeit auszulösen». Mit Agitationskunst habe er nichts am Hut.
Keine Tanzcompagnien mehr
Am Konzept der Hausregisseurinnen und -regisseure wolle er im Prinzip festhalten, freilich das Ensemble wieder mehr als einheitlich begreifen, weniger als separiert in Gruppen rund um einzelne Regieführende, führte Khuon aus. Darum bringe er auch zwei leitende Dramaturginnen als einende Kräfte mit. Seine Sehnsucht spiegle sich eher im Begriff «Familie», auch wenn es verschiedene Zweige und Vielfalt geben dürfe und müsse.
Von zwei der besagten «Gruppen» hat sich der Verwaltungsrat nun schon vorab verabschiedet: Das Konzept der Tournee-Tanztruppen rund um die diversen Tanzschaffenden Wu Tsang einerseits und Trajal Harrell andererseits sei eine betriebswirtschaftliche Überforderung gewesen, sagte Bachofen. Eine weitere Zusammenarbeit mit den beiden – in anderer Form – sei jedoch durchaus denkbar. «Die finanzielle Situation hat sich noch nicht entspannt», formulierte Bachofen. Aber an den neun Premieren pro Saison wolle man auch in der Interimsspielzeit festhalten. Diese sollen, so Ulrich Khuon, dem Pfauen und dem Schiffbau «neue Verführungskraft» verleihen.
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