Kritik an Zürcher KulturortStadtrat rügt Zentralwäscherei wegen Auftritt extremistischer Gruppe
Im alternativen Kulturzentrum trat ein Vertreter einer als antisemitisch geltenden Organisation auf. Der Stadtrat will dies künftig verhindern. Den Kritikern genügt das nicht.
Die Zentralwäscherei, ein städtisch unterstütztes Kulturzentrum in Zürich-West, wird vom Stadtrat zurechtgewiesen. Solche Rügen verteilt die Stadtregierung sehr selten.
Am 14. Januar 2024 fand in der Zentralwäscherei (ZWZ) eine Veranstaltung des Revolutionären Aufbaus statt, an dem offenbar ein Mitglied des Netzwerks Samidoun auftrat. Diese Gruppe gilt als antisemitisch, Deutschland hat sie letzten November verboten.
Weil die Zentralwäscherei von der Stadt jährlich einen Mieterlass von gut 100’000 Franken bekommt, stellten die drei Gemeinderäte Jehuda Spielman, Anthony Goldstein (beide FDP) und Ronny Siev (GLP) Anfang Februar im Gemeinderat eine schriftliche Anfrage. «Wir wehren uns dagegen, dass antisemitische Organisationen in subventionierten Räumen auftreten», sagt Jehuda Spielman.
Nun hat die Stadt Zürich die Stellungnahme der Zentralwäscherei erhalten, wie Heike Isselhorst, Sprecherin des zuständigen Sozialdepartements von Raphael Golta (SP), auf Anfrage sagt. Dadurch könne das Sozialdepartement die Vorgänge rund um den 14. Januar «so weit als möglich nachvollziehen».
Dabei kommt der Verein ZWZ, der die Zentralwäscherei betreibt, nicht gut weg. Die Stadt erachtet es als Fehler, dass dieser «dem für seine antisemitische Propaganda bekannten Netzwerk Samidoun» eine Plattform geboten habe. «Ein solcher Auftritt wäre in einem von der Stadt selbst betriebenen Veranstaltungslokal nicht bewilligt worden.» Die Zentralwäscherei hätte sicherstellen müssen, dass an jenem Abend keine diskriminierenden oder antisemitischen Äusserungen fallen. Die Verantwortlichen seien aber nicht in der Lage, den Anlass vom 14. Januar zu dokumentieren.
Die Stadt Zürich werde den Verein ZWZ auffordern, das Notwendige zu unternehmen, damit sich ein solches Ereignis nicht wiederholt. «Sollten die entsprechenden Massnahmen nicht genügen, behalten wir uns vor, eigene Vorgaben zu machen», sagt Heike Isselhorst.
Zentralwäscherei sieht sich zu Unrecht kritisiert
Auf Anfrage hat der Vorstand des Vereins ZWZ dieser Zeitung eine Zusammenfassung seiner Stellungnahme geschickt. Am 14. Januar sei über «repressive Tendenzen» gesprochen worden und über die Erfahrungen von palästinensischen Bewegungen, die in Europa auf die Strassen gehen. Auch ein Vertreter von Samidoun habe teilgenommen. Dem Verein Zentralwäscherei würden aber keine Informationen vorliegen, dass dabei «diskriminierendes und/oder terroristisches Gedankengut verbreitet wurde». Man spreche sich «gegen jegliche Art antisemitischer, islamophober und rassistischer Haltungen aus».
Nach der Messer-Attacke auf einen orthodoxen Juden vom 2. März wurde die Zentralwäscherei wegen des Samidoun-Auftritts indirekt mit der Tat in Verbindung gebracht. Dies empört den Verein, der Vorwurf sei in keiner Form gerechtfertigt. Die antisemitische Tat verurteile man zutiefst, heisst es in der Stellungnahme. Die Zentralwäscherei habe den «Diskurs um antidiskriminierendes Verhalten» in Zürich mitgeprägt und werde das auch künftig tun.
Jehuda Spielman kritisiert diese Haltung. Eine extremistische Organisation wie Samidoun habe gar keine Plattform verdient, egal, was deren Vertreter konkret sagten. Von der Zentralwäscherei erwarte er ein Eingeständnis des Fehlers und eine Entschuldigung. «Ansonsten finde ich, dass der Verein keine Subventionen mehr bekommen sollte.» Erst kürzlich machte Tsri.ch bekannt, dass die Zentralwäscherei Geldsorgen hat und mehr Beiträge von der Stadt möchte.
Streit ums Vorgehen
Die schriftliche Anfrage von Spielman, Goldstein und Siev hat auch Unstimmigkeiten bezüglich des Vorgehens ausgelöst. Die offizielle Antwort hat der Stadtrat am 6. März verfasst. Weil die Anfrage dringlich war, musste er dies innerhalb eines Monats tun. Die Sichtweise der Zentralwäscherei fehlt in der offiziellen Antwort allerdings. Der Verein ZWZ, so suggeriert der Stadtrat, habe die Fragen nicht fristgerecht beantwortet.
Diese angebliche Nichteinhaltung des Termins ärgerte die Einreichenden, wie die NZZ am Mittwoch berichtete.
Die Zentralwäscherei wehrt sich gegen den Vorwurf, die Antwort hinausgezögert oder verschlafen zu haben. Der Vorstand des Vereins schreibt: Der Stadtrat habe sich erst am 29. Februar schriftlich an die ZWZ gewandt, drei Wochen nach der Einreichung der Anfrage im Gemeinderat. Als Frist für eine Antwort habe die Stadt den 8. März angegeben. Der Verein habe die Fragen an einer ausserordentlichen Vollversammlung ausdiskutiert, ausführlich beantwortet und fristgerecht abgeschickt. Das reichte trotzdem nicht. Denn der Stadtrat hatte seine Antwort schon am 6. März abgeschlossen.
Das Sozialdepartement bestätigt diese Darstellung. Man habe zuerst informelle Abklärungen durchgeführt. Danach habe man die Aufforderung zu einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist versandt, sagt Sprecherin Heike Isselhorst. Ein Problem sieht sie darin nicht. Die parlamentarische Anfrage fokussiere sich auf technisch-vertragliche Fragestellungen. Diese habe der Stadtrat auch ohne die Stellungnahme des Vereins ZWZ beantworten können.
Jehuda Spielman findet dieses Vorgehen unverständlich. «Ich hätte vom Stadtrat eine umfassende offizielle Antwort samt offizieller Rüge erwartet.» Ein Statement gegenüber den Medien habe im Vergleich dazu deutlich weniger Gewicht.
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