Schlag gegen Moskaus SchattenflotteDänemark will Putins lukrativste Geldquelle austrocknen
Trotz Sanktionen gelingt es Russland, Milliarden durch Rohölexporte einzunehmen. Täglich fahren Tanker dafür durch die dänischen Meerengen. Die will Kopenhagen nun schliessen.
Ohne ein Geografiestudium kann man die Flaggen kaum zuordnen, unter denen die rostigen Öltanker immer häufiger europäische Gewässer durchqueren. Ein beabsichtigter Effekt. Denn die Schiffe gehören nicht etwa kleinen Inselstaaten, sondern sind Teil einer russischen Schattenflotte.
Seit Dezember 2022 hat der Westen russisches Rohöl sanktioniert. Weltweit wurde eine Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel eingeführt. Um dies durchzusetzen, haben die G-7 und Australien ihren Reedereien, Banken und Versicherungen verboten, sich am Transport von russischem Öl, das teurer verkauft wird, zu beteiligen. Weil westliche Versicherer die Schifffahrt dominieren, betrifft das fast die gesamte Handelsflotte der Welt.
Trotzdem gelingt es dem Kreml weiterhin, sein Öl zu höheren Preisen zu verkaufen. Über Umwege hat der russische Staat eine eigene Flotte an alten Tankern gekauft, die das Öl nach Indien, China oder in die Türkei transportieren.
Zwar haben die USA und Grossbritannien etliche Schiffe aus dieser Schattenflotte sanktioniert, doch die EU blieb bislang inaktiv. Erst vergangene Woche schlug die Kommission vor, eine Handvoll der rund 1200 Schiffe zählenden Flotte in Brüssels Strafkatalog aufzunehmen. Teil des am Donnerstag von der EU verabschiedeten 14. Sanktionspakets sollen auch Strafmassnahmen gegen die Schattenflotte sein.
Dänemark will Tore zur Ostsee schliessen
Den schleppenden Prozess in Brüssel abzuwarten, scheint für Dänemark keine Option mehr zu sein. Kopenhagen will Schiffen der Schattenflotte die Durchfahrt durch die dänischen Meerengen verbieten, die als Tore zur Ostsee dienen. Für Russland, das rund ein Drittel seiner Übersee-Exporte durch die Meerengen ausführt, wäre das ein Problem.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Russland ein paralleles maritimes Handelsnetz aufgebaut, um westliche Sanktionen zu umgehen. Die Schiffe verschwinden im administrativen Nebel, werden über verschlungene Kanäle finanziert und fahren unter der Flagge eines willfährigen Staats. Auf rund 1500 Schiffe schätzen Experten die Grösse der Schattenflotte inzwischen, das sind fast 20 Prozent aller grossen Handelsschiffe auf der Erde. Mehr als 1000 davon sollen es allein für den Transport von russischem Erdöl seit dem Jahr 2022 gewesen sein.
Für den Westen ist der Kampf gegen Moskaus Schattenflotte aber aus mehreren Gründen schwierig. Zum einen, weil sie häufig unter der Flagge von Drittländern wie Liberia, Saudiarabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten fahren, die gerne ein Auge zudrücken.
Zum anderen sind die Übergänge zwischen dem offiziellen globalen Ölhandel und der Parallelökonomie fliessend. Experten sprechen von einer «dunklen Flotte», die eindeutig Russlands System zuzuordnen ist, und einer «grauen Flotte», die sich zwischen beiden Welten bewegt. So etwa Schiffe, die sich offiziell in Besitz einer Firma aus einem Drittstaat befinden oder häufig die Flaggen wechseln, um ihre eigentlichen Eigentümer oder die Herkunft der Fracht zu verschleiern.
Wie die Ölpreisbremse funktioniert
Dass die Schattenwirtschaft floriert, hat auch damit zu tun, dass sich der Westen nach Putins Invasion verkalkuliert hatte. Damals verhängte er scharfe Sanktionen, inklusive eines Ölembargos gegen Russland. Aber das liess auch die Ölpreise nach oben schiessen und füllte somit die Kriegskasse des Kreml. Erst Ende 2022 beschlossen die USA und ihre Verbündeten dann den sogenannten Ölpreisdeckel. Das Prinzip: Russland soll weiter Öl verkaufen dürfen, aber billiger.
Zwar kann der Kreml dies mit der Schattenflotte umgehen, allerdings wird diese Verlagerung seiner Handelsrouten teurer. Die hohen Frachtkosten, die sich direkt aus der Sanktionierung ergeben, drücken die Gewinne aus dem Rohölverkauf. Eine Lieferung nach Asien kostet wesentlich mehr als die nach Europa, früher Russlands wichtigster Abnehmermarkt.
Indem sie die Einnahmen aus russischen Ölverkäufen senke, habe die Ölpreisbremse also trotzdem den gewünschten Effekt, heisst es aus den USA. Experten bezweifelten allerdings, dass die aus den Sanktionen entstehenden Mehrkosten den russischen Staatshaushalt wirklich bedrohen. Um den russischen Ölhandel effektiv zu unterbinden, müsste der Westen die Schattenflotte stärker ins Visier nehmen.
Dänen befürchten Ölpest und Spionage
Dänemark und auch andere Ostsee-Anrainer würden die Durchfahrt der russischen Schattentanker nicht nur stoppen, um Moskaus Einnahmen zu reduzieren, die den Ukraine-Krieg finanzieren. Sondern auch, weil die Schiffe selbst eine unmittelbare Gefahr darstellen.
Die Schiffe, die die russische Exklave Kaliningrad verlassen, sind im Schnitt fast 30 Jahre alt. Das lässt vermuten, dass die Frachter in einem schlechten Zustand und kaum bis gar nicht versichert sind. Viele Experten halten eine Ölkatastrophe in der Ostsee nur für eine Frage der Zeit.
Zudem schlug die schwedische Marine Alarm, da die Schattenschiffe nicht nur ihren regulären Geschäften nachgehen würden, sondern auch mit Kommunikationsgeräten ausgestattet seien, die von normalen Handelsschiffen nicht benötigt würden. Die russische Schattenflotte scheint demnach gleichzeitig eine Spionageflotte zu sein.
Rechtslage ist komplex
Dänemarks Ansatz wäre radikal. Man habe eine Gruppe verbündeter Länder zusammengebracht, um Massnahmen zu evaluieren, so Aussenminister Lars Lokke Rasmussen. Der russische Entrüstungssturm folgte prompt. So erklärte Moskaus Botschafter in Kopenhagen, Beschränkungen für die Durchfahrt von Schiffen durch die Meerengen seien inakzeptabel.
Die rechtliche Grundlage für eine De-facto-Sperrung müsste erst noch geschaffen werden. Sicher ist, dass Dänemark einen entsprechenden Schritt nicht ohne die Zustimmung weiterer Länder tun könnte, da die dänischen Meerengen internationale Gewässer sind. Doch genau diesen wichtigen Part scheint Kopenhagen nun in Angriff nehmen zu wollen.
In Kooperation mit der «Welt am Sonntag», Teil der Leading European Newspaper Alliance.
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