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Panzergeschäfte beim Bund
Ausmass des Ruag-Skandals ist noch grösser als bisher bekannt

Screenshot aus einem Video-Beitrag des Senders RSI, August 2023:

Leopard 1 auf dem Gelände der Goriziane Group Spa, in Villesse.
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Leopard-1-Panzer sind seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine wieder begehrt. Die Ruag, die Rüstungsfirma des Bundes, besitzt 96 davon. Sie stehen in einem Lager im norditalienischen Villesse, notdürftig überdeckt mit Blachen.

Die Ruag wollte sie letztes Jahr verkaufen – an die deutsche Firma Rheinmetall, die wiederum plante, sie instandzusetzen und an die Ukraine weiterzugeben. Der Bundesrat stoppte das Geschäft. Die eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat es daraufhin untersucht – und ist auf diverse weitere Unregelmässigkeiten gestossen. Diese gehen so weit, dass der Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin zurücktritt.  

Das Urteil der EFK fällt harsch aus. Als problematisch erachtet sie vor allem Tätigkeiten, die bisher nicht bekannt waren. Die Ruag habe gegen Compliance-Regeln verstossen und «nicht die notwendige Sorgfalt an den Tag gelegt», heisst es im Untersuchungsbericht. Dadurch seien höhere Kosten entstanden. 

Rekonstruktion des Panzerdeals

Alles begann damit, dass die Ruag 100 alte Leopard-1-Panzer plus Ersatzteile von einer italienischen Rüstungsfirma erwarb – für 4,5 Millionen Euro. Das war im Jahr 2016, und damals passierten schon die ersten Fehler: Die «Kompetenz- und Unterschriftenregelung» sei nicht eingehalten worden, schreibt die EFK. Die Ruag-Spitze wusste offenbar gar nichts von diesem Kauf. In den Folgejahren machte die Ruag mit den Ersatzteilen zwar gute Geschäfte. Doch von den Panzern konnte sie nur vier Stück verkaufen – für die sie laut Buchhaltung das Geld bis heute nicht erhalten hat. Die 96 anderen Panzer blieben in Italien.

Für die Lagerung zahlte die Ruag vermutlich deutlich zu viel: Die Miete für den Lagerplatz wurde plötzlich mehr als verdreifacht. Den entsprechenden Vertrag unterschrieb Ruag Deutschland, obwohl sie laut EFK für die Panzer gar nicht zuständig gewesen wäre. Sie erhielt ab diesem Zeitpunkt einen höheren Anteil der Erlöse aus dem Verkauf von Ersatzteilen, welche die Ruag zusammen mit den Panzern erworben hatte. Dafür bezahlte sie die Miete für den Lagerplatz. 

Mehrere ausländische Armeen zeigten laut der EFK in den letzten Jahren Interesse an den Panzern, aber es kam kein Verkauf zustande. Anders mit einer deutschen Firma namens Global Logistics Support (GLS), die Grosstransporte abwickelt. 

In den Geschäften mit der GLS hat die Finanzkontrolle weitere Unregelmässigkeiten entdeckt: Als die Ruag die Zusammenarbeit mit der GLS beendete, sicherte sie ihr als Kompensation mindestens eine halbe Million Euro zu. Dieser Betrag sei «in einem grossen Missverhältnis» zu den Umsätzen gestanden, welche die GLS zuvor dank der Ruag gemacht habe. 

Einen Tag nachdem diese Vereinbarung unterzeichnet war, bestellte die GLS 25 der Panzer für 500 Euro pro Stück. Die Ruag hatte je 45’000 Euro bezahlt. Die GLS bezahlte, holte die Panzer aber nie ab, woraufhin die Ruag das Geld knapp zwei Jahre später zurücküberwies. Erst im Februar 2023, an dem Tag, an dem die Ruag den neuen Vertrag mit Rheinmetall für alle 96 Panzer unterzeichnete, überwies die GLS das Geld erneut. Zudem beanspruchte sie die 25 Panzer mit einem Anwaltsschreiben für sich. 

