Schweizer Waffen für die UkraineRheinmetall-Chef bestätigte Lieferung von Oerlikon-Abwehrkanone
Die in der Schweiz entwickelte Waffe sei bereits in der Ukraine, sagte der Chef des Rüstungskonzerns in einem Podcast. Beim Bund vertraut man weiterhin auf die offizielle Darstellung.
Sie wurden in der Schweiz entwickelt und bis vor kurzem auch hier gebaut: Die Skynex-Luftabwehrsysteme der Firma Rheinmetall Air Defence mit Sitz in Zürich. Die Waffe wehrt Angriffe durch Drohnen und Marschflugkörper effektiv ab. Vor allem über Städten ist die Oerlikon Revolvergun MK3 sehr effektiv – und gerade deshalb für einen Einsatz in der Ukraine geeignet. Das Land stand zuletzt immer stärker unter Beschuss von russischen Drohnen und Marschflugkörpern.
Diese Zeitung berichtete letzte Woche darüber, wie der ukrainische Ministerpräsident Denis Schmihal anlässlich eines Besuchs beim deutschen Mutterkonzern Rheinmetall festhielt, dass sich zwei Skynex-Systeme bereits in der Ukraine befinden sollen. Der Rüstungskonzern dementierte umgehend: «Meldungen, wonach sich Skynex-Systeme bereits in der Ukraine befinden, können wir nicht bestätigen», sagte ein Sprecher.
Doch Aussagen von Rheinmetall-Chef Armin Papperger lassen weitere Zweifel aufkommen. Papperger trat Ende Februar im Podcast «The Pioneer» auf. Dort spricht er ab Minute 11 zuerst allgemein über Waffen zur Luftverteidigung, wie den von Israel entwickelten Iron Dome, der erfolgreich gegen Raketen aus dem Gazastreifen eingesetzt wird. Dann wird Papperger konkreter und redet über das in der Schweiz entwickelte Skynex-System. Damit habe Deutschland ein ähnliches, sehr effektives Abwehrmittel, hält Papperger fest.
Rheinmetall-CEO: «Systeme sind bereits in der Ukraine»
Und dann kommt das Gespräch auf das Bundeskanzleramt in Berlin, «das praktisch aus der Luft ungeschützt ist, wie Moderator Gabor Steingart feststellt. Daraufhin bestätigt der Rheinmetall-Chef, dass die Systeme «im Augenblick in der Ukraine» seien. Auf Nachfrage bestätigt Papperger, dass er damit die «Skynex-Systeme» meint. Das Interview wurde bei Militärbloggern ungläubig aufgenommen. Denn das würde bedeuten, dass Rheinmetall gegen die Schweizer Gesetze zur Ausfuhr von Kriegsmaterial verstossen hat. Darüber hinaus machte der Rheinmetall-Chef die Verwundbarkeit der deutschen Hauptstadt vor Drohnenangriffen öffentlich. Auf Anfrage teilt ein Sprecher des deutschen Bundeskanzleramts mit: «Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht zu Sicherheitsmassnahmen des Bundeskanzleramtes äussern.»
Die NZZ fragte bei Papperger in einem Interview nach und sprach ihn auf seine Aussagen an. Sein Dementi war nicht sehr überzeugend: «Noch keines dieser Systeme befindet sich in der Ukraine.» Der Podcast und das Dementi in der NZZ wurden von Militärbloggern verwundert diskutiert. Könnte es sein, dass Rheinmetall die Abwehrsysteme ohne Einwilligung der Schweiz in die Ukraine brachte?
Kommissionen wollen Reexporte in die Ukraine ermöglichen
Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) vertraut man noch auf die offizielle Darstellung von Rheinmetall, wonach die von der Ukraine offiziell bestellten Abwehrsysteme zuerst noch in Italien produziert werden müssen und erst Ende Jahr geliefert würden. Gemäss Seco ist das möglich, da gemäss Artikel 7 der Kriegsmaterialverordnung die Know-how-Übertragung nach Italien ohne Bewilligung erfolgen kann. Ob man die Sache aufgrund der Aussagen des ukrainischen Premiers sowie der inoffiziellen Bestätigung des Rheinmetall-CEO nun von sich aus untersuche, wollte man beim Seco auf Anfrage nicht bekannt geben.
Die Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine erhielt in den letzten Tagen wieder Auftrieb, nachdem die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats am Donnerstag die Annahme einer parlamentarischen Initiative beschloss, die eine Änderung des Wiederausfuhrverbots fordert. Die Initiative, die zuvor schon von der Sicherheitskommission des Nationalrats angenommen wurde, will das Wiederausfuhrverbot auf fünf Jahre beschränken. Würde der Vorstoss im Parlament tatsächlich angenommen, könnte Deutschland etwa dringend benötigte Munition für den Gepard-Flugabwehrpanzer an die Ukraine weitergeben. Bis die Vorlage durchs Parlament ist und gesetzeswirksam wird, dürfte es 2024 werden.
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