Zum Tod des Produzenten Roli MosimannDer Schweizer, der die Popmusik in die Zukunft bugsiert hat
Er feilte am Sound von Bands wie Faith No More, Marilyn Manson oder The Young Gods: Mit Roli Mosimann ist einer der bedeutendsten Klangarchitekten der Musikgeschichte gestorben.
- Roli Mosimann, 1955 in Weinfelden geboren, prägte als Produzent die Musik der 80er-Jahre entscheidend.
- Er zog 1980 nach New York, wurde Drummer bei Swans und schuf mit Wiseblood Pionierwerke des Industrial Rock.
- Ab 1986 war er Produzent, arbeitete mit Bands wie The Young Gods oder Faith No More und nutzte moderne Sampling-Techniken.
- Am 15. September 2024 ist Roli Mosimann in Breslau, Polen, im Alter von 68 Jahren verstorben.
Roli Mosimann: Wenn man den Namen so hört, klingt er, wie Schweizer Namen eben so klingen – lieblich und rustikal zugleich. Man könnte ihm in einer hiesigen Metzgerei begegnen, im Versicherungswesen vielleicht.
In der Musikwelt der Achtzigerjahre war der Name Roli Mosimann indes ein Synonym für Klanghexerei, musikalischen Fortschritt und für die Sound-Utopien von übermorgen.
Mosimanns Weg von Weinfelden nach New York
Es wimmelt in der Geschichte ja nicht gerade von Schweizern, die an den Schalthebeln sassen, als die Musik entscheidende Richtungsänderungen einschlug. Roli Mosimann – 1955 im thurgauischen Weinfelden geboren – war eine solche Figur. Einer, dem die Welt schnell einmal zu klein wurde, sowohl geografisch wie musikalisch.
Von Weinfelden aus, wo es für ihn nichts anderes zu tun gegeben habe als Zigaretten und Platten zu kaufen und in einigen lokalen Bands zu trommeln, zog Roli Mosimann nach Zürich. Das Schlagzeugspielen hatte er sich selber beigebracht, übte wie ein Besessener, spielte in Latin-Bands und ergatterte sich erste Jobs als Produzent von Werbemusik.
1980, mit 24 Jahren, siedelte er nach New York über. Er hatte genug von der Schweiz, von Bands, die lediglich den angelsächsischen Punk oder New Wave kopierten. Er wollte das Original erleben. Dafür arbeitete er illegal auf dem Bau und spielte in allen möglichen Bands, die gerade keinen Drummer zur Hand hatten, mit dem Ziel, in seiner neuen Heimat möglichst viele neue Menschen kennen zu lernen.
Swans läutete den Post-Punk ein
Es war eine Zeit, in der die musikalischen Dogmen verwilderten. Der Punk lag in den letzten Zuckungen, die Metal-Szene überbot sich in neuen Geschwindigkeitsrekorden, und irgendwann im Jahr 1982 erschien eine Band im Musikuniversum, die sich anschickte, alles bisher Gehörte über den Haufen zu werfen.
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Die Band hiess Swans, stammte aus ebendiesem New York und kreierte mit ihrem zähflüssigen, fast schon maschinell anmutenden Zeitlupen-Noise-Rock eine Wucht, wie sie in der Musik zuvor noch niemand bewerkstelligt hatte. No Wave nannte sich diese neue Spielform, die letztendlich die Post-Punk-Epoche einläuten sollte und die Subkultur mit atonalen Stromgitarren und mit lustvoll zelebrierter Langsamkeit erschütterte.
Am Schlagzeug sass Roli Mosimann, der bald als gemächlichster, aber lautester Schlagzeuger der Welt gehandelt wurde. Er schlug wenig, aber wenn er schlug, dann tat er es mit grösstmöglichem Nachdruck. Swans-Konzerte waren dermassen laut, radikal und körperbetont, dass regelmässig Besuchende in Ohnmacht fielen oder Polizeikräfte einschreiten mussten. Roli Mosimann zog bald weiter.
