Neue Zahlen zu RitalinÄrzte verschreiben anderthalbmal mehr ADHS-Medikamente in drei Jahren
Die Verschreibung von Psychostimulanzien hat auch 2023 ungebrochen zugenommen. Das zeigen soeben aktualisierte Zahlen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums.

In der Schweiz werden Ritalin und verwandte Psychostimulanzien mit dem Wirkstoff Methylphenidat seit 2020 wieder zunehmend verschrieben. Aktualisierte Zahlen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan), das von Bund und Kantonen getragen wird, zeigen nun: Der Trend war 2023 ungebrochen, die Medikamente zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wurden von Ärztinnen und Ärzten noch häufiger verschrieben.
Der Anstieg über alle Altersklassen und beide Geschlechter betrug im Vergleich zum Vorjahr rund ein Sechstel (16 Prozent). Die Zahlen des Obsan basieren auf den Verschreibungen, die in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abgerechnet wurden. Es handelt sich um Tagesdosen pro 1000 Einwohner, das Bevölkerungswachstum ist deshalb bereits herausgerechnet.
Im Vergleich zu 2020 war die verschriebene Menge von ADHS-Medikamenten in der Schweiz demnach anderthalbmal so hoch (plus 54 Prozent). Die Daten für 2024 sind noch nicht verfügbar.
In absoluten Zahlen am stärksten ins Gewicht fällt der Anstieg bei den Buben bis 18 Jahren, bei denen sich die Verschreibungen bereits auf einem hohen Niveau bewegen. Prozentual höher war jedoch die Zunahme bei Erwachsenen (Männern und Frauen) sowie Mädchen bis 18 Jahren (rund 50 Prozent seit 2020).
Bis ins Jahr 2020 fand bei den ADHS-Medikamenten über fast ein Jahrzehnt nur ein moderater Anstieg statt. Wie diese Redaktion unlängst berichtete, fand danach eine Trendwende statt, die durch Abwassermessungen sowie Daten von Swissmedic bestätigt wird. Das Heilmittelinstitut erfasst schweizweiten Lieferungen von Methylphenidat, dem Wirkstoff von Ritalin und anderen Psychostimulanzien. Diese sind von 2020 bis 2023 um 43 Prozent gestiegen.
Über die Gründe für die vermehrte Verwendung von ADHS-Medikamenten sind sich Fachleute uneinig. Manche sehen die Hauptursache in der Pandemie, die Familien zusätzlich belastete und dazu führte, dass häufiger medikamentöse ADHS-Behandlungen nötig wurden. Eine veränderte Gesellschaft mit wachsendem Erfolgs- und Leistungsdruck könnte ebenfalls zur Zunahme geführt haben. Ebenso das Nachholen von Behandlungen bei Betroffenen, vor allem bei Erwachsenen und Mädchen, die bislang keine Medikamente erhalten hatten. Und schliesslich besteht die Befürchtung, dass auch Chemikalien eine Rolle spielen. Insbesondere bei Pyrethroid-Insektiziden, die zu den weltweit am häufigsten verwendeten Pestiziden gehören, gibt es zunehmend überzeugende Hinweise, dass sie zu mehr ADHS führen.
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