Gewerkschaft gegen SparpläneSBB Cargo in Nöten: Angestellte sollen weniger in die Ferien
Im Güterverkehr läuft es nicht rund, Corona liess den Umsatz einbrechen. Das allein wäre schon genug – doch nun sorgt ein Video an die Mitarbeitenden für zusätzliche Irritationen.
Die Schilderung einer Videobotschaft an die Mitarbeitenden von SBB Cargo klingt dramatisch. «Man ist bei SBB Cargo mit dem Rücken zur Wand und das Geld gehe aus, um die Löhne auch in Zukunft noch bezahlen zu können.» So beschreibt der Verband Schweizer Lokführer und Anwärter (VSLF) die Message einer SBB-Cargo-Managerin im besagten Video. Die Firma, die zur Mehrheit den SBB gehört, soll also ein Problem mit der Liquidität haben?
Die SBB selbst bestätigen, dass SBB Cargo Schwierigkeiten hat. «Die finanzielle Lage von SBB Cargo ist aufgrund der Corona-Krise sehr ernst», so ein Sprecher. Die Liquidität von SBB Cargo sei dank der SBB vorerst gesichert. «Somit können auch die Löhne gezahlt werden», so der Sprecher weiter.
Die Löhne sind also erst mal nicht in Gefahr. Doch die Chefetage will nun sparen. «SBB Cargo beabsichtigt – wie viele andere Unternehmen derzeit auch –, mit ihren Sozialpartnern in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit nach Lösungen zu suchen, mit denen das schlechte Ergebnis verbessert und die Arbeitsplätze gesichert werden können», sagt ein Sprecher zum Vorgehen.
Gewerkschaft spricht von einem Affront
Konkret heisst das: Es sollen zwei Ferientage gestrichen, bereits beschlossene Lohnmassnahmen für das nächste Jahr wieder gestrichen und mögliche Minusstunden auf 40 Stunden angehoben werden, die ins kommende Jahr mitgenommen werden können. Die Idee dahinter: Die Mitarbeitenden sollen diese Stunden im nächsten Jahr nachholen, wenn sie zum Beispiel wegen Corona weniger gearbeitet haben, als sie laut Vertrag sollten.
Gegen diese kurzfristigen Massnahmen läuft die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) nun Sturm. Man wehre sich gegen Sparmassnahmen auf dem Rücken der Mitarbeitenden, schreibt die Gewerkschaft in einer Mitteilung an ihre Mitglieder. Ebenso wehrt sie sich gegen eine andere Botschaft im besagten Video. Denn nicht nur der Teil mit den Löhnen lässt die Arbeitnehmervertreter aufhorchen. «Die Botschaft im Video war klar: Die Mitarbeitenden seien mitverantwortlich für die Situation bei SBB Cargo», sagt Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn. Der VSLF beschreibt die Botschaft in einem Newsletter folgendermassen: Im Video werde dazu aufgerufen, die Verkehre endlich wirtschaftlich zu planen und die Zeitguthaben im Griff zu haben.
Der SEV spricht in einer Mitteilung an seine Mitglieder denn auch von einem Affront. «Das Personal mit Videobotschaften für die schwierige Situation verantwortlich zu machen, ist weder gerechtfertigt noch zielführend», schreibt die Gewerkschaft. Hadorn protestierte bei der Leitung gegen das Video. Mittlerweile sei das Video gelöscht und damit für Hadorn erst mal erledigt. «Man kann Fehler machen, wenn man sie danach auch wieder korrigiert», so Hadorn.
Jahrelanger Kampf
Die Episode zeigt: Bei SBB Cargo rumpelt es. Und das hat nicht nur mit Corona zu tun. In den vergangenen Jahren fuhr die Firma immer wieder Verluste ein. Und wenn einmal ein Gewinn rausschaute wie etwa im vergangenen Jahr, dann war er äusserst klein. Gleichzeitig verpasste sich das Unternehmen immer wieder Reorganisationen, zuletzt kündigte das Unternehmen 2018 einen Stellenabbau von Hunderten Jobs an.
Die SBB schreiben dazu: «Zur Erreichung der gesetzlich vorgegebenen Eigenwirtschaftlichkeit wurde 2018 ein umfassendes Sanierungs - und Weiterentwicklungsprogramm gestartet. SBB Cargo hat in diversen Bereichen grosse Fortschritte gemacht.» Die Auswirkungen von Corona hätten diese teilweise zunichtegemacht.
Mit dem Einstieg von privaten Partnern erhofft sich SBB Cargo für die Zukunft neue Impulse. Ebenso gab es an der Spitze der Firma einen Wechsel. Der langjährige Chef Nicolas Perrin verliess seinen Posten, Désirée Baer übernahm. Perrin sitzt weiterhin im Verwaltungsrat des Güterverkehrsunternehmens. Bei einer ersten Bilanz ihrer Zeit als CEO von SBB Cargo im Juli liess Baer bereits durchblicken, wie die Umsatzzahlen für das erste Halbjahr aussehen. Damals sprach sie von einem Einbruch von 10 bis 20 Prozent. Umgerechnet sind das zwischen 30 und 60 Millionen Franken.
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