Am Vorgehen beim Verkauf an Rheinmetall kritisiert die EFK vor allem, dass eine formelle Genehmigung durch Geschäftsleitung und Verwaltungsrat fehlte. Diese waren allerdings über das Geschäft informiert. 

Ruag-Spitze wird nun komplett ausgewechselt

Im Bericht heisst es, Verwaltungsratspräsident Perrin habe bereits 2020 versprochen, den Bund als Eigner der Ruag über die Panzer zu informieren. Dies sei aber nicht geschehen. Das VBS soll erst im Januar 2023 von den Panzern und dem Lager in Italien gewusst haben.

Nun tritt Perrin zurück, wie die Ruag in einer Medienmitteilung schreibt. Zwar ergäben sich aus dem EFK-Bericht keine zwingenden Gründe für diesen Schritt. Doch die Geschäfte im Zusammenhang mit den Leopard-1-Panzern hätten «eine Tragweite erreicht, die für die Ruag zunehmend zur Belastung wird». 

Nicolas Perrin Schweizer Bauingenieur und seit dem 1. Januar 2008 der Leiter von SBB Cargo, Olten. Montag 23. Juli 2018 Foto © Nicole Pont

Gleichzeitig schreibt die Ruag, bei grossen Teilen des Panzergeschäfts habe es sich um «Altlasten» gehandelt. Perrin war 2020 zum Verwaltungsratspräsidenten ernannt worden. Dies, nachdem die Ruag in zwei Teile aufgespalten worden war – in eine internationale Sparte und die Ruag MRO. Seither sei das Compliance-System verbessert worden, schreibt die Ruag auf Anfrage. Man «setzte alles daran, allfällige Schwächen» zu beheben.

Ende letzten Jahres berichtete der «SonntagsBlick» darüber, dass Perrin der Schwager der engsten Beraterin von VBS-Chefin Viola Amherd ist. Daraufhin wurde in mehreren Artikeln die Frage aufgeworfen, ob er wirklich der geeignetste Kandidat für das Amt gewesen war, weil er zuvor keine Berührungspunkte zur Rüstungsindustrie gehabt hatte. 

Der Rücktritt Perrins sei nun «in Rücksprache mit dem VBS» erfolgt, wie dieses in einer Stellungnahme schreibt. Man erwarte, dass die Ruag Massnahmen zur Bereinigung von Mängeln in der Organisation sowie der Geschäftstätigkeit rasch umsetze. Das VBS habe zudem eine Prüfung des «rechtlichen Rahmens der Ruag» in Auftrag gegeben. 

Das ist nicht die einzige Untersuchung, die noch ausstehend ist: Politische Fragestellungen und juristische Aspekte, etwa, wie die Verträge ausgestaltet waren oder ob es zu Handlungen wie Veruntreuung oder Vorteilsnahme kam, hat die EFK im nun publizierten Bericht noch nicht untersucht. Eine zweite EFK-Prüfung läuft derzeit noch, sie fokussiert auf die Führung und Steuerung der Ruag.

Dafür arbeitet die Finanzkontrolle auch mit einer Anwaltskanzlei zusammen, die von der Ruag im letzten Sommer mit einer Prüfung beauftragt worden ist. Die Ruag schreibt auf Anfrage, es würden auch weitere Geschäfte untersucht, unter anderem solche der Ruag Deutschland. In Deutschland läuft im Zusammenhang mit dem Panzergeschäft zudem ein Strafverfahren. 

An der Spitze der Ruag wird es in den nächsten Monaten gleich zwei Wechsel geben. Erst letzte Woche hat der Bundesrat Ralph Müller zum neuen Ruag-CEO ernannt. Seine Vorgängerin musste unter anderem wegen unbedachter Aussagen zum Ukraine-Krieg gehen. Müller tritt sein Amt im Frühling an.