Spitäler beklagen ZahlungsausständeRettung und Operation nach Skiunfall: Längst nicht alle Patienten zahlen
Wer auf Schweizer Pisten verunfallt, wird gerettet, operiert und gepflegt. Öfters bleiben Spitäler bei Touristen auf den Kosten sitzen – auch weil Verunfallte falsche Personalien angeben.
In Notfällen spielt Geld keine Rolle – zunächst jedenfalls. Wer auf Schweizer Pisten verunfallt, wird gerettet, operiert und gepflegt, ohne dass dafür eine Vorauszahlung geleistet werden muss. Auch eine Kostengutsprache der Versicherung ist in solchen Fällen nicht nötig. «Wir haben eine Aufnahmepflicht», sagt Gabriela Vrecko, Mediensprecherin der Berner Oberländer Spitalgruppe FMI (Frutigen, Meiringen, Interlaken).
Dies bestätigt auch Dajan Roman vom Kantonsspital Graubünden in Chur. Einzig bei sogenannten Wahleingriffen, die auch zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden können, müssen Patientinnen und Patienten erst die Zahlung sicherstellen. In allen anderen Fällen leisten die Kliniken zunächst Hilfe und rechnen im Nachhinein ab.
Damit gehen sie ein finanzielles Risiko ein. Zwar sind die meisten Patientinnen und Patienten dankbar für die Behandlung und bezahlen sie auch. Aber eben nicht alle. Das Kantonsspital Graubünden verzeichnet jährlich Zahlungsausstände von 200’000 bis 500’000 Franken. Ein Teil davon lässt sich – manchmal Jahre später – noch eintreiben, allerdings bei weitem nicht alles. Bei den FMI-Spitälern bleiben im langjährigen Durchschnitt rund vier Prozent der ins Ausland verschickten Rechnungen unbezahlt.
In Osteuropa und arabischen Staaten ist das Inkasso schwierig
Während im Berner Oberland die Zahlungsausstände in letzter Zeit abgenommen haben, stellt man in Chur eine eher steigende Tendenz fest. Auch das Spitalzentrum Oberwallis spricht von einem permanent steigenden potenziellen Verlustrisiko. Dem begegne man, indem man die Zahlungssicherung ständig optimiere und verfeinere, sagt Finanzchef Diego Henzen.
In rund 200 Fällen pro Jahr muss das Spitalzentrum Oberwallis ein Inkassobüro einschalten. Bei etwa der Hälfte der Fälle verläuft dies erfolgreich, wobei oft nur ein Teil der Behandlungskosten bezahlt wird. Laut Henzen kommt es bei Patientinnen und Patienten aus Nicht-EU-Ländern zu deutlich mehr Ausfällen als bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern.
«Praktisch unmöglich» ist das Nachinkasso in arabischen Staaten und in Osteuropa, wie Dajan Roman vom Kantonsspital Graubünden sagt. Zum Teil würden auch falsche Personalien angegeben. Im Spital Davos kommt dies regelmässig vor, während die Spitalgruppen im Berner Oberland und im Oberwallis von eher seltenen Fällen solcher Falschangaben sprechen.
Auch Schweizerinnen und Schweizer zahlen zuweilen nicht
Deutlich weniger häufig als bei ausländischen Touristen sind Zahlungsausfälle bei Schweizerinnen und Schweizern. Auch das kommt aber vor. «Dieser Anteil hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen», sagt Gabriela Vrecko von den FMI-Spitälern. Meist geht es um Hotellerieleistungen und Transporte, welche die Limite übersteigen, die von der Grundversicherung gedeckt ist. «Wir stellen fest, dass es gemeinhin den Versicherten nicht bewusst ist, dass eine solche Limite existiert und sie für den darüber hinausgehenden Teil selber aufkommen müssen», konstatiert Corina Issler Baetschi vom Spital Davos.
Eine Rechnung setzt es auch ab, wenn man mit dem Helikopter aus einer Notlage gerettet werden muss – doch die Rega und die Air Zermatt bleiben ebenfalls öfter auf den Kosten sitzen. Die so erlittenen Verluste sind weder für die Luftretter noch für die Spitäler verheerend. Das Problem sei aber durchaus «relevant» (FMI-Spitäler) und «nicht zu vernachlässigen» (Davos). Nicht zuletzt, weil es auch Arbeitskräfte binde.
Im Churer Kantonsspital sind zwei Vollzeitstellen mit dem Eintreiben der Ausstände beschäftigt. Das Spitalzentrum Oberwallis setzt 200 bis 350 Stellenprozente für das Sicherstellen der Zahlungen ein. Die meisten Kliniken haben in den letzten Jahren den Prozess der Zahlungssicherung optimiert, indem sie sich möglichst rasch darum kümmern. Wohl in der Hoffnung, dass zu diesem Zeitpunkt die Dankbarkeit für die Rettung und die Behandlung den Geiz noch übersteigt.
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