Roli Mosimann legte den Grundstein für Industrial Rock
1985 gründete er mit dem australischen Sänger James Thirlwell (alias Clint Ruin, alias Foetus) die Band Wiseblood, mit der er auf nie zuvor gehörte Weise Rockmusik mit Elektronik verdrahtete, indem er deren subversive Rauheit eher potenzierte, als elektronisch zu verwässern. Die erste Wiseblood-Single «Motorslug» aus dem Jahre 1985 gilt als eine Art Blaupause für das, was später als Industrial Rock in die Musik-Annalen eingehen sollte und von Bands wie Ministry, Nine Inch Nails oder Marilyn Manson weiterentwickelt wurde.
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Irgendwann tauschte Roli Mosimann die Bühne mit dem Studio. Unfreiwillig, wie er stets betonte. Er war genervt davon, dass die Tontechniker, auf die er getroffen war, sich mit dem Einbezug neuer elektronischer Instrumente schwertaten. Also legte er selber Hand an.
Die Zukunft der Rockmusik
1986 erreichte ihn ein Demotape aus Genf. The Young Gods hiess die Band, die sich anschickte, ein Rockalbum aufzunehmen, das fast gänzlich auf die neue Sampling-Technik aufbaute. Roli Mosimann sollte als Produzent das Klangkonzept mitgestalten – und der Schweizer zögerte keinen Moment. 1987 erschien das unbetitelte Debütalbum der Band, das die britische Musikpresse derart aus dem Häuschen brachte, dass sie diesen neuen Sound aus Schweizer Manufaktur zur «Zukunft der Rockmusik» ausrief.
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Roli Mosimann avancierte quasi über Nacht zu einem der gefragtesten Produzenten New Yorks. Die Bands, die bei ihm anklopften, versprachen sich von ihm, dass er ihrem Sound zumindest ein Quantum des neuen Zeitgeists einhauchen möge. Die Bands, die um seine Studiodienste buhlten oder Remixe in Auftrag gaben, hiessen Faith No More, New Order, Celtic Frost, Marilyn Manson, Skinny Puppy, Smashing Pumpkins oder The The.
Die Boomjahre
Mosimann arbeitete bald in den besten Tonstudios der Stadt, die Möglichkeiten, am Sound zu arbeiten, der ihm vorschwebte, wurden immer opulenter, und die Budgets der Plattenfirmen in den Boomjahren der Musikindustrie liessen auch mal Experimente zu. «Das Studio ist genauso interessant zu handhaben wie ein Instrument», sagte Roli Mosimann einmal über seine Arbeit, doch in seinem Umfeld war niemand überrascht, dass er bald nach zusätzlichen Herausforderungen suchte.
Ende der 1990er-Jahre eröffnete er mit dem Schweizer Schlagzeuger Jojo Mayer einen Club in New York, der seinerseits zu einer Art Musikinstrument werden sollte. Mosimann entwickelte das Soundkonzept für den Klangraum, in dem Drum’n’Bass und Jazzimprovisation aufeinanderprallten.
«Definitiv ein bisschen verrückt»
In den letzten Jahren ist es um Roli Mosimann ruhiger geworden. Die Budgets der Bands schrumpften zusammen, teure Studios und Produzenten leistete sich kaum noch jemand. Roli Mosimann tingelte weiter als Tontechniker durch die Welt oder klügelte Klangkonzepte für Clubs und Festivals aus. Im Jahr 2021 wurde er vom Bundesamt für Kultur mit einem Musikpreis ausgezeichnet – quasi als Würdigung für sein Lebenswerk.
Am 15. September ist Roli Mosimann im polnischen Breslau, wo er seit 2010 mit seiner Familie lebte, im Alter von 68 Jahren an Lungenkrebs gestorben. «Er hört anders, ausserdem ist er definitiv ein bisschen verrückt», hat Matt Johnson von der Gruppe The The einst über ihn gesagt. Mit dieser Disposition hat Roli Mosimann eine der aufregendsten Epochen der Musikgeschichte gewissermassen vom Regiestuhl aus mitgeprägt.
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