Herstellung von KriegswaffenAfrikanerinnen für Drohnen-Bau nach Russland gelockt
Werbeanzeigen in sozialen Medien versprechen Frauen ein Abenteuer in der Ferne. In Russland angekommen, werden sie für die Drohnenproduktion eingesetzt.

Etwa 200 Frauen aus Afrika bauen in Russland Drohnen für den Einsatz im Ukraine-Krieg. Das hat eine Recherche der Nachrichtenagentur AP ergeben. Betroffene berichteten der AP, sie seien mit Werbeanzeigen in sozialen Netzwerken angelockt worden, die ihnen ein kostenloses Flugticket, Geld und ein Abenteuer in der Ferne versprochen hätten. Sie hätten ein Computerspiel und einen russischen Vokabeltest absolvieren müssen, der 100 Worte umfasst habe.
Statt in einem Werksstudentenprogramm in Bereichen wie dem Gastgewerbe oder der Gastronomie hätten einige der Frauen nach ihrer Ankunft in der russischen Region Tatarstan jedoch erfahren, dass sie in einer Fabrik zur Herstellung von Kriegswaffen arbeiten müssen, berichteten die Frauen, die mit der AP sprachen. Dort müssten sie im Iran entwickelte Drohnen zusammenbauen, mit denen die Ukraine angegriffen werde.
Arbeit mit ätzenden Chemikalien
In den Gesprächen berichteten einige der Frauen von langen Arbeitstagen unter ständiger Überwachung und gebrochenen Versprechen. Sie hätten weniger verdient, als sie erwartet hätten, sagten drei Frauen der AP. Das Anwerbeprogramm versprach zunächst umgerechnet 640 Euro im Monat, doch war später in Posts in sozialen Netzwerken von 457 Euro die Rede. Die Arbeiterinnen mussten nach eigenen Angaben zudem mit Chemikalien hantieren, die Narben und Juckreiz verursachen.
Eine Betroffene sagte der AP, den Arbeiterinnen werde beigebracht, Drohnen zusammenzubauen und mit einer ätzenden Substanz zu ummanteln, deren Konsistenz an Joghurt erinnere. Viele bekämen keine angemessene Schutzkleidung. Durch die Arbeit mit den Chemikalien habe sich ihr Gesicht angefühlt, als ob es mit winzigen Nadeln durchstochen werde, sagte die Frau. Kleine Löcher seien auf ihren Wangen aufgetaucht, die furchtbar gejuckt hätten. «Mein Gott, wie ich mich kratzen könnte. Ich kann nie aufhören, mich zu kratzen», erklärte sie. «Viele Mädchen leiden.»
Die AP konnte zwar nicht ermitteln, um was für Chemikalien es sich handelt. Doch bestätigte der Experte Fabian Hinz vom Internationalen Institut für Strategische Studien, dass ätzende Substanzen bei der Herstellung von Drohnen verwendet würden.
Eine Arbeiterin berichtete, das Flugticket und die Kosten für ihre Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Russischkurse seien von ihrem Gehalt abgezogen worden. Sie habe Mühe gehabt, mit dem verbliebenen Geld grundlegende Ausgaben wie Busfahrten zu bezahlen. Sie warf ihren Vorgesetzten zudem vor, die Afrikanerinnen wie «Eselinnen» behandelt und versklavt zu haben. Sanktionen gegen den russischen Bankensektor hätten es ihr zudem erschwert, Geld in ihre Heimat zu überweisen. Eine andere Frau erklärte indes, sie habe jeden Monat bis zu 137 Euro an ihre Familie schicken können.
Russland will den Arbeitskräftemangel bekämpfen
Um einen Arbeitskräftemangel in Kriegszeiten in Russland auszugleichen, hat der Kreml Frauen im Alter von 18 bis 22 Jahren aus Ländern wie Uganda, Ruanda, Kenia, Südsudan, Sierra Leone und Nigeria rekrutiert, ausserdem aus dem südasiatischen Sri Lanka. Russland weitet die Kampagne zudem auf andere Orte in Asien und Lateinamerika aus.
Wie aus der AP-Recherche hervorgeht, liegt damit ein wichtiger Teil der russischen Waffenproduktion in den Händen der etwa 200 unerfahrenen Afrikanerinnen zwischen 18 und 22 Jahren, die an der Seite russischer Berufsschüler arbeiten, die teils erst 16 Jahre alt sind. «Ich weiss nicht wirklich, wie man Drohnen macht», sagte eine der Frauen, die ihren Job in ihrer Heimat aufgegeben und das Angebot aus Russland angenommen hat. Die Produktion erfolgt den Angaben zufolge in der Sonderwirtschaftszone Alabuga in Tatarstan, etwa 1000 Kilometer östlich von Moskau.
Die AP analysierte Satellitenaufnahmen des Industriekomplexes sowie interne Dokumente und sprach mit einem halben Dutzend Frauen, die dort tätig sind. Zudem machte sie Hunderte Videos des Online-Rekrutierungsprogramms «Alabuga Start» ausfindig, um sich einen Eindruck vom Geschehen in der Fabrik zu verschaffen.

Aktion erfüllt Kriterien für Menschenhandel
Von der AP kontaktierte Menschenrechtsgruppen erklärten, dass sie von den Vorgängen in der Fabrik in Alabuga nichts gewusst hätten. Human Rights Watch ergänzte indes, dass Russland aktiv Ausländer vom afrikanischen Kontinent und aus Indien für die Unterstützung des Krieges gegen die Ukraine anwerbe und diesen lukrative Jobs verspreche, ohne konkret zu erläutern, um was für Arbeit es sich handele.
Russlands Aktionen könnten Kriterien für Menschenhandel erfüllen, falls die Anwerbung auf Betrug beruhe und der Zweck Ausbeutung sei, sagte Ravina Shamdasani, Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissars Volker Türk. Schliesslich sei Moskau Mitgliedsstaat der UN-Konvention gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Die ugandische Ministerin für Arbeit und soziale Entwicklung, Betty Amongi, sagte der AP, dass ihre Behörde über die Botschaft in Moskau Bedenken wegeb der Anwerbeaktion für Alabuga übermittelt habe. Sorgen mache sich Uganda insbesondere wegen des jungen Alters der Frauen. Denn Arbeitsmigrantinnen gehörten zu der schutzbedürftigsten Gruppe.
DPA/sst
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