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Personalrochade im Kreml
Putin holt seine Nichte ins Verteidigungs­mini­sterium

In this pool photograph distributed by Russian state agency Sputnik, Chairwoman of Defenders of the Fatherland Foundation Anna Tsivileva waits for a meeting with Russian president in Moscow on June 1, 2024. (Photo by Alexander KAZAKOV / POOL / AFP)
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Es ist nicht viel bekannt über Wladimir Putins Familie und Verwandtschaft. Zwar weiss man, dass Putin zwei Töchter hat, deren Existenz hat der 71-Jährige allerdings nie bestätigt, auch zeigt er sich nicht mit ihnen. Auch Recherchen dieser Redaktion, dass ein Sohn in Lugano auf die Welt kam, kommentierte der Kreml nicht. Nur selten macht Putin selbst seine Familie zum Thema, 2014 liess er nach vielen Gerüchten vom Kreml erklären, dass er sich von seiner Frau Ljudmila Putina habe scheiden lassen. Seinen Vater erwähnt er hin und wieder bei Kriegsgedenken. Darüber hinaus dürfen keine familiären Details an die Öffentlichkeit gelangen – und die von ihm kontrollierten Staatsmedien halten sich daran. 

Da wundert es nicht, dass in Russland derzeit über eine erstaunliche Personalie nur selektiv berichtet wird: Anna Ziwiljowa ist seit diesem Montag stellvertretende Verteidigungsministerin, das meldeten die staatlichen Nachrichtenagenturen, darunter auch Tass. Unerwähnt lassen sie, dass die Russin Putins Verwandte ist. Sie ist offenbar die Tochter seines Cousins Jewgeni Putin, und damit Putins Nichte zweiten Grades. In der Meldung bei Tass heisst es lediglich, Ziwiljowa werde im Ministerium «für die Organisation der sozialen Versorgung und der Unterbringung der Soldaten (...) verantwortlich sein». Bei ihrer Arbeit stehe «der Mensch im Mittelpunkt».

Es dauerte nicht lange, bis unabhängige Journalistinnen und Journalisten nach dem Entscheid über die Familienbande berichteten. Putins Nichte ins Verteidigungsministerium befördert – diese Schlagzeile reiht sich in eine Personalrochade, die Putin seit Beginn seiner fünften Amtszeit nach den Scheinwahlen von März angestossen hat. Kremlkritische Beobachterinnen sprechen auch von «Säuberung» in der Verwaltung, auch, weil der Krieg gegen die Ukraine nicht läuft, wie er soll. An der Spitze musste der langjährige Minister Sergei Schoigu gehen, es folgte Andrei Beloussow. Nun wurde Anna Ziwiljowa zu dessen Stellvertreterin befördert. Sie ist 52 Jahre alt. Geburtsname: Putina – die weibliche Form von Putin.

Der Konzern soll aus der Schweiz umgesiedelt sein

Kürzlich trafen sich Putin und seine Nichte im Kreml, es gibt Bilder davon. Ziwiljowa ist ohnehin in Russland keine gänzlich Unbekannte: Die Milliardärin ist Miteigentümerin des Kohlekonzerns Kolmar. Das Unternehmen ist Recherchen der russischen Investigativplattformen «Projekt» und «The Insider» zufolge mit dem Angriffskrieg deutlich gewachsen. Wenige Monate nachdem 24. Februar 2022 soll es aus der Schweiz nach Dubai umgesiedelt sein.

In this pool photograph distributed by Russian state agency Sputnik, Russia's President Vladimir Putin (R) attends a meeting with Chairwoman of Defenders of the Fatherland Foundation Anna Tsivileva (L) in Moscow on June 1, 2024. (Photo by Alexander KAZAKOV / POOL / AFP)

Ziwiljowa, die aus Iwanowo nahe Moskau stammt, ist Psychologin und in einer Familie von Ärztinnen und Ärzten aufgewachsen. Sie ging früh nach Moskau und arbeitete zeitweise in einer Firma für Medizintechnik. Ihr wird Durchsetzungsstärke nachgesagt. Sie ist das Gesicht einer Stiftung, die durch den russischen Krieg bekannt wurde. Die Stiftung «Verteidiger des Vaterlandes» unterstützt Militärs, Veteranen und deren Familien. Auf Telegram postet die Vorsitzende Ziwiljowa etwa Beiträge zu Sportveranstaltungen von Kriegsversehrten. Dort bedankte sie sich auch für die Ernennung zur stellvertretenden Ministerin und sprach von einer «grossen Verantwortung».

Ins Leben gerufen hatte die Stiftung Wladimir Putin. Vergangenen Dezember lobte der Kremlchef ihre Arbeit und sagte, dass Bürgerinnen und Bürger der Stiftung mehr als 10 Milliarden Rubel (mehr als 100 Millionen Franken) gespendet hätten. 

Genau für diese Arbeit steht Ziwiljowa allerdings in der Kritik. «Putins Nichte erhält all das Geld aus der Stiftung», sagte der russische Exiljournalist Michail Zygar Anfang Juni bei einer Onlineveranstaltung eines US-Thinktanks. Er beschrieb ein hochkorruptes System, das Putins Familienangehörige und Vertraute bevorteile. «Es geht ihnen um Geld. Sie kümmern sich um ihre eigenen Familienunternehmen, nicht um die Menschen.»

Das bekräftigt eine Recherche von «Projekt» aus dem Jahr 2022. Demnach profitierte auch Anna Ziwiljowas Ehemann, Sergei Ziwiljow, von der Nähe zum Kreml. Er ist ebenfalls Unternehmer bei Kolmar und ebenfalls politisch tätig – als Energieminister. Der Konzern, berichtet «Projekt», soll unter anderem steuerlich und in der Medienberichterstattung begünstigt worden sein.

Schaulaufen der neuen Machtelite

Spätestens mit ihrem jetzigen Aufstieg wird Ziwiljowa zur Riege jüngerer, machtbewusster Russinnen und Russen in Putins Nähe gezählt. Pawel Fradkow (42) zählt auch dazu: Der Sohn eines früheren Ministerpräsidenten ist nun ebenfalls zum stellvertretenden Verteidigungsminister ernannt worden. Dass mehrere Personen für den Posten ausgewählt werden, ist üblich, vier Vizeverteidigungsminister mussten jüngst das Feld räumen.

Diese jüngere, russische Machtelite zeigte sich kürzlich in St. Petersburg. Zum Wirtschaftsgipfel Spief Anfang Juni erschien nicht nur Putins Nichte, damals noch in ihrer Funktion als Chefin der Militärstiftung. Auch Putins Töchter, Maria Woronzowa (39) und Katerina Tichonowa (37) hielten dort Vorträge. Ausserdem kam die Tochter des ehemaligen Verteidigungsministers, Xenja Schoigu, 33, der Sohn des Kremlstabschefs, Alexander Waino (43), und Roman Rotenberg (43), wie die US-Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Letzterer ist der Sohn von Boris Rotenberg, Putins früherem Judopartner.

Bloomberg nannte den Gipfel deswegen «Schaufenster der Generationen» und zitiert die Washingtoner Analystin Maria Snegovaya: Es findet eine «allmähliche Übergabe der Macht an die Erben» statt. «Dies ist ein Versuch, die Elite zu erneuern und zu verjüngen.»