Energiemangel im WinterSBB-eigene Kraftwerke schützen nicht bei Stromausfällen
Die SBB produzieren selber Energie und haben deshalb im Winter genügend Strom zur Verfügung. Warum sie trotzdem steckenbleiben können, wenn der Haushaltsstrom ausfällt.
Die gute Nachricht zuerst: Die SBB verfügen über genügend Energie. Die Züge können auch dann noch angetrieben werden, wenn andernorts wegen einer Strommangellage bereits das Licht ausgeht. Dies, weil die SBB über eigene Kraftwerke verfügen.
«Wir produzieren einen Grossteil der von uns benötigten Elektrizität selber», sagt SBB-Geschäftsführer Vincent Ducrot in einem Gespräch im Westschweizer Fernsehen RTS. Und er beruhigt: «Mit unseren Reserven können wir mindestens drei Viertel des aktuellen Verkehrsangebots sicherstellen.»
Ducrot spricht vom sogenannten Bahnstrom, der zum Antreiben der Lokomotiven benötigt wird. Die SBB produzieren in ihren 13 Kraft- und Umformerwerken pro Jahr rund 2000 Gigawattstunden Strom – zu 90 Prozent aus Wasserkraft. Dieser Strom hat mit 16,7 Hertz eine andere Frequenz als der normale Haushaltsstrom. Und er wird über ein separates Netz an die SBB und zahlreiche andere Bahnunternehmen verteilt. Ergänzt wird er mit zugekauftem herkömmlichem Strom, der in Bahnstrom umgewandelt wird. Etwa ein Viertel des Stroms, den die Lokomotiven benötigen, stammt also von den normalen Energieversorgern.
Die schlechte Nachricht: Trotz der eigenen Energiereserven bleiben viele Züge stecken, wenn der Haushaltsstrom nicht fliesst. Dann nämlich, wenn die Signale und Weichen, die mit normalem Strom betrieben werden, nicht mehr angesteuert werden können. Oder dann, wenn wichtige Telekommunikationsanlagen oder IT-Systeme ausfallen. Oder schlicht auch: wenn im Bahnhof das Licht ausgeht. «In diesen Bereichen sind wir komplett von den lokalen Energieversorgern abhängig», räumt Ducrot ein.
Ausnahmen wurden bislang nur wenige gewährt: Spitäler, Blaulichtorganisationen und Strafvollzugsbehörden sollen stets Strom haben. Womit die Bahn zu rechnen hat, ist noch nicht klar.
Es ist also gut möglich, dass Züge stecken bleiben, wenn es in einer Region zu einem grösseren Stromausfall kommt. Und solche sind als Ultima Ratio vorgesehen: Die Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (Ostral) kann ganzen Quartieren oder Dörfern den Strom kappen, sobald alle anderen Massnahmen ausgeschöpft sind. Vier Stunden lang wäre es dann dunkel. Dann gibts für vier oder acht Stunden wieder Strom, bevor die nächste vierstündige Pause beginnt.
Ausnahmen wurden bislang nur ganz wenige gewährt: Spitäler, Blaulichtorganisationen und Strafvollzugsbehörden sollen stets Strom haben. Womit die Bahn zu rechnen hat, ist aber noch nicht klar. Anders beim Gas, das die Bahnunternehmen zum Heizen der Weichen benötigen: Sollte es zu wenig geben, hätten sie einen privilegierten Zugang. Allerdings dürfte es für die Elektrizitätswerke technisch kaum möglich sein, zwischen einzelnen Bezügern zu unterscheiden.
«Wir bereiten uns auf diverse Szenarien vor», sagt Vincent Ducrot. Weiter ins Detail geht er im Gespräch auf RTS nicht. Für Donnerstag haben die SBB weitere Informationen zum Vorgehen in einer Strommangellage angekündigt; vorher will man sich nicht dazu äussern. Die SBB und Postauto würden in einer akuten Krise als sogenannte Systemführer die Massnahmen im gesamten öffentlichen Verkehr koordinieren.
Stromspartipps – aber keine Fahrverbote
«Wir müssen mit vereinten Kräften dafür sorgen, dass es zu keiner Strommangellage kommt», sagt Ueli Stückelberger. Der Vorstand des Verbands Öffentlicher Verkehr, den er leitet, hat den Mitgliedern letzte Woche Energiespartipps vorgelegt. Er schlägt vor, die Beleuchtungen von Fassaden und Dekorationen in Bahnhöfen auszuschalten. Und die Büros und Betriebsräume sollen weniger stark geheizt werden, genauso wie die Züge und Busse.
«Wir ziehen den Normalbetrieb so lange wie möglich durch.»
Zum Stromsparen den Fahrplan ausdünnen – das will die Branche aber nicht. «Wir ziehen den Normalbetrieb so lange wie möglich durch», sagt Stückelberger. So verlange es die Konzession. «Es macht zudem keinen Sinn, wenn ausgerechnet der energieeffiziente öffentliche Verkehr ausgebremst wird.» Erst wenn die Behörden Massnahmen verfügen, wird auch das Angebot angepasst: Darf ein Fussballmatch nicht stattfinden, braucht es auch keinen Fanzug. Gibt es eine Heimarbeitspflicht, kann allenfalls auf Pendlerzüge verzichtet werden.
«Wenn in Olten der Strom ausfällt, gibts vielerorts Probleme», warnt Ueli Stückelberger. Im öffentlichen Verkehr gebe es sehr viele Abhängigkeiten. Der Verband Öffentlicher Verkehr setzt sich dafür ein, dass die Bahn prioritär mit Strom versorgt wird. «Damit es zu keinem Chaos kommt, müssen Signale und Weichen stets normal betrieben werden können.»
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