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Präsent auf Lukaschenkos Kanälen
Scharfer Protest gegen Nestlé-Werbung in Weissrussland

«Füttere nicht den Diktator, Nestlé!» Diese Collage begleitet die Kampagne der deutsch-schweizerischen NGO Libereco.
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Zwei Wochen nachdem er aus einem Flugzeug der Ryanair heraus verhaftet worden war, musste der weissrussische Blogger Roman Protassewitsch in Minsk im staatlichen TV-Sender ONT auftreten. Als er sich, offenbar unter Zwang, für seinen Widerstand gegen das Regime von Alexander Lukaschenko entschuldigte, konnte man in seinem Gesicht deutlich die Spuren von Folter sehen. Vor und nach diesem wie ein Schauprozess inszenierten Interview lief Werbung. Unter anderem für Produkte von Nestlé.

Staatlich kontrollierte TV-Sender wie ONT, Belarus 1 oder STV sind Propagandainstrumente in der Hand Lukaschenkos. Dennoch bekommen die Zuschauer tagtäglich in den Werbeblocks die Bilder einer schönen heilen Nestlé-Welt vorgesetzt: das verliebte Paar vor einer Tasse Nescafé. Das glückliche Kind vor einer Box mit der Aufschrift «Nesquick».

4500 Werbeeinschaltungen in einer Woche

Auch andere westliche Firmen werben weiterhin in den staatlichen TV-Programmen. Aber kein Unternehmen ist so präsent wie der Schweizer Lebensmittelkonzern. Auch kein weissrussisches Unternehmen.

Die weissrussische Opposition analysierte die Werbeblocks und zählte in einer Woche Anfang Juni 4509 Werbeeinschaltungen für Nestlé-Produkte auf insgesamt 13 weissrussischen TV-Kanälen. An zweiter Stelle lag, deutlich abgeschlagen, der US-Konzern Mars mit 2964 Einschaltungen.

Weissrussische Oppositionelle kritisieren das Schweizer Sponsoring für Lukaschenkos Propaganda schon länger. Diese Zeitung hat darüber mehrmals berichtet. Doch nun kommt Protest gegen Nestlé auch aus dem Westen. Libereco eine deutsch-schweizerische Organisation, die sich vor allem für politische Gefangene in Belarus engagiert, schickte einen offenen Brief an den Nestlé-Vorstandsvorsitzenden Ulf Mark Schneider sowie an den Verwaltungsratspräsidenten Paul Bulcke.

Der gefangene Oppositionelle Roman Protassewitsch beim erzwungenen Interview im Staatssender ONT. Vor und nach dem Interview liefen Werbespots, auch von Nestlé. 

Im Namen von 47 NGOs aus 18 Ländern fordert Libereco den Schweizer Konzern auf, die Werbung in allen staatlichen Medien Weissrusslands sofort zu beenden: «Nestlé darf sich nicht länger mitschuldig an den Verbrechen des Lukaschenko-Regimes und an den gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Belarus machen, indem Sie das staatliche belarussische Fernsehen durch Werbung finanzieren», heisst es in dem Brief. Unterzeichnet wurde er unter anderem von Reporter ohne Grenzen und der Schweizerischen Helsinki Vereinigung.

«Wir wollen vor den Nestlé-Fabriken und auch vor der Zentrale in Vevey protestieren.»

Lars Bünger, NGO Libereco

«Wir verlangen keineswegs, dass Nestlé seine Produkte in Weissrussland nicht mehr verkaufen soll», betont Lars Bünger, Präsident von Libereco Schweiz: «Es geht uns nur um die Werbung in den Propagandakanälen des Regimes. Auf die könnte Nestlé mühelos verzichten.» Offenbar denkt der Schweizer Konzern aber nicht daran. Auf die Anfrage dieser Zeitung antwortet Nestlé so wie schon mehrmals zuvor: kein Kommentar.

Sollte Nestlé auch auf den offenen Brief nicht reagieren, plant die NGO Libereco weitere Aktionen. Aber dann auf der Strasse. Auch die weissrussische Diaspora in der Schweiz und in Deutschland werde mitziehen, sagt Lars Bünger: «Wir wollen vor den Nestlé-Fabriken und auch vor der Zentrale in Vevey protestieren.» An einen Boykottaufruf sei vorerst nicht gedacht: «Wenn Nestlé aber überhaupt nicht reagiert», so Bünger, «könnte das ein letzter Schritt sein.»